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pdf-Drucker, Job 74 - Universität Bamberg

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‚eigene‘ oder die ‚fremde Kultur‘ aber auch abwertende und ausgrenzende Bedeutung und<br />

definiert die Out-Group jener, die nicht sind ‚wie wir‘. Durch die Zuordnung ihrer Werte<br />

und Handlungen zu ihrer ‚Kultur‘ verschwinden Menschen als Individuen hinter dieser Zuschreibung.<br />

In diesem Zusammenhang war für mich ein Erlebnis sehr prägend, bei dem ich<br />

deutlich mit meinen eigenen Rastern und Kategorien konfrontiert wurde. Ich diskutierte die<br />

Bedeutung von Gesundheit und Krankheit – ein Thema, das mich stark beschäftigte 193 – mit<br />

einer Freundin, die auch Weiße feministisch-theologische Ethikerin ist. Sie war nicht meiner<br />

Meinung, jedoch führten wir meiner Einschätzung nach eine konstruktive feministischethische<br />

Diskussion. Als ich abends nach Hause kam, erzählte ich meinem Mann von diesem<br />

Gespräch. Er teilte die Meinung meiner Freundin. Hätte ich nur mit ihm allein darüber<br />

gesprochen, hätte ich sein Mann- und mein Frausein mit als Erklärung dafür herangezogen,<br />

daß er anders denkt als ich. Am nächsten Tag sprach ich mit meiner Türkischlehrerin über<br />

dasselbe Thema. Auch sie war der selben Ansicht wie meine beiden anderen GesprächspartnerInnen<br />

und konnte meinen Gedankengang nicht nachvollziehen. Hätte ich nur mit ihr<br />

diskutiert, wäre mir u.U. der ‚Kulturunterschied‘ als einleuchtende Begründung für unsere<br />

unterschiedlichen Positionen erschienen. Jedoch erst in der Zusammenschau dieser drei<br />

Gespräche fiel mir auf, wie einseitig diese Einschätzung jeweils gewesen wäre, und daß ich<br />

selbst oft unreflektiert auf ‚Kultur‘ und andere Konstrukte als Erklärungskategorien für<br />

unterschiedliche Meinungen zurückgreife.<br />

1.4 Resümee<br />

Die Konstruktion der sozialen Kategorie ‚Kultur‘ und ihre Auswirkungen auf die<br />

Lebensbedingungen für ‚alte türkische Immigrantinnen‘ gehören zu den Geschehnissen, in<br />

denen etwas von gesellschaftlicher Relevanz deutlich wird und die eine ethische Auseinandersetzung<br />

erfordern – somit zu den theologisch relevanten Zeichen der Zeit. Die Analyse<br />

und Reflexion dieser Kategorie ist nicht nur Angelegenheit der marginalisierten Bevölkerung,<br />

sondern sie betrifft auch die Angehörigen der Dominanzbevölkerung, die von diesem<br />

Denken bislang zumindest vordergründig profitieren, ganz zentral. Es kann nicht länger<br />

darum gehen, scheinbare Defizite der Angehörigen ‚ethnischer Minderheiten’ zu korrigieren,<br />

oder allein ‚die anderen‘ als das Problem zu beschreiben, mit dem es umzugehen gilt.<br />

Auch ist es nicht Aufgabe der EinwanderInnen, den Einheimischen darzulegen, wo deren<br />

Anteile an der Wirklichkeitskonstruktion liegen. Die Angehörigen der Dominanzbevölkerung<br />

sind vielmehr selbst dafür verantwortlich, ihre eigene Verflochtenheit in Strukturen<br />

von Ausgrenzung und Privilegien zu hinterfragen. Dabei geht es nicht nur darum, Benachteiligung<br />

von ImmigrantInnen aufzudecken und abzuschaffen, sondern auch die eigene Position<br />

in einer kyriarchalen Gesellschaft zu reflektieren.<br />

Die weiteren Ausführungen dieser Arbeit beruhen zum einen auf dem Ansatz einer<br />

kontextuellen feministischen christlich-theologischen Ethik, welche sich durch die Orientierung<br />

an Befreiung, das Anknüpfen an konkreten Erfahrungen, explizite Parteilichkeit für<br />

193<br />

Der weitere Gesprächsinhalt ist hier sekundär. Ähnliches habe ich seitdem auch in Bezug auf weitere<br />

Themen und mit anderen GesprächspartnerInnen erlebt.

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