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264 Pflichten und Haftung <strong>de</strong>s Anwalts BRAK-Mitt. 6/2004<br />

Rechtsprechungsleitsätze<br />

Verspätung wegen Verkehrsstaus<br />

1. Ein Prozessbevollmächtigter, <strong>de</strong>r sich mittels eines Computerprogramms<br />

für eine Fahrtstrecke von etwa 410 Kilometern eine<br />

voraussichtliche Fahrtdauer von drei Stun<strong>de</strong>n 38 Minuten ermitteln<br />

lässt und dann mit 52 Minu ten Zeitzugabe startet, darf nicht<br />

davon ausgehen, dass er rechtzeitig ankommt, wenn <strong>de</strong>r Verkehr<br />

für die Dauer von einer Stun<strong>de</strong> zum Erliegen kommt.<br />

2. Wenn über das mitgeführte Handy mangels Funkverbindung<br />

eine telefonische Benachrichtigung <strong>de</strong>s Gerichts über die zu<br />

erwarten<strong>de</strong> Verspätung nicht gelingt, obliegt es <strong>de</strong>m Bevollmächtigten,<br />

eine Raststätte o<strong>de</strong>r Tankstelle aufzusuchen, um die<br />

Benachrichtigung über das Festnetz zu veranlassen.<br />

OLG Celle, Urt. v. 24.6.2004 – 11 U 57/04, NJW 2004, 2534<br />

Anmerkung:<br />

Im Gegensatz zu <strong>de</strong>m in BRAK-Mitt. 2004, 113 besprochenen<br />

Fall, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>m Anwalt vorgeworfen wur<strong>de</strong>, von vornherein<br />

nicht genügend Fahrtzeit einkalkuliert zu haben (<strong>de</strong>r Berl-<br />

VerfGH hatte das Einkalkulieren eines Staus in die Zeitplanung<br />

als Überspannung <strong>de</strong>r Sorgfaltspflichten angesehen), ging es im<br />

vorliegen<strong>de</strong>n Fall darum, wie <strong>de</strong>r Anwalt auf einen nicht einkalkulierten<br />

Stau richtig zu reagieren hat. Sobald die Verzögerungen<br />

länger andauern als bei Berechnung <strong>de</strong>r Fahrtzeit<br />

berücksichtigt, muss man von einem verspäteten Eintreffen ausgehen.<br />

In diesem Fall muss <strong>de</strong>r Prozessbevollmächtigte das<br />

Gericht von <strong>de</strong>r zu erwarten<strong>de</strong>n Verspätung in Kenntnis setzen,<br />

um ggf. eine Vertagung zuerreichen und ein (zweites) VU zu<br />

verhin<strong>de</strong>rn. Das „Funkloch“ lässt das OLG nicht gelten. Es verlangt,<br />

dass man eine Telefonzelle ansteuert.<br />

Man kann bezweifeln, ob diese Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>m Sinn <strong>de</strong>r<br />

gesetzlichen Regelung gerecht wer<strong>de</strong>n. Da <strong>de</strong>r RA grds. genug<br />

Zeit für die Fahrt einkalkuliert hatte, war die staubedingte Ve r-<br />

spätung nicht schuldhaft. Lediglich die unterbliebene Mitteilung<br />

<strong>de</strong>r Verspätung kann man als schuldhaft ansehen. Die Versäumung<br />

<strong>de</strong>s Termins selbst hätte hierdurch aber auch nicht<br />

mehr verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n können, son<strong>de</strong>rn allenfalls <strong>de</strong>r Erlass<br />

<strong>de</strong>s Versäumnisurteils.<br />

Vertrauen auf Postlaufzeit von einem Werktag<br />

Rechtsanwältin Antje Jungk<br />

1. Das Verschul<strong>de</strong>n einer Partei o<strong>de</strong>r ihres Prozessbevollmächtigten<br />

schließt die Wie<strong>de</strong>reinsetzung nicht aus, wenn die Partei alle<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen Schritte unternommen hat, die bei einem im Übrigen<br />

normalen Geschehensablauf zur Fristwahrung geführt hätten<br />

(hier: Fehlschlagen einer beschleunigten Absendung bei gleichwohl<br />

rechtzeitiger Absendung).<br />

2. Eine Partei darf (auch) nach Erlass <strong>de</strong>r Postuniversaldienstleistungsverordnung<br />

vom 15.12.1999 (BGBl. I S. 4218) darauf vertrauen,<br />

dass werktags im Bun<strong>de</strong>sgebiet aufgegebene Postsendungen<br />

am folgen<strong>de</strong>n Werktag im Bun<strong>de</strong>sgebiet ausgeliefert wer<strong>de</strong>n.<br />

An<strong>de</strong>rs liegt es nur, wenn konkrete Umstän<strong>de</strong> vorliegen, welche<br />

die ernsthafte Gefahr <strong>de</strong>r Fristversäumung begrün<strong>de</strong>n.<br />

BGH, Beschl. v. 13.5.2004 – V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217<br />

Anmerkung:<br />

Der Schriftsatz war am Vortag <strong>de</strong>s Fristablaufs zur Post gegeben<br />

wor<strong>de</strong>n, obwohl eine kanzleiinterne Anweisung bestand, die<br />

Schriftsätze an örtliche Gerichte direkt bei Gericht abzugeben.<br />

Da diese Anordnung nicht befolgt wur<strong>de</strong> und wegen einer Postlaufzeit<br />

von zwei Tagen <strong>de</strong>r Schriftsatz verspätet einging, sah<br />

das Berufungsgericht ein kausales Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s RA, weil die<br />

betreffen<strong>de</strong> Anordnung, Schriftsätze zum örtlichen Gericht nicht<br />

per Post zu verschicken, nicht eindringlich genug erfolgt war.<br />

Der BGH tritt <strong>de</strong>m zu Recht aus zwei Grün<strong>de</strong>n entgegen: Zum<br />

einen gibt es keine Sorgfaltspflicht, die besagt, dass man<br />

Schriftsätze zum örtlichen Gericht direkt einwerfen muss.<br />

Diese sozusagen überobligatorische Sorgfalt darf <strong>de</strong>m Anwalt<br />

im Falle <strong>de</strong>r Missachtung nicht entgegengehalten wer<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>r<br />

Schriftsatz darf per Post versen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Die bisherige Rspr.,<br />

dass man bei Sendungen innerhalb Deutschlands auf eine Auslieferung<br />

am folgen<strong>de</strong>n Werktag vertrauen darf (z.B. BVerfG,<br />

NJW 2001, 744), hat <strong>de</strong>r BGH nochmals ausdrücklich<br />

bestätigt. Das in <strong>de</strong>r Postuniversaldienstleistungs verordnung<br />

(„PUDLV“ § 2Ziff. 3) vorgegebene Ziel, dass 80 % <strong>de</strong>r inländischen<br />

Postsendungen am nächsten Werktag ausgeliefert wer<strong>de</strong>n<br />

müssen, reicht nach Ansicht <strong>de</strong>s BGH aus, um ein entsprechen<strong>de</strong>s<br />

Vertrauen zu begrün<strong>de</strong>n.<br />

Faxnummer aus Anwaltssoftware<br />

Rechtsanwältin Antje Jungk<br />

Zur Ermittlung <strong>de</strong>r Faxnummer eine s Gerichts darf sich <strong>de</strong>r RA<br />

auf ein seit Jahren bewährtes EDV-Programm in <strong>de</strong>r jeweils neuesten<br />

Fassung in <strong>de</strong>r Regel verlassen. Eine organisatorische Anweisung<br />

<strong>de</strong>s Anwalts an seine Bürokraft, eine Abgleichung <strong>de</strong>r Faxnummer<br />

mit <strong>de</strong>n Angaben in Anschreiben <strong>de</strong>s Gerichts o<strong>de</strong>r im<br />

Telefonbuch vorzunehmen, ist grundsätzlich nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

BGH, Beschl. v. 24.6.2004 – VII ZB35/03, NJW 2004, 2830<br />

Anmerkung:<br />

Die Entscheidung <strong>de</strong>s VII. ZS schließt an das in BRAK-Mitt.<br />

2004, 161 besprochene Urteil <strong>de</strong>s LAG Hamburg an. Dort war<br />

Wie<strong>de</strong>reinsetzung wegen <strong>de</strong>r falschen Faxnummer versagt wor<strong>de</strong>n,<br />

weil in <strong>de</strong>r Kanzlei nicht das jeweils neueste Update <strong>de</strong>r<br />

Anwaltssoftware verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Der BGH stellt nun – positiv<br />

gewen<strong>de</strong>t – fest, dass man sich auf ein bewährtes EDV-Programm<br />

in <strong>de</strong>r jeweils neuesten Fassung verlassen darf. Offen<br />

bleibt, welche Programme „bewährt“ sind.<br />

Rechtsanwältin Antje Jungk<br />

Zum Lauf <strong>de</strong>r Frist für einen Wie<strong>de</strong>reinsetzungsantrag<br />

Die Frist <strong>de</strong>s §234 Abs. 1 ZPO beginnt schon dann zu laufen,<br />

wenn das Weiterbestehen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r versäumten Frist entgegenstehen<strong>de</strong>n<br />

Hin<strong>de</strong>rnisses nicht mehr als unverschul<strong>de</strong>t angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Das ist schon dann <strong>de</strong>r Fall, wenn die Partei o<strong>de</strong>r<br />

ihr Prozessbevollmächtigter Anlass hatte zu prüfen, ob das Fristen<strong>de</strong><br />

richtig festgehalten war. (eigener Leitsatz)<br />

BGH, Beschl. v. 13.7.2004 – XI ZB 33/03 und (wortgleich) XI ZB<br />

34/03<br />

Die Frist <strong>de</strong>s §234 Abs. 1 ZPO beginnt schon dann zu laufen,<br />

wenn <strong>de</strong>r verantwortliche RA bei Anwendung <strong>de</strong>r von ihm zu<br />

erwarten<strong>de</strong>n Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen<br />

können. Das ist auch dann <strong>de</strong>r Fall, wenn <strong>de</strong>r Anwalt durch Verfügung<br />

<strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>n darauf hingewiesen wur<strong>de</strong>, dass die Berufungsbegründungsfrist<br />

verstrichen sei, und zwar auch, wenn dieser<br />

davon ausgeht, dass ein Gesuch zur Verlängerung <strong>de</strong>r Berufungsbegründungsfrist<br />

rechtzeitig bei Gericht einging und lediglich<br />

noch nicht zu <strong>de</strong>n Akten gelangt ist. (eigener Leitsatz)<br />

BGH, Beschl. v. 14.9.2004 – XI ZB 21/03<br />

Anmerkung:<br />

Für einen Anwalt ist es im Allgemeinen schon ärgerlich genug,<br />

mit einer Fristversäumung konfrontiert zu wer<strong>de</strong>n. Umso<br />

schlimmer wird die Erkenntnis wiegen, dass vielleicht Wie<strong>de</strong>reinsetzung<br />

in <strong>de</strong>n vorigen Stand möglich gewesen wäre, aber<br />

auch die entsprechen<strong>de</strong> Frist hierfür bei Antragstellung bereits<br />

abgelaufen war. In bei<strong>de</strong>n Fällen erkannte <strong>de</strong>r Prozessbevollmächtigte<br />

nicht, dass die Frist schon anlief, als er mit bestimm-

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