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pdf-Drucker, Job 74 - Universität Bamberg

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Geschlechtes (gender), sondern auch des Körpers (sex). 73 Während ethnomethodologisch<br />

ausgerichtete Forschungen die soziale Beständigkeit der Konstruktionen herausarbeiten,<br />

legt die Diskurstheorie das Augenmerk primär auf die sprachliche Konstruktion der Kategorie,<br />

die wiederum sprachlich dekonstruiert werden kann. Beide Strömungen machen jedoch<br />

deutlich, daß die Aufteilung der Menschen in zwei (oder mehr) Geschlechtergruppen, von<br />

denen ein Mensch gleichzeitig nur jeweils einer angehören kann, nicht „Bestandteil von<br />

Natur“ <strong>74</strong> ist, sondern daß diese vielmehr selbst bereits das Ergebnis von gesellschaftlichen<br />

Entwicklungen und Diskussionsprozessen, d.h. selbst bereits eine Konstruktion darstellt. In<br />

ihrem neueren Buch „Körper von Gewicht“ 75 veranschaulicht Butler zudem die Unterscheidung<br />

von sex und gender als Konstruktion. Mit dieser Weiterentwicklung weist Butler<br />

deutliche Nähe zu radikalkonstruktivistischen Ansätzen auf.<br />

Aus radikalkonstruktivistischer Perspektive 76 ist zu bedenken, daß bereits die Kategorie<br />

selbst, Diskussionen über sie sowie die auf ihr beruhenden Überlegungen zu Differenz<br />

und Gleichheit auf vorgängigen Konstruktionen einer Differenz beruhen. Wenn die Existenz<br />

zweier ‚Geschlechter‘ und die Verschiedenheit zwischen ihnen vorausgesetzt werden,<br />

nehmen Menschen – im Sinne einer self-fulfilling-prophecy – einander nicht neutral, sondern<br />

immer schon als ‚Mann‘ oder ‚Frau‘ wahr. Die ‚Geschlechtszugehörigkeit‘ von Menschen<br />

ist dabei ausschließlich dann relevant für die Wahrnehmung, wenn diese Kategorie<br />

für Menschen als relevant erscheint bzw. für deren Leben viabel ist. Eine beobachterInnenunabhängige<br />

Existenz der ‚Geschlechter‘ kann also nicht vorausgesetzt werden. 77<br />

In der Migrationssoziologie gibt es seit Ende der 80er Jahre eine kritische Aufarbeitung<br />

der zugrundeliegenden sozialen Kategorien. 78 Während primordiale Theorien in der<br />

Migrationsforschung über ‚Ethnizität‘ diese als konstitutiv für Menschsein annehmen, 79<br />

betonen konstruktivistische Ansätze, daß die „ethnisch ausgewiesene Soziogenese einer<br />

Minorität“ 80 auf der sozialen Konstruktion von Wirklichkeit beruht. Für ‚ethnische‘ Grup-<br />

73<br />

<strong>74</strong><br />

75<br />

76<br />

77<br />

78<br />

79<br />

80<br />

Auch aus biologischer Sicht läßt sich das Geschlecht nicht eindeutig bestimmen. Siehe Christiansen,<br />

Kerrin: Biologische Grundlagen der Geschlechterdifferenz, in: Ursula Pasero; Friederike<br />

Braun (Hrsg.): Konstruktion von Geschlecht (Frauen – Männer – Geschlechterverhältnisse; Bd. 1),<br />

Pfaffenweiler 1995, 13-28.<br />

Siehe Gildemeister, Regine; Wetterer, Angelika: Wie Geschlechter gemacht werden, 201. Siehe<br />

auch Gildemeister, Regine: Die soziale Konstruktion von Geschlechtlichkeit, in: Ilona Ostner; Klaus<br />

Lichtblau (Hrsg.): Feministische Vernunftkritik. Ansätze und Traditionen, Frankfurt am Main; New<br />

York 1992, 220-239.<br />

Butler, Judith: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Frankfurt am<br />

Main 1997.<br />

Einen feministischen radikalkonstruktivistischen Ansatz vertritt die Soziologin Marianne Krüll.<br />

Siehe Krüll, Marianne: Das Rekursive Denken.<br />

Vgl. zur Auswahl einer bestimmten Gruppe von Frauen, d.h. der ‚alten türkischen Immigrantinnen‘,<br />

welche diesem Aspekt zunächst zu widersprechen scheint, das Resümee (1.4) dieses Kapitels.<br />

Siehe Bukow, Wolf-Dietrich; Llaroya, Roberto: Mitbürger aus der Fremde. Soziogenese ethnischer<br />

Minoritäten, Wiesbaden 1988; Czock, Heidrun: Eignen sich die Kategorien „Kultur“ und „Identität“<br />

zur Beschreibung der Migrationssituation? Bemerkungen zu den Folgen der Kulturkonflikt-These,<br />

in: Informationsdienst zur Ausländerarbeit 1 (1988) 76-80; Dittrich, Eckhard J.; Radtke, Frank-Olaf:<br />

Ethnizität.<br />

Siehe Heckmann, Friedrich: Ethnos – eine imaginierte oder reale Gruppe? Über Ethnizität als soziologische<br />

Kategorie, Vortrag auf der Tagung „Ethnoregionalisierung oder Ethnoperipherisierung.<br />

Über Parallelitäten und Diskontinuitäten des west- und mitteleuropäischen Transformationsprozesses“,<br />

Regensburg 14. - 16. 6. 1995, hier 4f.<br />

Siehe Bukow, Wolf-Dietrich; Llaroya, Roberto: Mitbürger aus der Fremde, 51.

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