Bildungswege - Telekom Stiftung
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Herr Professor Renn, was macht gute<br />
Technikbildung aus?<br />
Empirische Studien zeigen: Nur 50 Prozent<br />
der Jugendlichen, die besonders gute Noten<br />
in Mathematik und Naturwissenschaften haben,<br />
interessieren sich für ein MINT-Fach im<br />
Studium. Offensichtlich gelingt es weder den<br />
Schulen noch anderen Bildungsträgern, Jugendliche<br />
für Technik zu begeistern. Bislang<br />
konzentriert sich der Unterricht zu stark auf<br />
Faktenwissen und den Zusammenhang von<br />
Naturwissenschaften und Technik. Die Konsequenzen<br />
von Technik und Innovation für<br />
Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur bleiben<br />
dagegen unterbelichtet. Gerade diese Themen<br />
können aber Interesse wecken und<br />
tragen vor allem auch bei Mädchen zu einer<br />
höheren Aufmerksamkeit für technische<br />
Fragestellungen bei. Um diese Situation zu<br />
ändern, geht es vor allem darum, die MINT-<br />
Fächer vom Kindergarten bis zum Abitur in<br />
den Unterricht zu integrieren. Zum Zweiten<br />
müssen wir die Didaktik in den MINT-Fächern<br />
modernisieren: weg vom lehrerzentrierten<br />
Unterricht hin zu einer selbst gesteuerten, von<br />
Neugier getriebenen Vermittlung der Grammatik<br />
der Natur sowie der kreativen Gestaltung<br />
der Umwelt durch Technik.<br />
Prof. Dr. Dr. h. c. Ortwin Renn, Universität<br />
Stuttgart, Institut für Sozialwissenschaften,<br />
Abteilung für Technik- und Umweltsoziologie<br />
So wird Stahl gemacht: Junior-Ingenieurinnen in Duisburg.<br />
Ingenieur-Akademie sollen Schüler der gymnasialen<br />
Mittelstufe, ab der 8. Klasse, ihre Begeisterung<br />
für naturwissenschaftlich-technische<br />
Inhalte entdecken. Sie haben die Gelegenheit,<br />
sich praktisch und intensiv mit MINT-Inhalten<br />
auseinanderzusetzen. Von Königswinter aus<br />
verbreitet sich das Modell ab 2006 kontinuierlich<br />
über die Bundesrepublik. Immer mehr<br />
Schulen kommen hinzu. In Bremen etwa besuchen<br />
Gymnasiasten im Rahmen der Ju nior-<br />
Ingenieur-Akademie das Fraunhofer-Institut für<br />
Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung<br />
(IFAM). Dort lernen sie innovative<br />
Klebeverfahren kennen, mit denen Komponenten<br />
von Autos, Schiffen und Flugzeugen<br />
verbunden werden. Beate Brede, Koordinatorin<br />
der dortigen Akademie, stellt nach dem Besuch<br />
fest: „Wir sind positiv überrascht, dass<br />
die Schüler ihre Arbeit mit so großem Interesse<br />
erledigen und bei der jeweils anschließenden<br />
Auswertung und Diskussion auf die richtige<br />
Interpretation der Phänomene kommen.“ In<br />
Bonn gründen sich 2009 Junior-Ingenieur-Akademien<br />
an zwei reinen Mädchenschulen,<br />
weitere folgen. Mittlerweile bieten 54 Schulen<br />
bundesweit die Junior-Ingenieur-Akademie als<br />
Wahlpflichtfach an.<br />
Ausflüge in die Welt der Technik<br />
Ob die Schüler nun wie in Königswinter Roboter<br />
bauen, die Stahlproduktion in Duisburg<br />
miterleben oder in Bremen erfahren, wie viele<br />
Teile an Autos nicht mehr geschweißt, sondern<br />
geklebt werden: Immer stehen viele praktische<br />
Erfahrungen auf dem Stundenplan. Unterstützt<br />
werden die Schüler von Fachlehrern, die sie<br />
bei ihren Besuchen begleiten und die Erlebnisse<br />
anschließend im Unterricht mit ihnen<br />
aufbereiten. Etwa 60 Stunden pro Halbjahr<br />
investieren Schüler in den Besuch der Junior-Ingenieur-Akademie.<br />
Wer dort einen Platz<br />
erhalten hat, für den ist die Teilnahme verpflichtend.<br />
Leistungen aus der Akademie fließen als<br />
Schulnoten ins Zeugnis ein.<br />
Allein 2013 gehen 14 neue Akademien an den<br />
Start. Zahlreiche Schulen hatten sich mit ihren<br />
Unterrichtskonzepten in einem bundesweiten<br />
Wettbewerb um die Anerkennung und Förderung<br />
durch die <strong>Telekom</strong>-<strong>Stiftung</strong> beworben.<br />
„Die Siegerschulen setzten sich wegen ihrer<br />
besonders gelungenen Verknüpfung von Schule,<br />
Wirtschaft und Wissenschaft durch, die für<br />
die Durchführung dieses einzigartigen Modells<br />
für Technikbildung grundlegend ist“, resümiert<br />
Dr. Gerd Hanekamp, Leiter Programme der<br />
<strong>Stiftung</strong>.<br />
Erfahrungen in der betrieblichen Praxis<br />
Die Kooperation mit Partnern aus Wirtschaft<br />
und Wissenschaft ist der wesentliche Baustein<br />
jeder Akademie. Die Schüler profitieren auf<br />
diesem Wege von Forschern aus ihrer Region<br />
und von beeindruckenden Erfahrungen in der<br />
betrieblichen Praxis. Sie erleben hautnah den<br />
Berufsalltag von Ingenieuren und Wissenschaftlern.<br />
Diese frühen Einblicke sollen dem Nachwuchsmangel<br />
in den MINT-Berufen entgegenwirken.<br />
Um das weiter zu forcieren, entwickelt<br />
sich eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der<br />
Fraunhofer-Gesellschaft, die das Modell strategisch<br />
verbreitet. Als führende Trägerorganisation<br />
für angewandte Forschung in Europa betreibt sie<br />
allein in Deutschland 57 Institute und ist damit<br />
ein hervorragend vernetzter Partner.<br />
Unter anderem konnten zwischen 2008 und<br />
2010 Absolventen der Junior-Ingenieur-Akademie<br />
ihre naturwissenschaftlich-technischen<br />
Ambitionen an Fraunhofer-Talent-Schools ausleben.<br />
Dieses Angebot richtet sich an interessierte<br />
Schüler der Klassen 10 bis 13. Für David<br />
42 <strong>Bildungswege</strong> – Zehn Jahre Deutsche <strong>Telekom</strong> <strong>Stiftung</strong>