Das Persische Weltreich - Historisches Museum der Pfalz Speyer
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„Die Perser“ (Textauszüge im Anhang 3.5.1) 8 Jahre nach Salamis und 7 Jahre nach Platää<br />
aufgeführt wurde. Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass Aischylos selbst bei Marathon und Salamis<br />
gekämpft hat, könnte man erwarten, dass Aischylos in seinem Drama mit den Persern<br />
abrechnet. Doch „Die Perser“ schil<strong>der</strong>n die Nie<strong>der</strong>lage von Salamis aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong><br />
Besiegten, und Aischylos will nicht zuletzt Mitleid mit den Unterlegenen wecken. Angesichts<br />
<strong>der</strong> noch frischen Wunden des Krieges und des Zornes <strong>der</strong> Athener über die Zerstörung ihrer<br />
Stadt und Tempel und angesichts <strong>der</strong> persönlichen Biografie des Aischylos erscheint ein<br />
Drama, das die Verzweiflung auf Seiten <strong>der</strong> Perser in Anbetracht <strong>der</strong> Katastrophe beschreibt,<br />
doch sehr ungewöhnlich und gewagt. Noch ungewöhnlicher ist es, dass Aischylos Tragödie<br />
offenbar beim Publikum Gefallen fand und den ersten Preis beim Tragödienwettbewerb<br />
errang. <strong>Das</strong> Drama des Aischylos ist im Grunde zweigeteilt. In <strong>der</strong> ersten Hälfte des Stückes<br />
wird <strong>der</strong> Gegensatz Griechen-Perser thematisiert: Die Griechen haben im Gegensatz zu den<br />
Persern kein großes Heer, kämpfen nicht mit dem Bogen und zu Pferd, verfügen über keine<br />
Reichtümer und werden nicht zentral regiert. <strong>Das</strong> Aufzeigen <strong>der</strong> Unterschiede zwischen<br />
Persern und Griechen zeugt bei Aischylos nicht nur von Distanzierung zu dem Feind, son<strong>der</strong>n<br />
zugleich auch von Interesse und Neugier dem Fremden gegenüber. In <strong>der</strong> zweiten Hälfte des<br />
Dramas liegt <strong>der</strong> Schwerpunkt auf dem Gegensatz Dareios-Xerxes. Denn Aischylos sieht die<br />
Hauptursache <strong>der</strong> persischen Nie<strong>der</strong>lage in <strong>der</strong> Hybris des Xerxes. Dieser hat beim<br />
Überschreiten des Hellespont, als ein Sturm den Übergang unmöglich zu machen drohte, das<br />
Meer auspeitschen lassen und damit auch gegen die Meeresgötter gefrevelt. Eine solche Untat<br />
hat Dareios nie begangen. Als im zweiten Teil <strong>der</strong> Tragödie Dareios als Totengeist<br />
beschworen und ihm von <strong>der</strong> Katastrophe des Xerxes berichtet wird, äußert er sein Entsetzen<br />
über das Handeln seines Sohnes. Obwohl Dareios <strong>der</strong> persische Kriegsherr in <strong>der</strong> Schlacht bei<br />
Marathon war und Aischylos an dieser Schlacht teilgenommen hatte, sieht Aischylos einen<br />
offensichtlichen Unterschied zwischen einem „normalen“ Krieg und einem Feldzug, <strong>der</strong> sogar<br />
die Götter bezwingen will. So heißt es im Chorlied (V. 554ff.):<br />
Warum hat Dareios so / Unantastbar einst beherrscht / Bogenstark seine Bürger / Susas Freund und Betreuer?<br />
Xerxes hat sich über alles menschliche Maß über die Götter erhoben und ist für seinen Frevel<br />
furchtbar bestraft worden. Mit ihm ist aber ganz Persien Opfer geworden, das er in diese<br />
wahnsinnige Expedition hineingetrieben hat. Die Botschaft des Aischylos geht jedoch noch<br />
weiter: Er warnt im Grunde mit seinem Stück vor jeglicher militärischer Auseinan<strong>der</strong>setzung,<br />
<strong>der</strong>en schreckliche Auswirkungen doch jeden - auch die Griechen - davon abhalten sollten,<br />
einen Krieg leichtfertig vom Zaun zu brechen. 80<br />
In den Dramen des Tragikers Sophokles (497/6-405) werden Elemente <strong>der</strong> persischen<br />
Sprache, Kultur und Geschichte in mythischen Themen verarbeitet. Während bei Aischylos<br />
Topoi über den Typus des Persers kaum hervortreten - allenfalls Hinweise auf persischen<br />
Luxus und Verweichlichung könnten als solche in einer ansonsten doch sehr differenzierten<br />
Perserschil<strong>der</strong>ung gewertet werden -, kommt nun das Bild des orientalischen Despoten hinzu.<br />
Jetzt trägt <strong>der</strong> orientalische Herrscher schlechthin die Züge, die Aischylos noch allein dem<br />
Xerxes zugeschrieben hat, d.h. ab jetzt verselbständigen sich gewisse Stereotypen über die<br />
Perser.<br />
Dies wird noch deutlicher unter Euripides (485/4-406), <strong>der</strong> die Perser als Barbarentypus<br />
schlechthin stilisiert. In seiner Tragödie „Medea“ lässt er <strong>der</strong> Protagonistin zwar auch Mitleid<br />
zukommen, aber als Stammmutter <strong>der</strong> Me<strong>der</strong>, die die Griechen mit den Persern gleichsetzten,<br />
symbolisiert sie doch mit ihrem mör<strong>der</strong>ischen Wahn die fremde Barbarin schlechthin, zumal<br />
erst bei Euripides Medea selbst Hand an ihre Kin<strong>der</strong> legt. 81 Bei den Griechen sinkt offenbar<br />
das Interesse an <strong>der</strong> Individualität <strong>der</strong> Fremden, dagegen wird eine Pauschalisierung forciert.<br />
Die Unterwürfigkeit des Volkes gegenüber dem despotischen Herrscher verkörpert sich für<br />
80 Christian Meier, Die politische Kunst <strong>der</strong> griechischen Tragödie, München 1988, S.75ff.<br />
81 In älteren Fassungen sind es nämlich die Korinther, die entwe<strong>der</strong> aus Hass gegenüber den Fremden o<strong>der</strong> aus<br />
Rache für Kreon Medeas Kin<strong>der</strong> töten.<br />
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