pdf-Drucker, Job 74 - Universität Bamberg
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mentieren oder in mehreren ‚Kulturen‘ zuhause sind. 54 Die Existenz der Kategorien, in der<br />
Menschen nur jeweils einer einzigen Gruppe angehören können, bleibt jedoch bestehen.<br />
Gleichzeitig werden durch die Konzentration auf eine Kategorie häufig Unterschiede innerhalb<br />
der jeweiligen Gruppe sowie gruppenübergreifende Gemeinsamkeiten, wie sie beispielsweise<br />
durch die Zugehörigkeit zu weiteren Kategorien entstehen, nivelliert. 55<br />
Grundsätzlich haben Unterschiede und Gemeinsamkeiten eine wichtige Ordnungsund<br />
Orientierungsfunktion. Unterschiede und Übereinstimmungen fungieren jedoch nicht<br />
lediglich als neutrale Systematisierungswerkzeuge, sondern sie werden konkreten Menschen<br />
zugeschrieben sowie dualistisch und hierarchisch geordnet. Über Differenz und<br />
Gleichheit werden dabei In- und Out-Groups bestimmt. Beide – Unterschiede jedoch oft<br />
augenfälliger als Übereinstimmungen – prägen die soziale Wirklichkeit. Differenzen werden<br />
in der Begegnung zwischen Menschen häufig als Wesensmerkmale eingestuft, wie etwa<br />
in der Formulierung „Die sind aber doch anders…“. Unterschiede und Gemeinsamkeiten<br />
sind jedoch nicht etwa von Natur aus als Wirklichkeit gegeben, „sondern werden durch<br />
konkrete Ein- und Ausschließungsprozesse im Sinne von Definitions-, Zuschreibungs- und<br />
Differenzierungsprozessen in historisch spezifischen Kontexten gebildet.“ 56 Sie werden<br />
aufgrund bestimmter Kriterien von Menschen festgelegt und entstehen erst in den Prozessen<br />
der Wahrnehmung und Konstruktion. Die Suche nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten<br />
bringt diese erst hervor.<br />
Den Wissenschaften kommt bei der Konstruktion von Begriffen und Kategorien eine<br />
zentrale Rolle zu, doch sind Wissenschaften auch selbst Konstrukte 57 und tragen als solche<br />
ebenfalls zu der gesellschaftlichen Wirklichkeitskonstruktion bei. 58 Sie greifen<br />
von (meist nicht reflektierten) Vorentscheidungen abhängige Ereignisse und Phänomene auf<br />
und interpretieren diese. Durch die Formulierung von Problem- und Themenstellungen legen<br />
sie „mit Hilfe kategorialer Unterscheidungen Relevanzen fest und […][setzen; M.H.],<br />
weil die Unterscheidungen Folgen haben, mit ihren theoretischen Konstrukten Probleme<br />
54<br />
55<br />
56<br />
57<br />
58<br />
Der Wechsel über die Grenzen der Kategorien unterstreicht die soziale Relevanz und Stabilität dieser<br />
Trennungslinien. Siehe Lorber, Judith: Gender-Paradoxien, 72.<br />
Siehe dazu auch die Ausführungen zu den komplexen Über- und Unterordnungen im Kyriarchat im<br />
Unterkapitel 1.2 sowie die Kritik an dem Begriff Frauensolidarität unter 5.2.5.1.<br />
Gümen, Sedef: Die sozialpolitische Konstruktion, 86.<br />
Siehe Klüver, Jürgen: Die Konstruktion der sozialen Realität Wissenschaft: Alltag und System,<br />
Wissenschaftstheorie – Wissenschaft und Philosophie, Bd. 25, Braunschweig; Wiesbaden 1988;<br />
Schwegler, Helmut: Konstruierte Wissenschaftswelten. Die Erfahrungen eines Physikers, in: Siegfried<br />
J. Schmidt (Hrsg.): Kognition und Gesellschaft, 257-276.<br />
Siehe beispielsweise Castles, Stephen: Sozialwissenschaften und ethnische Minderheiten in Australien,<br />
in: Eckhard J. Dittrich; Frank-Olaf Radtke (Hrsg.): Ethnizität, 43-71, hier 43f.<br />
Das gilt nicht nur für die Geistes- und Sozialwissenschaften, sondern auch für die Naturwissenschaften,<br />
von denen meistens angenommen wird, daß sie vorhandene Phänomene lediglich beschreiben<br />
bzw. entdecken. „Empirische Fakten sind aus der Sicht des Konstruktivismus auf Regelmäßigkeiten<br />
in der Erfahrung eines Subjekts gegründete Konstrukte. Sie bleiben so lange viabel, wie<br />
sie ihre Nützlichkeit bewahren und zur Verwirklichung von Zielen dienen.“ (Glasersfeld, Ernst von:<br />
Radikaler Konstruktivismus, 210). So wurde beispielsweise das physikalische Phänomen Licht zunächst<br />
als Welle gedeutet, und als die Wellentheorie neu konstruierte Phänomene nicht mehr erklären<br />
konnte, als Teilchenbewegung von Photonen verstanden. Siehe dazu auch Foerster, Heinz von:<br />
Entdecken oder Erfinden; Knorr-Cetina, Karin: Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie<br />
der Naturwissenschaft, Frankfurt am Main 1984; Knorr-Cetina, Karin; Amann, Klaus: Von Daten,<br />
Bildern und Beweisen. Zum konstruktivistischen Umgang von Wissenschaft mit visuellen Daten, in:<br />
Dietfried Gerhardus; Silke Kledzik (Hrsg.): Schöpferisches Handeln (Studia philosophica et historica;<br />
Bd. 16), Frankfurt am Main; Bern; New York u.a. 1991, 50-84.