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270 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 6/2004<br />
Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />
Zum Umfang erlaubter Rechtsberatung nach erteilter<br />
Inkassoerlaubnis<br />
RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5; GG Art. 12<br />
*We<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>r Verbraucher noch die Reibungslosigkeit<br />
<strong>de</strong>r Rechtspflege rechtfertigen es, Inhabern einer Inkassoerlaubnis<br />
Rechtsäußerungen gegenüber ihren Klienten zu<strong>de</strong>n einzuziehen<strong>de</strong>n<br />
For<strong>de</strong>rungen zuverbieten. Sie äußern sich insoweit zu<br />
ihrem Geschäftsgegenstand und halten sich damit grundsätzlich<br />
im Rahmen <strong>de</strong>r ihnen erlaubten Tätigkeit. Dabei ist nicht entschei<strong>de</strong>nd,<br />
ob die rechtlichen Hinweise an ihren Vertragspartner<br />
gerichtet wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r im Außenverhältnis auch <strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rungsschuldner<br />
erreichen.<br />
BVerfG, Beschl. v. 14.8.2004 – 1 BvR 725/03<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
I. Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> betrifft <strong>de</strong>n Umfang erlaubter<br />
Rechtsberatung im Rahmen einer nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2<br />
Nr. 5 <strong>de</strong>s RBerG erteilten Inkassoerlaubnis.<br />
1. Die Bfin. ist Inhaberin eines Inkassounternehmens. Als solche<br />
vertrat sie eine Klientin, <strong>de</strong>ren For<strong>de</strong>rung zunächst im<br />
Mahnverfahren beigetrieben wer<strong>de</strong>n sollte. Anlässlich <strong>de</strong>s vom<br />
Schuldner erhobenen Wi<strong>de</strong>rspruchs nahm sie ihm gegenüber<br />
in zwei Schriftsätzen rechtlich und tatsächlich Stellung. Dazu<br />
übermittelte sie <strong>de</strong>m gegnerischen Bevollmächtigten eine Vollmacht,<br />
die sie berechtigen sollte, zugunsten <strong>de</strong>r Gläubigerin<br />
„alle zivilrechtlichen Maßnahmen, die <strong>de</strong>r sachgerechten Beitreibung<br />
dienen, durchzuführen und rechtsverbindliche Erklärungen<br />
abzugeben sowie Vergleiche abzuschließen“. Der<br />
Rechtsstreit en<strong>de</strong>te schließlich durch gütliche Einigung noch<br />
während <strong>de</strong>s Mahnverfahrens.<br />
Wegen <strong>de</strong>r oben genannten Schreiben und <strong>de</strong>s Inhalts <strong>de</strong>r vorgelegten<br />
Vollmacht hat die RAK Klage auf Unterlassung gegen<br />
die Bfin. erhoben. Die Klage auf Unterlassung <strong>de</strong>r Rechtsbesorgung,<br />
wie sie aus <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Schreiben ersichtlich ist, und darauf,<br />
sich von Gläubigern keine Vollmacht mit <strong>de</strong>m genannten<br />
Inhalt ausstellen zu lassen, war weitgehend erfolgreich. Nach<br />
Auffassung von LG und OLG verstoßen Rechtsbesorgung und<br />
Vollmacht gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 5 RBerG und gegen § 1<br />
UWG. Bei <strong>de</strong>n Schreiben <strong>de</strong>r Bfin. han<strong>de</strong>le es sich nicht um<br />
die <strong>de</strong>n Inkassounternehmen erlaubte außergerichtliche Beratung<br />
<strong>de</strong>s Auftraggebers, son<strong>de</strong>rn um eine beraten<strong>de</strong> Tätigkeit in<br />
einem anhängigen Gerichtsverfahren. Mit <strong>de</strong>r Vollmacht hab e<br />
sie angezeigt, <strong>de</strong>n Vollmachtgeber in Gerichtsverfahren vertreten<br />
zu wollen. Das sei ihr aber nach <strong>de</strong>m RBerG ausdrücklich<br />
verboten. Mit diesem Verhalten wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wettbewerb wesentlich<br />
beeinträchtigt.<br />
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> rügt die Bfin. im Wesentlichen<br />
die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG. Die Auslegung<br />
materiellen Rechts verletze sie in ihrer Berufsausübungsfreiheit.<br />
Die beanstan<strong>de</strong>ten Schreiben seien auf eine außergerichtliche<br />
Erledigung angelegt und außergerichtlich verfasst gewesen; sie<br />
hätten die Vermeidung eines Rechtsstreits bezweckt. Das<br />
Mahnverfahren sei nicht mit einem anhängigen Gerichtsverfahren<br />
gleichzusetzen. Die einem Inkassounternehmen erlaubte<br />
Rechtsberatung dürfe auch Außenstehen<strong>de</strong> einbeziehen; <strong>de</strong>r<br />
Schutzzweck <strong>de</strong>s RBerG stehe <strong>de</strong>m nicht entgegen. Auch die<br />
Vollmacht halte sich noch im Rahmen <strong>de</strong>r erteilten Inkassoerlaubnis.<br />
3. Zu <strong>de</strong>r Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> haben sich das BMJ, die Präsi<strong>de</strong>nten<br />
<strong>de</strong>s BGH und <strong>de</strong>s BVerwG, die BRAK, <strong>de</strong>r DAV, <strong>de</strong>r<br />
Bund Deutscher Rechtspfleger, <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sverband Deutscher<br />
Inkasso-Unternehmen sowie <strong>de</strong>r Bankenfachverband geäußert.<br />
II. Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> erfüllt nur teilweise die Annahmevoraussetzungen<br />
<strong>de</strong>s § 93a Abs. 2 BVerfGG.<br />
Sie ist nicht anzunehmen, soweit die Gerichte <strong>de</strong>r Bfin. die Verwendung<br />
<strong>de</strong>r Einzelvollmacht und die Erklärung untersagt<br />
haben, Schriftverkehr ausschließlich mit ihr führen zu dürfen.<br />
Diese Aussagen haben einen überschießen<strong>de</strong>n Inhalt. Gegen<br />
die Auslegung <strong>de</strong>r Gerich te bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen<br />
Be<strong>de</strong>nken. Von einer weiteren Begründung<br />
wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3BVerfGG).<br />
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> dagegen zur<br />
Entscheidung an, soweit die Gerichte <strong>de</strong>r Bfin. untersagt haben,<br />
in <strong>de</strong>r Weise rechtsbera tend tätig zuwer<strong>de</strong>n, wie di es in <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n Schreiben geschehen ist. Die Annahme ist insoweit zur<br />
Durchsetzung <strong>de</strong>s Grundrechts <strong>de</strong>r Bfin. aus Art. 12 Abs. 1 GG<br />
angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen<br />
für eine stattgeben<strong>de</strong> Kammerentscheidung sind auch<br />
im Übrigen gegeben (§93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).<br />
1. Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> wirft keine Fragen von grundsätzlicher<br />
verfassungsrechtlicher Be<strong>de</strong>utung auf (§ 93a Abs. 2<br />
Buchstabe aBVerfGG). Das BVerfG hat bereits ausgesprochen,<br />
dass es im Ergebnis keinem Zweifel unterliegen kann, dass das<br />
RBerG in seiner Grundstruktur und seinem Grundanliegen im<br />
Hinblick auf die Berufsfreiheit verfassungsgemäß ist. Das<br />
RBerG bezweckt, zum Schutz <strong>de</strong>r Rechtsuchen<strong>de</strong>n und auch<br />
im Interesse einer reibungslosen Abwicklung <strong>de</strong>s Rechtsverkehrs<br />
fachlich ungeeignete und unzuverlässige Personen von<br />
<strong>de</strong>r geschäftsmäßigen Besorgung frem<strong>de</strong>r Rechtsangelegenheiten<br />
fernzuhalten (vgl. BVerfGE 41, 378, 390; 75, 246, 267,<br />
275 f.; 97, 12, 26 f.; vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. <strong>de</strong>r 3. Kammer<br />
<strong>de</strong>s Ersten Senats v. 29.7.2004 – 1 BvR 737/00, JURIS).<br />
2. Auslegung und Anwendung <strong>de</strong>s Rechts in <strong>de</strong>n angegriffenen<br />
Entscheidungen und die damit einhergehen<strong>de</strong> Beschränkung<br />
<strong>de</strong>r Inkassotätigkeit verletzen die Bfin. in ihrer durch Art. 12<br />
Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit.<br />
a) Das RBerG enthält in Art. 1 § 1 Satz 1 ein Verbot jeglicher<br />
geschäftsmäßiger Rechtsberatung und Rechtsbesorgung mit <strong>de</strong>r<br />
Möglichkeit, behördliche Teilerlaubnisse zu gewähren. Die<br />
Berufstätigkeit <strong>de</strong>s Inkassounternehmers wird <strong>de</strong>r Besorgung<br />
frem<strong>de</strong>r Rechtsangelegenheiten und <strong>de</strong>r Rechtsberat ung gleichgestellt<br />
und damit ebenfalls einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt<br />
unterstellt. Was geschäftsmäßige Rechtsberatung ist, bedarf<br />
wegen <strong>de</strong>r generalklauselartigen Umschreibung <strong>de</strong>r Abklärung<br />
im Einzelfall, die sowohl die durch das Gesetz geschützten<br />
Belange als auch die Freiheitsrechte <strong>de</strong>s Einzelnen zu berücksichtigen<br />
hat. Soweit Personen, die nicht RAe sind, aufgrund<br />
ausdrücklicher Erlaubnis berechtigt sind, geschäftsmäßig For<strong>de</strong>rungen<br />
außergerichtlich einzuziehen, ist ihnen nach <strong>de</strong>m<br />
Inhalt und <strong>de</strong>r Systematik <strong>de</strong>s Gesetzes zugleich, allerdings nur<br />
für einen Teilbereich, auch die geschäftsmäßige Rechtsberatung<br />
und Rechtsbesorgung erlaubt (vgl. BVerfG, Beschl. <strong>de</strong>r 2.<br />
Kammer <strong>de</strong>s Ersten Senats, NJW 2002, 1190, 1192).<br />
b) Auslegung und Anwendung <strong>de</strong>r einschlägigen Normen sind<br />
grundsätzlich Aufgabe <strong>de</strong>r Fachgerichte und können vom<br />
BVerfG – abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot –<br />
nur darauf überprüft wer<strong>de</strong>n, ob sie Auslegungsfehler enthalten,<br />
die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von<br />
<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s betroffenen Grundrechts, insbeson<strong>de</strong>re vom<br />
Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist <strong>de</strong>r Fall, wenn<br />
die von <strong>de</strong>n Fachgerichten vorgenommene Auslegung <strong>de</strong>r Normen<br />
die Tragweite <strong>de</strong>s Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt<br />
o<strong>de</strong>r im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen<br />
Beschränkung <strong>de</strong>r grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE<br />
18, 85, 92 f., 96; 85, 248, 257 f.; 97, 12, 27). Dazu kann es im<br />
Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 1 GG insbeson<strong>de</strong>re dann<br />
kommen, wenn bei Auslegung und Anwendung <strong>de</strong>r Normen<br />
die typischen Merkmale einer Berufstätigkeit nicht gewürdigt<br />
o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n entgegenstehen<strong>de</strong>n Gemeinwohlinteressen