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pdf-Drucker, Job 74 - Universität Bamberg

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Gruppe der ‚alten türkischen Immigrantinnen‘ zu benennen, bin ich gezwungen, auf die in<br />

den Diskursen üblichen Kategorien zurückzugreifen. Zu diesen „Pionierinnen der Arbeitsmigration“<br />

203 zählen Frauen, die im (frühen) Erwachsenenalter als Arbeiterinnen oder als<br />

Familienangehörige im Zusammenhang mit den Anwerbeverträgen nach Deutschland migriert<br />

sind. Sie werden derzeitig ‚alt‘ – ein Begriff, der noch näher zu definieren sein wird –<br />

und scheiden, sofern sie erwerbstätig waren, aus dem Erwerbsleben aus.<br />

Daß ich die Frauen als ‚Immigrantinnen‘ bezeichne – parallel dazu verwende ich die<br />

deutschen Bezeichnungen ‚Zuwanderinnen‘ oder ‚Einwanderinnen‘ – trägt der tatsächlichen<br />

Einwanderungssituation Rechnung. Als ‚Migrantinnen‘ werden sie dort bezeichnet,<br />

wo die Bedeutung des Migrationsweges und -prozesses im Vordergrund steht, also in der<br />

Vorgeschichte, und als Überbegriff zu Ein- und Auswanderung. Indem ich das Attribut<br />

‚türkisch‘ verwende, habe ich gleichzeitig Teil an der Ethnisierung und werde den vielfältigen<br />

‚ethnischen‘ Selbstbezeichnungen von Menschen türkischer Staatsangehörigkeit 204 nicht<br />

gerecht. Das Geburts- bzw. Herkunftsland als Kategorie wegzulassen würde jedoch bedeuten,<br />

daß meine Ausführungen sich auf beliebige Gruppen von Immigrantinnen beziehen<br />

ließen, eine solche Übertragung ist jedoch ihrer Gesamtheit nicht angeraten bzw. wäre eigens<br />

zu erforschen. Da es in dieser Arbeit um die Analyse der Zuschreibung der Dominanzbevölkerung<br />

geht, sind als ‚türkische‘ Immigrantinnen hier daher diejenigen zu verstehen,<br />

die von den Angehörigen der Dominanzbevölkerung als ‚Türkinnen‘ eingestuft werden,<br />

unabhängig von ihrer tatsächlichen Staatsangehörigkeit oder ihrer eigenen ‚ethnischen‘<br />

Verortung. Auch sind ‚Immigrantinnen‘ immer schon als Frauen konstruiert. Mit dieser<br />

Redeweise stütze ich die scheinbar essentielle Grenzziehung zwischen den Geschlechtern,<br />

die ich parallel dazu aus radikalkonstruktivistischer Perspektive kritisiere. Eine geschlechtsübergreifende<br />

Sprechweise wie z.B. in der Partizipkonstruktionen Migrierende<br />

kann jedoch nicht gleichzeitig die geschlechterspefizische Bedeutung weiterer Kategorien<br />

deutlich machen. Deshalb bleibe ich bei dem Begriff ‚Immigrantinnen‘.<br />

Ensprechendes gilt für das Attribut ‚alt‘, welches ‚Alte‘ von ‚Jungen‘ trennt und das<br />

‚Alter‘ erst als Bezugsgröße konstruiert. Da die Tatsache, daß ‚alte türkische Immigrantinnen‘<br />

als der Inbegriff ‚der anderen Kultur‘ gelten, an ihr Altsein gebunden ist, und zudem<br />

permanent neue ‚erste Generationen‘ von Migrantinnen einwandern, verwende ich daher in<br />

der Regel ‚alt‘ und nicht ‚erste Generation‘ zur genaueren Charakterisierung. Alten Frauen<br />

gemeinsam ist die strukturelle Benachteiligung; diese setzt für Frauen in Deutschland ungefähr<br />

mit dem 45. Lebensjahr ein. 205 Entscheidend ist daher nicht das kalendarische Alter<br />

oder die Selbstwahrnehmung der Frauen, sondern daß sie in der Sicht von Angehörigen der<br />

Dominanzbevölkerung als alt gelten. Auf die Zugehörigkeit zur sogenannten ‚ersten Generation‘<br />

wird lediglich dort verwiesen, wo sie für das Verständnis der Einwanderungssituation<br />

wichtig ist. 206 Es sei jedoch hier noch einmal betont: Die Gruppe der ‚alten türkischen<br />

203<br />

204<br />

205<br />

206<br />

Yurtda, Hatice: Pionierinnen der Arbeitsmigration in Deutschland. Lebensgeschichtliche Analysen<br />

von Frauen aus Ost-Anatolien (Innerethnische Beziehungen und Kulturwandel. Ethnologische Beiträge<br />

zu soziokultureller Dynamik; Bd. 23), Hamburg 1996.<br />

Beispielsweise macht die Verwendung der Staatsangehörigkeit Kurdinnen unsichtbar, vgl. dazu<br />

beispielsweise Skubsch, Sabine: Die kurdische Frage ist kein „Konfliktimport“, in: iza 1 (1999) 61-<br />

65.<br />

Vgl. Herberhold, Mechthild: Falten, 14-22; Jurecka, Peter: Ältere Migranten im Saarland, AK-<br />

Beiträge 11 (1998) 3, 45.<br />

Dies spielt beispielsweise bei der Migrationsgeschichte und der Erwerbssituation eine Rolle, siehe<br />

dazu die Unterkapitel 4.1 und 4.4.

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