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248 Aufsätze BRAK-Mitt. 6/2004<br />
Prütting, Rechtsberatung im Wan<strong>de</strong>l<br />
le. Diese Entscheidung <strong>de</strong>s BMJ erscheint mir <strong>de</strong>shalb so beson<strong>de</strong>rs<br />
wichtig und be<strong>de</strong>utsam, weil damit zugleich <strong>de</strong>r Gefahr<br />
entgegengewirkt wird, dass über <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Fachhochschuljuristen<br />
hinaus eine Rechtsberatungsbefugnis unserer<br />
mit erstem Staatsexamen versehenen Rechtskandidaten eingeführt<br />
wird. Eine solche Entwicklung könnte die <strong>de</strong>utsche Juristenausbildung<br />
an<strong>de</strong>renfalls nachhaltig zerstören. Sie wür<strong>de</strong><br />
nach meinem Eindruck imZusammenhang mit <strong>de</strong>r vom vieldiskutierten<br />
Bologn a-Prozess veranlassten Einführung von Bachelor<br />
und Master zu einer völligen Beseitigung <strong>de</strong>r volljuristischen<br />
Ausbildung und <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Einheitsjuristen führen.<br />
Hervorhebung verdient letztlich auch das klare Verbot von<br />
Rechtsdienstleistungen bei Unvereinbarkeit mit einer an<strong>de</strong>ren<br />
Leistungspflicht. Umgekehrt wird man begreifen müssen, dass<br />
die in meinen Augen dringend erfor<strong>de</strong>rliche Auflockerung <strong>de</strong>r<br />
Rechtsberatung für unentgeltliche Rechtsdienstleistungen dazu<br />
führen wird, dass typische Streitfälle <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n Rechts<br />
(<strong>de</strong>nken Sie nur an die mit großem Echo geführten Kampagnen<br />
<strong>de</strong>r pensionierten Richter Kramer und Rasehorn) künftig ausgeschlossen<br />
sein wer<strong>de</strong>n, zumal gera<strong>de</strong> die bei<strong>de</strong>n genannten<br />
Kämpfer gegen <strong>de</strong>s Rechtsberatungsgesetz ihre Auffassungen in<br />
zentraler Weise auf historische Argumente gestützt hatten.<br />
IV. Entwicklungsten<strong>de</strong>nzen im künftigen Europa<br />
In <strong>de</strong>r Vergangenheit sind rechtsvergleichen<strong>de</strong> Aspekte regelmäßig<br />
gegen das gelten<strong>de</strong> Rechtsberatungsgesetz ins Feld geführt<br />
wor<strong>de</strong>n. Häufig zitiert wur<strong>de</strong> dabei ein Gutachten für <strong>de</strong>n<br />
58. Deutschen Juristentag 1990 in München, das Everling vorgelegt<br />
hatte. In diesem Gutachten über Fragen <strong>de</strong>r Dienstleistung<br />
und Nie<strong>de</strong>rlassung von Rechtsanwälten in <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Gemeinschaft hatte Everling in einem Anhang einen<br />
Überblick über das Anwaltsrecht <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren europäischen<br />
Mitgliedstaaten gegeben und kam zu folgen<strong>de</strong>m Fazit: „Kein<br />
an<strong>de</strong>rer <strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>lten Mitgliedstaaten behält die Rechtsberatung<br />
<strong>de</strong>n Anwälten vor, wie esin <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik, allerdings<br />
mit <strong>de</strong>n bekannten Ausnahmen, <strong>de</strong>r Fall ist.“ Insgesamt<br />
hat Everling aber schon im Jahre 1990 eine durchaus differenzierte<br />
Untersuchung vorgelegt. Dies wird allerdings durch <strong>de</strong>n<br />
zitierten zusammenfassen<strong>de</strong>n Schlusssatz ein wenig verwischt.<br />
Regelmäßig ist bis heute aber nur dieser Schlusssatz zitiert wor<strong>de</strong>n.<br />
In mehreren an<strong>de</strong>ren Untersuchungen wird er in folgen<strong>de</strong>r<br />
zugespitzter Form wie<strong>de</strong>rgegeben: „Tatsächlich ist die Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
das einzige Mitglied <strong>de</strong>r Europäischen Union und<br />
wohl <strong>de</strong>r gesamten <strong>de</strong>mokratischen Welt, das die Rechtsberatung<br />
<strong>de</strong>n Anwälten vorbehält“ (so Kramer, KJ 2000, 600, 605;<br />
Lehmann, NJ 2000, 337, 338; Rasehorn, DRiZ 2000, 442).<br />
Seit <strong>de</strong>r Untersuchung von Everling aus <strong>de</strong>m Jahre 1990 hat<br />
sich zum einen ein gewisser Wan<strong>de</strong>l ergeben, zum an<strong>de</strong>ren<br />
war die europäische und internationale Rechtslage schon immer<br />
wesentlich komplexer gewesen, als dies die Kritiker <strong>de</strong>s<br />
Rechtsberatungsgesetzes vermutet hatten. Eine weithin übereinstimmen<strong>de</strong><br />
Regelung ergibt sich bei forensischen Tätigkeiten.<br />
Hier besteht fast überall in Europa und in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>mokratischen<br />
Staaten <strong>de</strong>r Welt vor Gerichten im Wesentlichen<br />
ein Anwaltsmonopol. Grundsätzliche Abweichungen vom Anwaltsmonopol<br />
im forensischen Bereich gibt es lediglich in <strong>de</strong>n<br />
Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n, in Schwe<strong>de</strong>n und in Finnland. Dabei fällt auf,<br />
dass gera<strong>de</strong> in Schwe<strong>de</strong>n und Finnland trotz fehlen<strong>de</strong>r Regelung<br />
<strong>de</strong>r gesamte Rechtsberatungs- und Vertretungsmarkt faktisch<br />
vollständig in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rechtsanwaltschaft ist. Die<br />
außergerichtliche Rechtsberatung ist von Land zu Land sehr<br />
unterschiedlich geregelt. Eine weitgehen<strong>de</strong> Monopolisierung<br />
<strong>de</strong>r Rechtsberatung wie inDeutschland fin<strong>de</strong>t sich in Österreich,<br />
in Griechenland, in Luxemburg, in Norwegen, in Spanien<br />
sowie in Polen. Auch Frankreich kennt eine starke Beschränkung<br />
<strong>de</strong>s Rechtsberatungsmarktes. Seit 1992 wird dort die Licence<br />
en Droit o<strong>de</strong>r ein vergleichbares Diplom für die Rechtsberatung<br />
vorausgesetzt. Interessant ist weiterhin die Situation in<br />
<strong>de</strong>n USA. Dort besteht trotz <strong>de</strong>s Fehlens gesetzlicher Regelungen<br />
in <strong>de</strong>r Sache ebenfalls ein echtes Anwaltsmonopol. Nicht<br />
anwaltliche Rechtsberatung wird nach Auffassung <strong>de</strong>s renommierten<br />
American Law Institute grundsätzlich als „unauthorized<br />
practice of law“ angesehen und damit als unzulässig behan<strong>de</strong>lt.<br />
Interessant ist weiterhin die Feststellung, dass in Län<strong>de</strong>rn<br />
mit einem faktisch o<strong>de</strong>r mehr theoretisch unreglementierten<br />
Rechtsberatungsmarkt wie in <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r in<br />
Finnland massive Klagen über die Situation <strong>de</strong>s Rechtsberatungsmarktes<br />
und seiner Leistungsfähigkeit geführt wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Diskussion auf <strong>de</strong>m 65. Deutschen Juristentag hat diesen Befund<br />
unterstrichen. Interessant war weiterhin <strong>de</strong>r Beitrag eines<br />
italienischen Rechtsanwalts, <strong>de</strong>r entgegen <strong>de</strong>n Behauptungen<br />
in <strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s ministeriellen Entwurfs dargelegt hat,<br />
dass im außergerichtlich en Bereich in Italien keinerlei anwaltliches<br />
Monopol besteht und <strong>de</strong>r diesen Befund zugleich mit einem<br />
flammen<strong>de</strong>n Plädoyer verbun<strong>de</strong>n hat, die Schwierigkeiten<br />
und Missbräuche auf <strong>de</strong>m italienischen Rechtsberatungsmarkt<br />
durch ein Gesetz nach <strong>de</strong>utschem Vorbild zu beseitigen. Insgesamt<br />
ergibt sich bei rechtsvergleichen<strong>de</strong>r Betrachtung nach wie<br />
vor in Europa und in <strong>de</strong>r Welt ein sehr vielfältiges und verwirren<strong>de</strong>s<br />
Bild von Regeln und Ausnahmen, das eine generalisieren<strong>de</strong><br />
Aussage nur schwer ermöglicht. In jüngerer Zeit kann<br />
man sowohl in <strong>de</strong>r faktischen Entwicklung wie in<strong>de</strong>r Gesetzgebung<br />
aber mit gewisser Vorsicht von einem Trend hin zu einer<br />
gewissen Monopolisierung <strong>de</strong>r Rechtsberatung in Anwaltshand<br />
sprechen. Aus rein europarechtlicher Sicht muss schließlich<br />
hervorgehoben wer<strong>de</strong>n, welche Be<strong>de</strong>utung man in Brüssel<br />
<strong>de</strong>m Verbraucherschutz und generell <strong>de</strong>r Aufrechterhaltung eines<br />
hohen Schutzniveaus beimisst. Wenn also in Deutschland<br />
(wie die Abstimmung auf <strong>de</strong>m Deutschen Juristentag <strong>de</strong>utlich<br />
gezeigt hat) nahezu allgemein die anerkannten Schutzgüter <strong>de</strong>s<br />
Rechtsberatungsgesetzes bejaht wer<strong>de</strong>n, so müsste <strong>de</strong>r rechtspolitische<br />
Ruf nicht auf einen Abbau <strong>de</strong>utscher Schutzregelungen<br />
hinzielen, son<strong>de</strong>rn er müsste vergleichbare Regelungen in<br />
an<strong>de</strong>ren europäischen Staaten for<strong>de</strong>rn.<br />
Oft übersehen wird in <strong>de</strong>r internationalen Entwicklung ferner<br />
die Tatsache, dass je<strong>de</strong> rechtsvergleichen<strong>de</strong> Betrachtung über<br />
die konkreten gesetzlichen Regelungen <strong>de</strong>r einzelnen Staaten<br />
hinaus auf eine Bewertung <strong>de</strong>r allgemeinen Beding ungen <strong>de</strong>s<br />
Rechtsberatungsmarktes eines Lan<strong>de</strong>s Rücksicht nehmen muss .<br />
Dies sei an dieser Stelle mit Blick auf die Situation <strong>de</strong>s japanischen<br />
Anwaltsmarktes kurz ange<strong>de</strong>utet. Dort ist <strong>de</strong>r Zugang zur<br />
Rechtsanwaltschaft durch ein außeror<strong>de</strong>ntlich schwieriges und<br />
zahlenmäßig streng limitiertes eigenes Anwaltsexamen in drastischer<br />
Weise beschränkt. Daher ist seit vielen Jahren und bis<br />
heute die Zahl <strong>de</strong>r Rechtsanwaltschaft im Verhältnis zur Bevölkerung<br />
außeror<strong>de</strong>ntlich klein. Darüber hinaus ist aus vielfältigen<br />
Grün<strong>de</strong>n die Nie<strong>de</strong>rlassung japanischer Rechtsanwälte<br />
ganz wesentlich auf die großen Zentren <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s beschränkt.<br />
Dagegen herrscht in weiten Bereichen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s ein gravieren<strong>de</strong>r<br />
Anwaltsmangel. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wäre eine Regelung<br />
<strong>de</strong>s Rechtsberatungsmarktes wie in Deutschland auf <strong>de</strong>m<br />
Lan<strong>de</strong> praktisch unmöglich und sie wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Zugang weiter<br />
Bevölkerungsbereiche in ländlichen Gegen<strong>de</strong>n zum Recht vollkommen<br />
abschnei<strong>de</strong>n.<br />
Sehr unsicher und im Einzelnen noch ungeklärt ist bis heute<br />
die wichtige Frage, welche Entwicklungsten<strong>de</strong>nzen auf Grund<br />
künftiger Richtlinientätigkeit <strong>de</strong>r Europäischen Union sich in<br />
<strong>de</strong>n nächsten Jahren ergeben. So gibt es seit Frühjahr 2004 <strong>de</strong>n<br />
Entwurf einer Dienstleistungsrichtlinie <strong>de</strong>r Europäischen Union,<br />
<strong>de</strong>r inArt. 16 das Herkunftslandprinzip festschreibt. Zwar<br />
gilt diese Regelung sicherlich nur für außergerichtliche Tätigkeiten.<br />
Im forensischen Bereich wird es auch künftig in <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Union eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip<br />
geben. Dennoch könnte eine solche Regelung zu einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Konsequenzen führen. Wenn diese Dienstleistungsrichtli-