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Das Persische Weltreich - Historisches Museum der Pfalz Speyer

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3.5.7 Alexan<strong>der</strong> d. Gr. im Urteil des Alexan<strong>der</strong>romans und bei Arno Schmidt<br />

Material, das schon z. Zt. Alexan<strong>der</strong>s im Umlauf war, wird etwa im 3. Jh. n. Chr. zu einer Alexan<strong>der</strong>-Geschichte<br />

zusammengestellt. Der Name des griechischen Historikers Kallisthenes von Olynthos (4. Jh. v. Chr.) wird dafür<br />

als Autor angegeben, doch ist dies erst spätere Erfindung. Der Alexan<strong>der</strong>roman war nicht nur in <strong>der</strong> Antike<br />

äußerst beliebt, bis ins 16. Jh. zählte man über 70 Bearbeitungen in etwa 30 Sprachen.<br />

Gegen Ende des Romans findet sich dort folgende Würdigung Alexan<strong>der</strong>s:<br />

(Text I) Nach dem Tod aber des hoch erhabenen Alexan<strong>der</strong> von Makedonien, den man den Herrn <strong>der</strong><br />

Welt nannte, König <strong>der</strong> Könige und männlichsten <strong>der</strong> Männer, <strong>der</strong> <strong>der</strong> scharfsinnigste <strong>der</strong><br />

Scharfsinnigen von den Weisen geheißen ward wegen seiner alles überragenden Vortrefflichkeit, <strong>der</strong><br />

die Grenzen seines Reichs in den Orient verlegte und sie bis zu den fernsten Inseln des Okzidents<br />

hinausschob, <strong>der</strong> seinen Zug bis in den Norden lenkte und in den Süden ausdehnte, ..., nach seinem<br />

Tode also, lesen wir in verschiedenen Historien <strong>der</strong> Alten, hätten viele, ja die meisten Philosophen<br />

über sein Glück und seinen Unstern tief nachgesonnen; dabei hätten ihn die einen gepriesen seiner<br />

herausragenden Tugenden wegen, die er bewies, an<strong>der</strong>e ihn Sohn <strong>der</strong> Freigebigkeit genannt, ..., an<strong>der</strong>e<br />

wie<strong>der</strong> ihn glücklicher denn alle Sterblichen geheißen. Aber einige erklärten ihn für unglücklicher als<br />

alle Sterblichen, weil er doch alles Glück nach vielen unendlichen Mühen binnen kurzem verlor.<br />

(Text entnommen aus: W. Kirsch, Die Historie von Alexan<strong>der</strong>, Frankfurt/M. 1984, Kap. 131)<br />

Nach dem 2. Weltkrieg veröffentlichte Arno Schmidt (1914-1979) seine Erzählung „Alexan<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Was ist<br />

Wahrheit?“. Darin erzählt er in historischer Detailtreue von dem Griechen Lampon, wie Alexan<strong>der</strong> d. Gr.<br />

Schüler des Philosophen Aristoteles, <strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Griechen auf einem Boot den Euphrat abwärts nach<br />

Babylon reist. Dort entspinnt sich zwischen ihm und seinen Mitreisenden, u.a. ein Grieche namens Hipponax,<br />

folgendes Gespräch über die Eroberungen Alexan<strong>der</strong>s:<br />

(Text II) »Ja,« sagte ich (es spricht Lampon): »es bleibt immer ein Wun<strong>der</strong>, wie er von dem kleinen<br />

Mazedonien aus das Riesenreich unterwerfen konnte. Es war ein Meisterstück <strong>der</strong> Eroberung.« Sie<br />

lachten unhöflich (auch Hipponax). »Ich will ihnen sagen, was ein Meisterstück <strong>der</strong> Eroberung ist, «<br />

erklärte er »dieses dauert und trägt Früchte, jahrhun<strong>der</strong>telang, vor allem politischer und<br />

wirtschaftlicher Art: weil es eine neue, längst vorbereitete, längst fällige Einheit schafft. - Hier aber ist<br />

Folgendes vor sich gegangen: Persien, ein lockerer Nationalitätenstaat aus 100 Einzelvölkern, wurde<br />

von einem starken Heere guter Berufssoldaten auf einzelnen dünnen Linien hin und her, meist<br />

sieghaft, durchzogen, sorgfältig ausgeraubt, und in einzelnen wichtigen Plätzen besetzt. Erobert ist das<br />

Land ja gar nicht: unzählige Bergvölker, in Kleinasien, - ach überall - sind frei wie Vögel; viele<br />

Einzelfestungen trotzen noch immer: wer fragt am Indus o<strong>der</strong> bei den Skythen noch nach Alexan<strong>der</strong>?<br />

Überall Partisanen. <strong>Das</strong> Land ist also nicht „organisch“ erobert; zu so einer Unternehmung hätte sich<br />

ja auch ein vernünftiger menschlicher Feldherr niemals verstanden; er hätte den Wahnsinn von<br />

vornherein eingesehen. Alexan<strong>der</strong>, sich auf Kleinasien beschränkend, ..., hätte ein Wohltäter <strong>der</strong><br />

Menschheit werden können: ... Es handelt sich eben bei ihm nur um die Befriedigung des Ehrgeizes<br />

eines dämonisch Einzelnen, vom Glück wahnsinnig Begünstigten; ... - Solche Unternehmungen<br />

können nur um den Preis völliger Zerstörung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Kraft und des Volksvermögens<br />

geführt werden, trotz allem Geschwätz dilettieren<strong>der</strong> Militärs.<br />

(Text entnommen aus: Arno Schmidt, Alexan<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Was ist Wahrheit?, Frankfurt/M., 2. Aufl. 2005, S. 71ff.)<br />

1) Von welchem Blickwinkel aus betrachten die Philosophen in Text I Alexan<strong>der</strong> nach seinem<br />

Tod?<br />

2) Welchen Blickwinkel nimmt Arno Schmidt ein? (Text II)<br />

3) Meint Arno Schmidt nur Alexan<strong>der</strong> d. Gr. , wenn er über Krieg und Eroberung spricht? (Die<br />

Begründung lässt sich unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Abfassungszeit des Textes finden.)<br />

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