[Hegemann_Helene]_Axolotl_Roadkill(BookZZ.org)
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gegenseitig, aus meinem Zeitempfinden wird ein großes<br />
Feld aufeinandergestapelter Erinnerungen.<br />
Es ist ein Nahtoderlebnis, ich werde panisch, ich<br />
rede mir ein, dass dieser Zustand nicht mit meinem<br />
kurz bevorstehenden Tod, sondern mit neurochemischen<br />
V<strong>org</strong>ängen in den Temporallappen meines Gehirns<br />
zusammenhängt. Ophelia steht auf dem Klodeckel,<br />
um drei Lines Speed auf der Trennwand zur<br />
Nachbartoilette zurechtzumachen. Währenddessen<br />
schmeißt sie lachend zuerst ihren Gürtel und dann einen<br />
ihrer Schuhe über die Kabinentür. Ich kann die aus<br />
dem besten Soundsystem Europas herv<strong>org</strong>ehenden<br />
Bässe nicht mehr von den Schlägen der Draußenstehenden<br />
gegen die Tür unterscheiden, mir bleibt nichts<br />
anderes übrig, als auf engstem Raum in meinem gewohnt<br />
abstrusen Tanzstil abzuspasten und jede Sekunde<br />
unter qualvollen Umständen erneut herauszufinden,<br />
auf welchen Beat es sich unmotiviert seine linke Schulter<br />
auszukugeln gilt. Ich habe eine eigene Hand, eigene<br />
Beine und einen eigenen Gleichgewichtssinn. Ich<br />
kämpfe mich durch Wände aus Stahl und die überdimensionale<br />
Neutralität einer Situation, die objektiv als<br />
»unangemessen« einzuordnen ist. Wie gesagt: Stahl.<br />
Wodkapfützen, Körperteile, Münder, Haare, Schweiß,<br />
Leberflecken in Achselhöhlen, auf den Oberarm einer<br />
PR-Volontärin tätowierte deutsche Jagdterrier, rohes<br />
Fleisch und Stroboskoplicht.<br />
»Ey, scheiße, guck dir mal deine Pupillen an bitte!«<br />
»Ja, danke für das Gespräch und so.«<br />
Der Ecstasymensch von vorhin steckt mittlerweile<br />
in einem blauen Nickipullover und presst mich kau-<br />
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