pdf-Drucker, Job 74 - Universität Bamberg
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zialkonstruktivismus sind hier zudem die Diskurstheorie und der radikalkonstruktivistische<br />
Ansatz zu nennen.<br />
Candace West und Don H. Zimmerman 67 lösen im Anschluß an ethnomethodologische<br />
Forschungen 68 ‚Geschlecht‘ von der Bindung an biologische Vorgaben und erweitern<br />
die Unterscheidung in ‚sex‘ und ‚gender‘ 69 um die ‚sex category‘, die Zugehörigkeit zur<br />
Gruppe der ‚Männer‘ oder der ‚Frauen‘. Die Geschlechterdifferenz und ihre immanente<br />
Hierarchie führen sie dabei auf einen aktiven Herstellungsprozeß (doing gender) zurück,<br />
dem sich niemand entziehen kann. Vielmehr sind alle Menschen an dieser Konstruktion<br />
permanent durch ihre Gedanken und Handlungen beteiligt. Carol Hagemann-White hat diesen<br />
Ansatz in die bundesdeutsche Frauenforschung eingebracht. Sie weist auf, daß die soziale<br />
Konstruktion von Geschlecht von der konstruierenden Gemeinschaft abhängt, eine<br />
Zweigeschlechtlichkeit also nicht zwingend ist. 70 Gleichzeitig ist die jeweils geltende Geschlechterkonstruktion<br />
für die Identitätsentwicklung der Menschen von zentraler Bedeutung<br />
und kann nicht einfach beliebig verändert werden. 71<br />
Für die diskurstheoretische Richtung sei hier als eine Hauptvertreterin die USamerikanische<br />
feministische Philosophin Judith Butler genannt. Butler betont in ihrem Buch<br />
„Das Unbehagen der Geschlechter“ 72 die diskursive Konstruktion nicht nur des sozialen<br />
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teilung zwischen den ‚Geschlechtern‘ oder mit der Frage, ob es ‚weibliche‘ und ‚männliche‘ Weisen<br />
des Handelns oder Fühlens gibt (so z.B. die Debatte um eine weibliche Moral, siehe Anm. 133 in<br />
diesem Kapitel). Differenztheoretische Forschungen gehen dabei von einem essentiellen Unterschied<br />
zwischen ‚Männern‘ und ‚Frauen‘ aus, GleichheitstheoretikerInnen von der Gleichheit des<br />
sozialen Geschlechts beider. (Siehe Rossanda, Rossana: Differenz und Gleichheit, in: Ute Gerhard;<br />
Mechtild Jansen; Andrea Maihofer u.a. [Hrsg.]: Differenz und Gleichheit. Menschenrechte haben<br />
[k]ein Geschlecht, Frankfurt am Main 1990, 13-28).<br />
Vgl. Küchler, Petra: Zur Konstruktion von Weiblichkeit. Erklärungsansätze zur Geschlechterdifferenz<br />
im Lichte der Auseinandersetzung um die Kategorie Geschlecht, Aktuelle Frauenforschung,<br />
Bd. 33, Pfaffenweiler 1997; Engler, Steffani: Wechselnde Blicke auf die Kategorie Geschlecht, in:<br />
Hiltrud Bontrup (Hrsg.): Doing Gender. Das Konzept der sozialen Konstruktion von Geschlecht: eine<br />
Bibliographie mit Einführung (Materialien zur Frauenforschung; Bd. 11), Münster 1999, 3-26.<br />
Siehe West, Candace; Zimmerman, Don H.: Doing Gender; siehe auch Anm. 31 in diesem Kapitel.<br />
Sie beziehen sich beispielsweise auf Kessler; Suzanne J.; McKenna, Wendy: Gender. An Ethnomethodological<br />
Approach, New York 1978. Kessler und McKenna halten sowohl sex als auch gender<br />
für sozial konstruiert.<br />
Die Unterscheidung zwischen sex (dem biologischen Geschlecht) und gender (dem sozialen Geschlecht),<br />
mittels derer geschlechtstypische Einstellungen und Verhaltensweisen auf soziale Prozesse<br />
zurückgeführt werden, ist für die Geschlechterforschung zentral. Zum Verständnis von ‚sex‘ und<br />
‚gender‘ siehe Fox Keller, Evelyn: Wissenschaftstheorie in feministischer Perspektive, in: Marianne<br />
Krüll (Hrsg.): Wege aus der männlichen Wissenschaft. Perspektiven feministischer Erkenntnistheorie,<br />
Feministische Theorie und Politik, Bd. 5, Pfaffenweiler 1990, 115-133; Pieper, Annemarie: Aufstand<br />
des stillgelegten Geschlechts. Einführung in die feministische Ethik, Freiburg; Basel;<br />
Wien 1993, 52-77.<br />
Siehe Hagemann-White, Carol: Wir werden nicht zweigeschlechtlich geboren…, 230. Siehe auch<br />
Sgier, Irena: Zweigeschlechtlichkeit. Im Anschluß an Hagemann-White fordern Regine Gildemeister<br />
und Angelika Wetterer, den Prozeß der Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit selbst zu analysieren<br />
(siehe Gildemeister, Regine; Wetterer, Angelika: Wie Geschlechter gemacht werden). Derartige<br />
soziale Konstruktions- und Rekonstruktionsprozesse zeichnet Judith Lorber in Bezug auf verschiedene<br />
gender-Konzepte nach (siehe Lorber, Judith: Gender-Paradoxien).<br />
Siehe Hagemann-White, Carol: Sozialisation: weiblich – männlich? (Alltag und Biographie von<br />
Mädchen, Bd. 1) Opladen 1984. Diesen Aspekt betont auch Maihofer, siehe Anm. 53 in diesem Kapitel.<br />
Siehe Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt am Main 1991.<br />
Zur Kritik an Butlers Ansatz siehe Kritik der Kategorie ‚Geschlecht‘ (Themenheft), in: Feministische<br />
Studien 11 (1993) 2; Maihofer, Andrea: Geschlecht als Existenzweise.