6 - brak-mitteilungen.de
6 - brak-mitteilungen.de
6 - brak-mitteilungen.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
258 Aufsätze BRAK-Mitt. 6/2004<br />
Maier-Bridou, Die Reform <strong>de</strong>s französischen Anwaltsrechts<br />
tektionistischer Hintergedanke 4 , son<strong>de</strong>rn die Tatsache, dass die<br />
Umsetzung <strong>de</strong>r Richtlinie mit einer allgemeinen Reform <strong>de</strong>s<br />
Berufsrechts <strong>de</strong>r RAe und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren rechtsnahen Berufe verbun<strong>de</strong>n<br />
wur<strong>de</strong>. Durch Gesetz vom 11.2.2004 5 wur<strong>de</strong> das französische<br />
Anwaltsgesetz von 1971 6 grundlegend geän<strong>de</strong>rt und<br />
mo<strong>de</strong>rnisiert.<br />
1. Der Zugang zum Anwaltsb eruf nach <strong>de</strong>r Umsetzun g <strong>de</strong>r<br />
Nie<strong>de</strong>rlassungsrichtlinie ist nun für EG-Anwälte (d.h. für RAe<br />
mit Staatsangehörigkeit und Zulassung eines EG-Mitgliedstaats)<br />
nach Ablauf <strong>de</strong>r dreijährigen Nie<strong>de</strong>rlassungsfrist in Frankreich<br />
eher Formsache. 7 Wer nicht in Frankreich nie<strong>de</strong>rgelassen ist,<br />
o<strong>de</strong>r wer (wohl kaum ein häufiger Fall) zwar drei Jahre in<br />
Frankreich nie<strong>de</strong>rgelassen, jedoch nicht auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s<br />
französischen Rechts tätig ist, o<strong>de</strong>r wer die drei Jahre nicht abwarten<br />
will, muss wie bisher eine Eignungsprüfung ablegen.<br />
Während <strong>de</strong>r dreijährigen Wartezeit kann sich <strong>de</strong>r EG-Anwalt<br />
unter seiner Herkunftsbezeichnung in Frankreich nie<strong>de</strong>rlassen<br />
und natürlich auch im französischen Recht beraten. Der<br />
Schwierigkeitsgrad <strong>de</strong>r Eignungsprüfung wird gelegentlich von<br />
<strong>de</strong>n Astn. unterschätzt, auch von Auslandsfranzosen mit einer<br />
Zulassung eines an<strong>de</strong>ren EG-Mitgliedstaats.<br />
Eine positive Folge <strong>de</strong>r Reform ist, dass sich nunmehr französische<br />
RAe ohne Einschränkungen mit an<strong>de</strong>ren EG-Anwälten (in<br />
Frankreich und im Ausland) assoziieren können. Dies hatte in<br />
<strong>de</strong>r Vergangenheit immer wie<strong>de</strong>r zu Problemen geführ t. EG-<br />
Anwälte können bei ihrer Nie<strong>de</strong>rlassung in Frankreich entwe<strong>de</strong>r<br />
eine <strong>de</strong>r Rechtsformen <strong>de</strong>s französischen Rechts (nahezu<br />
alle Formen <strong>de</strong>r Personengesellschaft o<strong>de</strong>r Kapitalgesellschaft)<br />
nutzen o<strong>de</strong>r auch eine Rechtsform eines an<strong>de</strong>ren EG-Mitgliedstaats<br />
(z.B. die <strong>de</strong>utsche Gesellschaft bürgerlichen Rechts).<br />
Auch können jetzt französische Anwälte problemlos als freie<br />
Mitarbeiter o<strong>de</strong>r Arbeitnehmer beschäftigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Noch nicht vollständig gelöst ist das Problem <strong>de</strong>r Versicherungspflicht<br />
gegen Haftpflichtschä<strong>de</strong>n. In Paris, wo die weit<br />
überwiegen<strong>de</strong> Zahl <strong>de</strong>utscher RAe nie<strong>de</strong>rgelassen ist, und auch<br />
in <strong>de</strong>n meisten größeren Kammerbezirken Frankreichs sind die<br />
Anwälte über einen Gruppenversicherungsvertrag <strong>de</strong>r RAK versichert.<br />
Die Prämie ist in Frankreich erheblich niedriger als in<br />
Deutschland, weil Haftpflichtprozesse in Frankreich (noch) relativ<br />
selten sind und weil die Kammern als Versicherungsnehmer<br />
eine stärkere Verhandlungsmacht haben als <strong>de</strong>r einzelne<br />
Anwalt. Die in Deutschland und Frankreich zugelassenen RAe,<br />
2 Richtlinie 98/5/EG <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments und <strong>de</strong>s Rates v.<br />
16.2.1998 zur Erleichterung <strong>de</strong>r ständigen Ausübung <strong>de</strong>s Rechtsanwaltsberufs<br />
in einem an<strong>de</strong>ren Mitgliedstaat als <strong>de</strong>m, in <strong>de</strong>m die<br />
Qualifikation erworben wur<strong>de</strong> (Amtsblatt Nr. L 077 vom 14.3.1998,<br />
S. 36–43, abrufbar in <strong>de</strong>r Internetdatenbank <strong>de</strong>s europäischen<br />
Rechts Eur-Lex unter www.europa.eu.int/eur-lex. Deutschland hat<br />
die Richtlinie im Gesetz über die Tätigkeit europäischer RAe in<br />
Deutschland (EuRAG) v. 9.3.2000 umgesetzt.<br />
3 Urt. v. 26.9.2002 in <strong>de</strong>r Rechtssache C-351/01; die Vollstreckung<br />
nach Art. 228 EG-Vertrag drohte seit Frühjahr 2003. Soweit ersichtlich,<br />
hat lediglich Irland – trotz Verurteilung durch <strong>de</strong>n EuGH mit<br />
Urt. v. 10.12.2002 (Rechtssache C-362/01) – die Richtlinie noch<br />
nicht umgesetzt.<br />
4 In Paris sind seit Jahrzehnten Hun<strong>de</strong>rte von ausländischen RAen nie<strong>de</strong>rgelassen<br />
und das französische Berufsrecht ermöglichte (an<strong>de</strong>rs<br />
als das <strong>de</strong>utsche Recht!) bereits lange vor <strong>de</strong>r EG-Richtlinie die Nie<strong>de</strong>rlassung<br />
ausländischer RAe.<br />
5 Gesetz Nr. 2004-130 v. 11.2.2004, Gesetzblatt v. 12.2.2004, abrufbar<br />
unter www.legifrance.gouv.fr, <strong>de</strong>m Gesetzgebungsportal <strong>de</strong>r<br />
französischen Regierung.<br />
6 Gesetz Nr. 71-1130 v. 31.12.1971 (im Folgen<strong>de</strong>n: Anwaltsgesetz –<br />
AnwG), in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeit gelten<strong>de</strong>n konsolidierten Fassung ebenfalls<br />
abrufbar unter www.legifrance.gouv.fr.<br />
7 Die Vorschriften betreffend EG-Anwälte fin<strong>de</strong>n sich in Art. 83 ff. AnwG.<br />
welche in Deutschland nie<strong>de</strong>rgelassen sind, müssen bisher in<br />
bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn die volle Prämie bezahlen, weil die <strong>de</strong>utschen<br />
Versicherungspolicen – abgesehen von <strong>de</strong>n teilweise <strong>de</strong>m französischen<br />
Recht frem<strong>de</strong>n Haftungsausschlüssen <strong>de</strong>s §51<br />
Abs. 3 BRAO 8 – häufig eine niedrigere Deckungsgrenze als in<br />
Frankreich und nahezu immer eine Jahres<strong>de</strong>ckungsgrenze vorsehen.<br />
9 Damit gelten sie nicht als <strong>de</strong>r französischen Deckung<br />
gleichwertig. Die vom französischen Anwaltsgesetz gefor<strong>de</strong>rte<br />
Differenz<strong>de</strong>ckung ist jedoch bisher nicht auf <strong>de</strong>m französischen<br />
Markt erhältlich; ebenso wenig eine Beitragsreduzierung.<br />
10 Für die in Frankreich nie<strong>de</strong>rgelassenen EG-Anwälte ist<br />
die Angelegenheit weniger brennend; sie zahlen in <strong>de</strong>r Regel<br />
in Deutschland nur die Min<strong>de</strong>stversicherungsprämie und in<br />
Frankreich die volle Prämie.<br />
2. Die Diskussion über Ausb ildung <strong>de</strong>r RAe ist in Frankreich<br />
ebenso wie in Deutschland ein Dauerbrenner. Der wichtigste<br />
Unterschied zu Deutschland ist <strong>de</strong>r, dass es in Frankreich keine<br />
einheitliche Ausbildung für die verschie<strong>de</strong>nen juristischen Berufe<br />
gibt. Eine einheitliche Ausbildung für alle juristischen Berufe<br />
(<strong>de</strong>n „Volljurist“) gibt es bekanntlich (fast) nur in Deutschland,<br />
und zwar vor allem <strong>de</strong>swegen, weil nur <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche<br />
Staat einen so hohen finanziellen Beitrag zur Anwaltsausbildung<br />
zu leisten bereit ist. Dabei erkennt man auch in Frankreich,<br />
dass eine (je<strong>de</strong>nfalls teilweise) gemeinsame Ausbildung<br />
zumin<strong>de</strong>st von zukünftigen RAen und Richtern wünsche nswert<br />
wäre. Jedoch fehlt es hierfür am Geld, zumal die französische<br />
Anwaltschaft die Ausbildung ihres Nachwuchses (mit einer<br />
immer geringer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Beteiligung <strong>de</strong>s Staates und einer<br />
immer höher wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Beteiligung <strong>de</strong>r Referendare) selbst finanziert.<br />
11 Damit die Anwälte die bittere Pille <strong>de</strong>r Finanzierung<br />
ohne großen Protest schlucken, hat man ihnen ein erhebliches<br />
Mitspracherecht bei <strong>de</strong>r Zulassung von Referendaren eingeräumt.<br />
So erklärt sich maßgeblich die im Verhältnis zur Bevölkerungszahl<br />
weitaus geringere Zahl von RAen in Frankreich!<br />
Da es trotz <strong>de</strong>r Initiative mehrerer Regierungen (wegen <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstands<br />
<strong>de</strong>s Parlaments) keine Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> gibt,<br />
kann auch kein Bürger gerichtlich überprüfen lassen, ob diese<br />
Einschränkung <strong>de</strong>r Freiheit <strong>de</strong>r Berufswahl mit <strong>de</strong>r französischen<br />
Verfassung vereinbar ist.<br />
Die Referendarzeit, die an einem <strong>de</strong>r (bisher 22) regionalen<br />
Ausbildungszentren abgeleistet wer<strong>de</strong>n muss 12 , wur<strong>de</strong> nun von<br />
12 auf 18 Monate verlängert. Die Ausbildung während <strong>de</strong>r Referendarzeit<br />
ist dual, d.h. <strong>de</strong>r Referendar ist alternierend beim<br />
Anwalt und im Ausbildungszentrum tätig. Der Status <strong>de</strong>r Referendarausbildungszentren<br />
(Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts, bisher unter <strong>de</strong>r Aufsicht <strong>de</strong>r RAKn) wur<strong>de</strong> neu geregelt,<br />
u.a. um die bestehen<strong>de</strong>n Qualitätsunterschie<strong>de</strong> zwischen<br />
<strong>de</strong>n Zentren zu verringern und um das Pariser Zentrum, welches<br />
die weit überwiegen<strong>de</strong> Zahl aller französischen Referendare<br />
ausbil<strong>de</strong>t, zu entlasten. Zukünftig unterstehen die Ausbil-<br />
8 Das französische Recht erlaubt z.B. keinen Haftungsausschluss für<br />
Veruntreuungen von Fremdgel<strong>de</strong>rn; Veruntreuungen sind vielmehr<br />
durch eine Vertrauensscha<strong>de</strong>nversicherung ge<strong>de</strong>ckt.<br />
9 Die Jahres<strong>de</strong>ckungsgrenze ist nach § 51 Abs. 4Satz 2 BRAO zulässig;<br />
Die Versicherungspolice <strong>de</strong>r Pariser Kammer sieht <strong>de</strong>rzeit eine<br />
Deckungsgrenze von Euro 7,5 Mio. für je<strong>de</strong>n Versicherungsfall<br />
ohne Jahres<strong>de</strong>ckungsgrenze vor.<br />
10 Sie ist, soweit ersichtlich, auch in Deutschland (für <strong>de</strong>n in Deutschland<br />
nie<strong>de</strong>rgelassenen Anwalt) bisher nicht erhältlich. Der Rat <strong>de</strong>r<br />
Europäischen Anwaltschaften CCBE hat sich Anfang 2004 nunmehr<br />
dafür eingesetzt, eine Differenz-Haftpflichtversicherung zu schaffen,<br />
vgl. Pressemitteilung v. 4.2.2004, www.ccbe.org.<br />
11 Nach Art. 14-1 AnwG durfte <strong>de</strong>r Beitrag aller französischen RAe im<br />
Jahr 2002 insgesamt 11 Mio. Euro nicht überschreiten; er darf sich<br />
jährlich um maximal 10 %erhöhen.<br />
12 Art. 13 ff. AnwG.