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288 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 6/2004<br />
Weitere berufsrechtliche Rechtsprec hung<br />
2. Über die Frage <strong>de</strong>r Angemessenheit einer Honorarvereinbarung<br />
hinaus hat das OLG klargestellt, dass <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />
nicht als Verbraucher i.S.d. Nr. 2102 VV RVG i.V. m.<br />
§13 BGB anzusehen sei. Seit In-Kraft-Treten <strong>de</strong>s RVG ist die<br />
Gebührenkappung für die Erstberatung nur für ein Beratungsgespräch<br />
mit einem Verbraucher vorzunehmen. Verbraucher<br />
i.S.d. § 13 BGB sei allerdings nicht <strong>de</strong>r Arbeitn ehmer,<br />
sodass die Kappungsgrenze hier nicht gelte. Das OLG<br />
hat sich mit dieser Entscheidung klar dafür ausgesprochen,<br />
dass es die Gebührenkappung nicht für die Beratung <strong>de</strong>s<br />
Arbeitnehmers gelten lasse wolle, da es diesen nicht als Verbraucher<br />
ansehe.<br />
Die Entscheidung, dass dies auch für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s<br />
Gebührenrechts gelten soll, ist neu. Für die Anwaltschaft<br />
be<strong>de</strong>utet sie, dass die Gebührenkappung nicht automatisch<br />
eintritt. Durch das Urteil wird die Abrechnung <strong>de</strong>r Beratung<br />
eines Arbeitnehmers nach Nr. 2100 VV RVG ohne Kappung<br />
lei<strong>de</strong>r ohne weitere Begründung als einzig richtig angesehen.<br />
In <strong>de</strong>r Praxis erleichtert die Entscheidung aber auch die<br />
Möglichkeit, mit <strong>de</strong>m Arbeitnehmer für eine arbeitsrechtliche<br />
Beratung eine Gebührenvereinbarung zu treffen, ohne<br />
dass sich dieser gleich auf die Erstberatungsgebühr beruft.<br />
Ab <strong>de</strong>m 1.7.2006 sind die Gebühren auf je<strong>de</strong>n Fall zu vereinbaren.<br />
Den Einstieg in Verhandlungen bereits zum jetzigen<br />
Zeitpunkt erleichtert je<strong>de</strong>nfalls die Entscheidung <strong>de</strong>s<br />
OLG.<br />
Rechtsanwältin Julia von Seltmann, Berlin<br />
Zum Verbot <strong>de</strong>r Umgehung <strong>de</strong>s Gegenanwalts<br />
BORA § 12; UWG § 3, § 4 Nr. 11; BGB § 823 Abs. 1<br />
*1. Der gegen § 12 BORA verstoßen<strong>de</strong> unmittelbare Kontakt mit<br />
<strong>de</strong>r anwaltlich vertreten<strong>de</strong>n Gegenpartei löst keinen wettbewerbsrechtlichen<br />
Unterlassungsanspruch aus.<br />
*2. §12 BORA ist als wettbewerbsrechtlich neutrale Norm anzusehen,<br />
die grundsätzlich keinen Schutz vor anwaltlicher Konkurrenz<br />
bietet.<br />
*3. Ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot begrün<strong>de</strong>t auch keinen<br />
unmittelbaren Eingriff in die Berufsausübung, son<strong>de</strong>rn führt<br />
allenfalls zu einer mittelbaren Beeinträchtigung. Eine solche wird<br />
nicht vom Schutzzweck <strong>de</strong>s § 823 Abs. 1 BGB erfasst.<br />
OLG Nürnberg, Urt. v. 27.7.2004 – 3 U2102/04<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n:<br />
I. Von <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s wird gem. <strong>de</strong>n §§313a<br />
Abs. 1, 540 ZPO abgesehen und insoweit auf das Ersturteil<br />
Bezug genommen.<br />
II. Die Berufung <strong>de</strong>r Agin. ist zulässig und auch begrün<strong>de</strong>t.<br />
Dem Ast. steht <strong>de</strong>r geltend gemachte Unterlassungsanspruch<br />
we<strong>de</strong>r nach §8 i.V.m. §§3, 4 Nr. 11 UWG n.F., das am<br />
8.7.2004 in Kraft getreten ist, noch nach §823 Abs. 1 BGB<br />
wegen Verletzung <strong>de</strong>s Rechts am eingerichteten und ausgeübten<br />
Gewerbebetrieb zu.<br />
1. Entgegen <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>r Berufung ist – wie das Erstgericht<br />
zutreffend feststellte – <strong>de</strong>r Rechtsweg zu <strong>de</strong>n Zivilgerichten<br />
eröffnet.<br />
Es mag zwar ein Verstoß gegen Stan<strong>de</strong>srecht vorliegen, für <strong>de</strong>n<br />
auch das Berufungsgericht zuständig ist. Geltend gemacht wird<br />
aber ein Unterlassungsanspruch aus BGB bzw. UWG, für <strong>de</strong>n<br />
die Zivilgerichte zuständig sind. Der Ast. trägt einen Sachverhalt<br />
vor, <strong>de</strong>ssen Richtigkeit unterstellt, <strong>de</strong>n erhobenen<br />
Anspruch ergeben könnte. Ob dieser Anspruch zu Recht geltend<br />
gemacht wird, ist keine F rage <strong>de</strong>r Zuständigkeit, son<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>theit.<br />
2. Zutreffend geht das LG w eiter davon aus, dass die Agin.<br />
gegen § 12 BORA verstoßen hat. Auf die Ausführungen <strong>de</strong>s LG<br />
wird insoweit Bezug genommen. Dies gilt auch, wenn ein<br />
Sachverhalt zugrun<strong>de</strong> gelegt wird, w ie ihn die Agin. bzw. Frau<br />
... in ihren ei<strong>de</strong>sstattlichen Versicherungen behaupten. §12<br />
BORA verbietet je<strong>de</strong>n unmittelbaren Kontakt mit <strong>de</strong>r Gegenpartei.<br />
Hierbei kommt es nicht d arauf an, von wem die Initiative<br />
ausgeht, ob <strong>de</strong>r Kontakt von <strong>de</strong>m Mandanten selbst<br />
gewünscht wird. Solange <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Anwalt mandatiert ist, verstößt<br />
<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Gegenpartei angesprochene RA gegen das<br />
Umgehungsverbot, wenn er sich auf das Gespräch einlässt (vgl.<br />
Kleine-Cosack , BRAO, 4. Aufl., § 12 Rdnr. 4; Henssler/ Prütting ,<br />
BRAO, 2. Aufl., § 12 Rdnr. 3 f.).<br />
3. Ein Verstoß gegen § 12 BORA kann einen wettbewerbsrechtlichen<br />
Unterlassungsanspruch jedoch nicht stützen, da dieser<br />
Vorschrift <strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rliche wettbewerbsbezogene Charakter<br />
fehlt.<br />
Zwar ist § 12 BORA wohl als wertbezogene Norm anzusehen.<br />
Sie schützt, worauf das Erstgericht zutreffend hinweist, das<br />
beson<strong>de</strong>rs wichtige Gemeinschaftsgut <strong>de</strong>r Funktionsfähigkeit<br />
<strong>de</strong>r Rechtspflege. Sie ist aber als wettbewerbsrechtlich neutrale<br />
Norm anzusehen, die keinen Schutz vor anwaltlicher Konkurrenz<br />
bietet (vgl. Henssler/Prütting , a.a.O., Einleitung Rdnr. 20<br />
bzw. § 12 Rdnr. 2; Kleine-Cosack , a.a.O., Vorbemerkung Rdnr.<br />
4 u. §12 Rdnr. 1; Hartung/ Holl, Anwaltliche Berufsordnung,<br />
2. Aufl., § 12 Rdnr. 2). Daher entfällt die Anwendung <strong>de</strong>s § 4<br />
Nr. 11 UWG n.F., <strong>de</strong>ssen Aufgabe es ist, das Marktverhalten zu<br />
regeln. Der Begriff <strong>de</strong>r Marktverhaltensregelung tritt damit an<br />
die Stelle <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Rspr. zu § 1 UWG a.F. geprägten Formel,<br />
wonach die Norm eine „zumin<strong>de</strong>st sekundäre Schutzfunktion<br />
zugunsten <strong>de</strong>s Wettbewerbs“ haben muss. Dagegen wur<strong>de</strong> die<br />
frühere Aussage <strong>de</strong>s BGH, ein Wettbewerbsverstoß durch<br />
Rechtsbruch könne auch dann vorliegen, wenn die verletzte<br />
Norm selbst keinen unmittelbar wettbewerbsbezogenen Zweck<br />
verfolge, sofern sie gewichtige Allgemeininteressen schütze,<br />
nicht übernommen. Eskann nicht Aufgabe <strong>de</strong>s Wettbewerbsrechts<br />
sein, alle nur <strong>de</strong>nkbaren Gesetzesverstöße im Zusammenhang<br />
mit Wettbewerbshandlungen auch wettbewerbsrechtlich<br />
zu sanktionieren (vgl. Köhler, Der Rechtsbruchtatbestand<br />
im neuen UWG, in: GRUR 2004, 381 ff.).<br />
Im Übrigen wäre entgegen <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>s LG ein Unterlassungsanspruch<br />
auch nicht nach §1 UWG a.F. gegeben. Die<br />
Neufassung <strong>de</strong>s UWG brachte vorliegend keine Verän<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r gesetzlichen Situation mit sich. Sohat das OLG Köln für<br />
einen gleich liegen<strong>de</strong>n Fall einen wettbewerbsrechtlichen<br />
Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG a.F. bei einem Verstoß<br />
gegen das Umgehungsverbot <strong>de</strong>s §12 BORA zutreffend verneint<br />
(vgl. OLG Köln, Urt. v. 10.1.2003, NJW-RR 2003, 283 f.).<br />
Dieses Urteil entsprach entgegen <strong>de</strong>r Meinung <strong>de</strong>s LG <strong>de</strong>r<br />
inzwischen gefestigten Rspr. <strong>de</strong>s BGH, die nicht mehr darauf<br />
abstellt, ob eine wertbezogene bzw. wertneutrale Norm verletzt<br />
ist, son<strong>de</strong>rn prüft, ob <strong>de</strong>r verletzten Norm Wettbewerbsbezug<br />
beigemessen wer<strong>de</strong>n kann (vgl. GRUR 1999, 1128 – Hormonpräparate;<br />
GRUR 2000, 1076 –Abgasemissionen; GRUR<br />
2001, 354 – Vielfachabmahner; GRUR 2003, 825 – Elektroarbeiten;<br />
GRUR 2004, 247 – Krankenkassenzulassung).<br />
4. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus<br />
§§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, da <strong>de</strong>r Verstoß gegen das Umgehungsverbot<br />
<strong>de</strong>s § 12 BORA durch die Bekl. keinen unmittelbaren<br />
Eingriff in die Berufsausübung <strong>de</strong>s Kl. begrün<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn<br />
allenfalls zu einer mittelbaren Beeinträchtigung führen<br />
könnte. Eine solche wird jedoch vom Schutzzweck <strong>de</strong>s § 823<br />
Abs. 1 BGB nicht erfasst.