pdf-Drucker, Job 74 - Universität Bamberg
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Gegenüber dieser Einseitigkeit rückt feministische Ethik 126 die Situation von Frauen<br />
127 neu ins Zentrum. Diese hat sich als Teil der Frauenbewegung und in der Auseinandersetzung<br />
mit Ergebnissen der Frauenforschung entwickelt, ferner wurde und wird der Diskurs<br />
128 vorwiegend von Frauen getragen. Dabei handelt es sich nicht um eine neue oder<br />
parallele Ethik, die nun ausschließlich für Frauen da wäre. Vielmehr werden Männer und<br />
Frauen als – wenn auch in unterschiedlichen Positionen – Betroffene angesprochen. Feministische<br />
Ethik ist keine zusätzliche thematische Richtung neben Sexualethik, Wirtschaftsethik,<br />
Medizinischer Ethik oder Medienethik, sondern ein bestimmter Ansatz für alle Bereiche<br />
der Ethik, der sich von „der Benachteiligung von Frauen und der Asymmetrie in den<br />
Lebensmöglichkeiten von Frauen und Männern“ 129 herausfordern läßt. Ziele feministischer<br />
Ethik sind, den inhärenten, unreflektierten Androzentrismus 130 an der konventionellen Ethik<br />
zu kritisieren, die Sicht von Frauen in vorhandene Themendiskussionen einzubringen, 131<br />
aber auch aus der Perspektive von Frauen neue, bisher unberücksichtigte Fragestellungen<br />
126<br />
127<br />
128<br />
129<br />
130<br />
131<br />
Feministische Ethik wird von Philosophinnen und Theologinnen betrieben. Siehe Carmody, Denise<br />
Lardner: Virtuous Woman. Theological Reflections on Christian Feminist Ethics, Maryknoll; New<br />
York 1992; Feministische Ethik I (Themenheft), Schlangenbrut. Streitschrift für feministisch und<br />
religiös interessierte Frauen 9 (1991) Nr. 34; Feministische Ethik II (Themenheft), Schlangenbrut.<br />
Streitschrift für feministisch und religiös interessierte Frauen 9 (1991) Nr. 35; Harrison, Beverly W.:<br />
Die neue Ethik der Frauen. Kraftvolle Beziehungen statt bloßen Gehorsams, Stuttgart 1991; Kuhlmann,<br />
Helga (Hrsg.): Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau: zur Ethik der Geschlechterdifferenz,<br />
Gütersloh 1995; Pieper, Annemarie: Aufstand; dies.: Gibt es eine feministische Ethik?; Praetorius,<br />
Ina; Schiele, Beatrix: Art. Moral/Ethik, in: Elisabeth Gössmann, Elisabeth Moltmann-Wendel,<br />
Herlinde Pissarek-Hudelist u.a. (Hrsg.): Wörterbuch der Feministischen Theologie, Gütersloh<br />
1991, 289-296; Praetorius, Ina: Skizzen zur Feministischen Ethik, Mainz 1995; Projektgruppe Ethik<br />
im Feminismus (Hrsg.): Vom Tun und vom Lassen. Feministisches Nachdenken über Ethik und Moral<br />
(AnFragen 2), Münster 1992.<br />
Im Zusammenhang mit den im vorangegangenen Unterkapitel 1.1 dargelegten Annahmen des Radikalen<br />
Konstruktivismus ist an dieser Stelle noch einmal an die Konstruiertheit der sozialen Kategorie<br />
‚Geschlecht‘ zu erinnern. Da in dieser Arbeit der Stellenwert der Kategorie ‚Kultur‘ im Zentrum<br />
steht, verzichte ich im Text jedoch darauf, durchgehend alle sozialen Kategorien in Anführungszeichen<br />
zu setzen.<br />
Die Arbeiten feministischer Ethikerinnen bilden keine einheitliche Richtung oder Schule. Einen<br />
Überblick über den Diskurs in der feministischen Ethik gibt Degen, Susanne: Kommentierte Bibliographie<br />
zur Feministischen Ethik (Frankfurter Arbeitspapiere zur gesellschaftsethischen und sozialwissenschaftlichen<br />
Forschung), Frankfurt am Main 1994, insbesondere 5-19.<br />
Pauer-Studer, Herlinde: Moraltheorie und Geschlechterdifferenz, in: Herta Nagl-Docekal, Herlinde<br />
Pauer-Studer (Hrsg.): Jenseits der Geschlechtermoral. Beiträge zur feministischen Ethik, Frankfurt<br />
am Main 1993, 33-68, hier 40.<br />
Androzentrismus bezeichnet eine Weltsicht, die sich nur an den Erfahrungen von Männern orientiert<br />
und die Lebenswirklichkeit von Frauen ausblendet. Siehe Praetorius, Ina: Art. Androzentrismus, in:<br />
Elisabeth Gössmann, Elisabeth Moltmann-Wendel, Herlinde Pissarek-Hudelist u.a. (Hrsg.): Wörterbuch<br />
der Feministischen Theologie, Gütersloh 1991, 14f.<br />
Gentechnologie, Pränataldiagnostik oder Ökonomie beispielsweise gehen alle an und sind somit<br />
auch „Frauenthemen“. Sie haben für Männer und Frauen unterschiedliche Bedeutung, gerade deswegen<br />
darf die Genderperspektive nicht außer acht bleiben. Siehe Pelkner, Eva: „Wir wollen Menschen<br />
machen“. Kritik der Gen- und Fortpflanzungstechnologie aus feministischschöpfungstheologischer<br />
Perspektive, in: Schlangenbrut. Streitschrift für feministisch und religiös<br />
interessierte Frauen 18 (2000) 68, 24-27; Arz de Falco, Andrea: Töten als Anmassung – Lebenlassen<br />
als Zumutung. Die kontroverse Diskussion um Ziele und Konsequenzen der Pränataldiagnostik,<br />
Freiburg/CH 1996; dies.: Pränataldiagnostik. Anfragen an ethische Positionen aus der Praxis, in: Alberto<br />
Bondolfi; Hans J. Münk (Hrsg.): Theologische Ethik heute. Antworten für eine humane Zukunft.<br />
Hans Halter zum 60. Geburtstag, Zürich 1999, 215-231; Bernhard Filli, Heidi; Günter, Andrea;<br />
Jochimsen, Maren u.a.: Weiberwirtschaft. Frauen – Ökonomie – Ethik, Luzern 1994.