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02/14 Schüler-Biber

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22<br />

MIT SCHARF<br />

MEINUNGSMACHE<br />

LEILA<br />

MEHR ALS<br />

NUR STYLE<br />

Ich war damals in der 3. Klasse Unterstufe<br />

und „Styler“ sein war gerade modern, vor<br />

allem unter den ex-jugoslawischen Jugendlichen.<br />

Im Vergleich zu den Solariumgängern<br />

mit dem auffälligen Plastikschmuck und den<br />

breiten Bosna-Gürteln habe ich ein bisschen<br />

wie ein unförmiges Gespenst ausgesehen<br />

– ich war bleich wie Kreide, habe gerne<br />

Kapuzenpullis getragen und statt aufgezeichneter<br />

Augenbrauen, hatte ich damals noch<br />

die naturbelassene Variante.<br />

Als ich eines Tages nach der Schule mit<br />

einer Freundin, die auch Teil dieser Styler-<br />

Bewegung war, unterwegs war, haben wir<br />

einige ihrer Stylerfreunden getroffen. Sie<br />

fragten meine Freundin, wer ich sei. Als<br />

meine Freundin meinen Namen nannte und<br />

die so checkten, dass ich auch aus Bosnien<br />

bin, waren sie schockiert und fragten, wieso<br />

ich wie ein Schwabo aussehe. Die Antwort<br />

meiner Freundin schockte mich: „Naja, sie<br />

ist schon aus Bosnien, aber sie ist nicht so<br />

stolz darauf...“<br />

Zugegeben, das traf mich. Nicht, weil ich in<br />

ihrer Aussage Wahrheit entdeckte, meinen<br />

Stolz habe ich nie hinterfragt, der war da.<br />

Aber ich war verletzt, weil sie mein anderes<br />

Auftreten als Mangel an Stolz definierte.<br />

Überhaupt verstehe ich nicht, was meine<br />

Nationalität mit meinem äußeren Erscheinungsbild<br />

zu tun haben soll. Ich bin Bosnierin,<br />

aber das ist nicht das Ende meiner<br />

Persönlichkeit. Diese Einstellung bedeutet<br />

nicht nur, dass man sich ständig rechtfertigen<br />

muss, wenn man nicht so ist, wie das<br />

„typische“ bosnische Mädchen. Es bedeutet<br />

auch, dass viele davon abgehalten werden zu<br />

sein, wie sie wirklich sind, weil sie dem Bild<br />

einer „echten“ Bosnierin entsprechen wollen<br />

– und das ist schlecht. Ganz besonders,<br />

wenn die Attribute einer echten Bosnierin<br />

plötzlich bedeuten, „nicht an Literatur, fremden<br />

Kulturen und einer Ausbildung interessiert“.<br />

Ihr könnt stolz auf euer Heimatland<br />

sein und trotzdem lesen, mit dem Rucksack<br />

die Welt erkunden und auf Konzerte in die<br />

Arena statt ins Cream gehen.<br />

Leila Babić ist <strong>Schüler</strong>in und stolz auf ihre<br />

Wurzeln, ohne einen „Bosna-Gürtel“ zu<br />

tragen.<br />

Die junge Deutsche, Sawsan Chebli, wird<br />

künftig die erste muslimische Sprecherin im<br />

Auswärtigen Amt sein. Das ist doch mal eine<br />

gute Nachricht!<br />

Ich freue mich und lese interessiert einige<br />

Berichte zu ihrer Ernennung. Oft wird<br />

erwähnt, dass sie eine praktizierende<br />

Muslimin ist – „obwohl“ sie kein Kopftuch<br />

trägt. Für die deutsche Öffentlichkeit<br />

dürfte das wohl fast eine Offenbarung sein:<br />

Wow, eine Muslimin, die ihren Glauben<br />

ernst nimmt und kein Kopftuch trägt! Für<br />

MuslimInnen ist das nichts Neues: Äußere<br />

Merkmale können nicht zeigen, wie religiös<br />

ein Mensch ist.<br />

Die Berichte über sie sind deshalb begrüßenswert<br />

und tragen hoffentlich dazu bei,<br />

ein vielfältigeres Bild von muslimischen<br />

Frauen zu zeichnen sowie medial verbreitete<br />

Klischees zu überwinden. Es gab<br />

jedoch auch Artikel, die mich ärgerten. Der<br />

Berliner Tagesspiegel titelte: „Ich bete, ich<br />

faste, ich trinke keinen Alkohol“, im Untertitel<br />

hieß es: „Die strenggläubige Muslimin<br />

mit palästinensischen Wurzeln hat eine<br />

bemerkenswerte Karriere gemacht.“<br />

Als „Streng gläubig“ wird sie bezeichnet,<br />

weil sie betet, fastet und keinen Alkohol<br />

trinkt Das hört sich fast so freundlich an<br />

wie Fundamentalistin oder eine Orthodoxe<br />

DUDU<br />

STRENG ODER GLÄUBIG<br />

– Dabei geht es um eine übliche, islamische<br />

Religionspraxis. Die junge Frau äußert<br />

sich selbst zu ihrer Glaubenspraxis. Warum<br />

ist es da notwendig ihr eine Fremdbezeichnung<br />

aufzudrücken Das Wort „streng“, im<br />

Duden nachgeschlagen, bedeutet: „Härte<br />

zeigend“, „keine Einschränkung duldend“,<br />

„unbarmherzig“ oder „rau“. Das sind nicht<br />

gerade nette Zuschreibungen. Die junge<br />

Frau auf den Bildern wirkt alles andere als<br />

rau oder unbarmherzig. Ihre Worte sind<br />

bedacht und klug gewählt.<br />

Es ist unfair, Menschen einen fremden<br />

Stempel aufzudrücken: Sie sind in der<br />

Lage, für sich selbst zu sprechen und<br />

brauchen keine Bevormundung. Kritische<br />

JournalistInnen müssen sich dabei fragen:<br />

Geht es um die Darstellung der Person und<br />

darum ihren Gedanken Platz zu geben<br />

Oder geht es um mein eigenes Bedürfnis,<br />

sie in eine bekannte Schublade zu stecken<br />

und meinen eigenen Vorurteilen zu unterwerfen<br />

Die Bezeichnung von MuslimInnen darf<br />

sich nicht zwischen strenggläubig, ungläubig<br />

oder konservativ erschöpfen. MuslimInnen<br />

sind in der Lage für sich selbst zu<br />

sprechen, so auch Sawsan Chebli: „Mein<br />

Traum ist, dass jeder in diesem Land beurteilt<br />

wird nach dem, was er kann - nicht<br />

nach seinem Hintergrund.“<br />

Dudu Kücükgöl hat Wirtschaftspädagogik studiert und schreibt gerade ihr Doktorat am Institut<br />

für Gender- und Diversitätsmangement auf der Wirtschaftsuniversität.<br />

redaktion@dasbiber.at<br />

Neulich hörte ich auf der Straße, wie ein<br />

Mädchen seine Mutter „Hure“ nannte.<br />

Gestört! Ich persönlich kann mit meinen<br />

Eltern über vieles offen reden, aber es gibt<br />

auch Dinge, die sie nicht unbedingt wissen<br />

müssen. Ich liebe es, Mädelsabende mit<br />

meiner Mutter zu machen. Shoppen macht<br />

mit ihr am meisten Spaß, weil sie immer<br />

die besten Kommentare abgibt und mich<br />

ehrlich berät. Außerdem bezahlt sie dann<br />

immer alles für mich. Wenn wir streiten,<br />

EMINA<br />

SEI NETT ZU<br />

DEINER MUTTER!<br />

versöhnen wir uns nach 10 Minuten. Ich<br />

würde aber NIE auf die Idee kommen, sie<br />

in irgendeiner Weise zu beschimpfen. Ihr<br />

solltet eure Eltern schätzen, solange ihr<br />

sie habt. Wenn sie eines Tages nicht mehr<br />

da sind, wie wird es sich dann für euch<br />

anfühlen, wenn ihr daran zurückdenkt, wie<br />

scheiße ihr sie behandelt habt<br />

Emina Brkić lässt sich beim Shoppen von<br />

ihrer Mutter beraten.<br />

Marko Mestrović, Katharina Rossboth

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