10 MIT SCHARF Foto: Igor Minić VIRTUELLE DORFFLUCHT Hätte mich vor Facebook jemand gefragt, ob ich meine Probleme, Urlaubsfotos oder anderen persönlichen Kram mit einer x-beliebigen Nachbarin aus meinem bosnischen Dorf teilen würde, NO WAY! Wäre doch so, als ob ich von Haus zu Haus renne und jedem erzähle, was bei mir abgeht und wo ich meinen Arsch in der Sonne gebräunt habe. Genau das passiert jetzt – durch Facebook und die Verbindung zwischen der Diaspora und meinem bosnischen Dorf. Sogar den Dorf-Omis und Opis haben deren Kinder aus der Diaspora einen Internetzugang gecheckt, ihnen einen Account auf Facebook eingerichtet und den Spionage-Freifahrtschein ermöglicht. Freundschaftsanfragen kamen von irgendwelchen Tanten, Onkeln, weit entfernten Cousins, sodass sich mittlerweile sogar meine Mutter auf Facebook von der Verwandtschaft verfolgt fühlt. „Hast du gesehen Sogar Onkel Anto hat jetzt Facebook. Verdammtes Internet! Der braucht meine Bilder aber nicht anschauen. Und sein Bild erst, um Gottes Willen, wie ein Schwerverbrecher!“, meint Mama und boykottiert jegliche Veröffentlichungen von Bildern und Statuseinträgen. Die Freundschaft ablehnen, lässt sich ja auch schwer. Spätestens beim nächsten Urlaub könnte er fragen, warum sie ihn nicht annehmen will. Das ist „sramota“ (Schande). Den Neulingen allerdings scheinen ihre Account-Checker nur die Grundfunktionen gezeigt zu haben. Das Wichtigste: Wie man die Bilder anderer Leute anschaut, wie man ab und zu ein Bild (Webcam = katastrophale Auflösung) hochlädt, Turbofolk-Videos von YouTube einbettet, oder den einen oder anderen Bild- oder Statuseintrag seiner Verwandten kommentiert. Mein Cousin Matej hat sich von Facebook vertschüsst. Zumindest, wenn es um das Veröffentlichen seiner Fotos geht. Das Asyl heißt jetzt Instagram, weil die Tanten noch nicht rausgefunden haben, was dort abgeht. „Na! Ist ja peinlich, was für Kommentare sie unter deine Fotos schreiben. Instagram kennen die noch nicht“, meint der Facebook- Flüchtling und ist damit nicht alleine. Immer mehr meiner jüngeren Verwandten und Dorfbekannten haben Facebook mit Instagram getauscht. Sollte ich bald auch auf Instagram Onkel Anto sehen, ist es soweit. Dann geht die virtuelle Dorfflucht von vorne los. Zuckerbergs & Co. müssen sich dann was Neues einfallen lassen. Sonst wird es ganz schön still werden auf den Profilen der jungen Diaspora. martinovic@dasbiber.at IVANAS WELT In Ivanas WELT berichtet biber- Redakteurin Ivana Martinović über ihr daily life. HEDA LÄSST DAMPF AB TSCHETSCHENIN, NA UND Ich stelle mir oft Fragen wie „Was stimmt nicht mit uns Tschetschenen“ oder „Was trage ich als Einzelperson dazu bei, dass man dieses schlechte Bild von uns hat“. Diese Fragen kann ich mir selbst nicht beantworten, weil es vermutlich auch nie eine Erklärung geben wird. Ich meine, es ist schon so, dass Klischees nicht aus dem Nichts kommen, aber was mich stört, ist immer diese Verallgemeinerung. Ich bin selbst immer auf Abstand von Tschetschenen gegangen. Ich war immer an Schulen, an denen es keine Tschetschenen gab. Als ich auf das Gymnasium Henriettenplatz kam, wo es viele Tschetschenen gibt, hat sich meine Einstellung gegenüber „meinesgleichen“ geändert. Das hat mir gezeigt, dass ich der Gesellschaft zu viel Aufmerksamkeit gewidmet habe mit solchen Aussagen wie „Alle Tschetschenen sind aggressiv und brutal“, „Tschetschenen wollen sich nicht integrieren und die deutsche Sprache lernen“, oder auch „Tschetschenen sind gefährlich“. Über solche Bemerkungen kann ich nur sagen, dass sie auf keinen Fall auf mich oder die, die ich kenne, zutreffen. Auch von den Medien werden diese Vorurteile bestärkt, sie berichten nur über negative Ereignisse. Wieso fragt sich keiner einmal, woher wir kommen, wieso wir hier sind In unserem Land herrscht Krieg, aber es ist natürlich viel leichter wegzuschauen und die „bösen Tschetschenen“ als Kriminelle abzutun. Schaut doch mal über die Grenzen und bildet euch eine eigene Meinung, anstatt alles den Medien nachzuplappern! Von <strong>Schüler</strong>redakteurin Heda Borchasvilli ISO 29990 certified English for Business and Pleasure • Gratis Wiederholung • Gratis Einstufung • Täglich Kursbeginn • Diplome bis Niveau C2 CEFR für das Studium im Ausland • Lernzielgarantie www.cambridge.at THE CAMBRIDGE INSTITUTE Terminvereinbarung zur kostenlosen Einstufung: 01/5956111 B R I T I S H & A M E R I C A N E N G L I S H F O R P L E A S U R E & B U S I N E S S
Foto von Marko Mestrović MARIAHILFER STRASSE IM SOMMER 2019 POLITIKA