22 MIT SCHARF MEINUNGSMACHE LEILA MEHR ALS NUR STYLE Ich war damals in der 3. Klasse Unterstufe und „Styler“ sein war gerade modern, vor allem unter den ex-jugoslawischen Jugendlichen. Im Vergleich zu den Solariumgängern mit dem auffälligen Plastikschmuck und den breiten Bosna-Gürteln habe ich ein bisschen wie ein unförmiges Gespenst ausgesehen – ich war bleich wie Kreide, habe gerne Kapuzenpullis getragen und statt aufgezeichneter Augenbrauen, hatte ich damals noch die naturbelassene Variante. Als ich eines Tages nach der Schule mit einer Freundin, die auch Teil dieser Styler- Bewegung war, unterwegs war, haben wir einige ihrer Stylerfreunden getroffen. Sie fragten meine Freundin, wer ich sei. Als meine Freundin meinen Namen nannte und die so checkten, dass ich auch aus Bosnien bin, waren sie schockiert und fragten, wieso ich wie ein Schwabo aussehe. Die Antwort meiner Freundin schockte mich: „Naja, sie ist schon aus Bosnien, aber sie ist nicht so stolz darauf...“ Zugegeben, das traf mich. Nicht, weil ich in ihrer Aussage Wahrheit entdeckte, meinen Stolz habe ich nie hinterfragt, der war da. Aber ich war verletzt, weil sie mein anderes Auftreten als Mangel an Stolz definierte. Überhaupt verstehe ich nicht, was meine Nationalität mit meinem äußeren Erscheinungsbild zu tun haben soll. Ich bin Bosnierin, aber das ist nicht das Ende meiner Persönlichkeit. Diese Einstellung bedeutet nicht nur, dass man sich ständig rechtfertigen muss, wenn man nicht so ist, wie das „typische“ bosnische Mädchen. Es bedeutet auch, dass viele davon abgehalten werden zu sein, wie sie wirklich sind, weil sie dem Bild einer „echten“ Bosnierin entsprechen wollen – und das ist schlecht. Ganz besonders, wenn die Attribute einer echten Bosnierin plötzlich bedeuten, „nicht an Literatur, fremden Kulturen und einer Ausbildung interessiert“. Ihr könnt stolz auf euer Heimatland sein und trotzdem lesen, mit dem Rucksack die Welt erkunden und auf Konzerte in die Arena statt ins Cream gehen. Leila Babić ist <strong>Schüler</strong>in und stolz auf ihre Wurzeln, ohne einen „Bosna-Gürtel“ zu tragen. Die junge Deutsche, Sawsan Chebli, wird künftig die erste muslimische Sprecherin im Auswärtigen Amt sein. Das ist doch mal eine gute Nachricht! Ich freue mich und lese interessiert einige Berichte zu ihrer Ernennung. Oft wird erwähnt, dass sie eine praktizierende Muslimin ist – „obwohl“ sie kein Kopftuch trägt. Für die deutsche Öffentlichkeit dürfte das wohl fast eine Offenbarung sein: Wow, eine Muslimin, die ihren Glauben ernst nimmt und kein Kopftuch trägt! Für MuslimInnen ist das nichts Neues: Äußere Merkmale können nicht zeigen, wie religiös ein Mensch ist. Die Berichte über sie sind deshalb begrüßenswert und tragen hoffentlich dazu bei, ein vielfältigeres Bild von muslimischen Frauen zu zeichnen sowie medial verbreitete Klischees zu überwinden. Es gab jedoch auch Artikel, die mich ärgerten. Der Berliner Tagesspiegel titelte: „Ich bete, ich faste, ich trinke keinen Alkohol“, im Untertitel hieß es: „Die strenggläubige Muslimin mit palästinensischen Wurzeln hat eine bemerkenswerte Karriere gemacht.“ Als „Streng gläubig“ wird sie bezeichnet, weil sie betet, fastet und keinen Alkohol trinkt Das hört sich fast so freundlich an wie Fundamentalistin oder eine Orthodoxe DUDU STRENG ODER GLÄUBIG – Dabei geht es um eine übliche, islamische Religionspraxis. Die junge Frau äußert sich selbst zu ihrer Glaubenspraxis. Warum ist es da notwendig ihr eine Fremdbezeichnung aufzudrücken Das Wort „streng“, im Duden nachgeschlagen, bedeutet: „Härte zeigend“, „keine Einschränkung duldend“, „unbarmherzig“ oder „rau“. Das sind nicht gerade nette Zuschreibungen. Die junge Frau auf den Bildern wirkt alles andere als rau oder unbarmherzig. Ihre Worte sind bedacht und klug gewählt. Es ist unfair, Menschen einen fremden Stempel aufzudrücken: Sie sind in der Lage, für sich selbst zu sprechen und brauchen keine Bevormundung. Kritische JournalistInnen müssen sich dabei fragen: Geht es um die Darstellung der Person und darum ihren Gedanken Platz zu geben Oder geht es um mein eigenes Bedürfnis, sie in eine bekannte Schublade zu stecken und meinen eigenen Vorurteilen zu unterwerfen Die Bezeichnung von MuslimInnen darf sich nicht zwischen strenggläubig, ungläubig oder konservativ erschöpfen. MuslimInnen sind in der Lage für sich selbst zu sprechen, so auch Sawsan Chebli: „Mein Traum ist, dass jeder in diesem Land beurteilt wird nach dem, was er kann - nicht nach seinem Hintergrund.“ Dudu Kücükgöl hat Wirtschaftspädagogik studiert und schreibt gerade ihr Doktorat am Institut für Gender- und Diversitätsmangement auf der Wirtschaftsuniversität. redaktion@dasbiber.at Neulich hörte ich auf der Straße, wie ein Mädchen seine Mutter „Hure“ nannte. Gestört! Ich persönlich kann mit meinen Eltern über vieles offen reden, aber es gibt auch Dinge, die sie nicht unbedingt wissen müssen. Ich liebe es, Mädelsabende mit meiner Mutter zu machen. Shoppen macht mit ihr am meisten Spaß, weil sie immer die besten Kommentare abgibt und mich ehrlich berät. Außerdem bezahlt sie dann immer alles für mich. Wenn wir streiten, EMINA SEI NETT ZU DEINER MUTTER! versöhnen wir uns nach 10 Minuten. Ich würde aber NIE auf die Idee kommen, sie in irgendeiner Weise zu beschimpfen. Ihr solltet eure Eltern schätzen, solange ihr sie habt. Wenn sie eines Tages nicht mehr da sind, wie wird es sich dann für euch anfühlen, wenn ihr daran zurückdenkt, wie scheiße ihr sie behandelt habt Emina Brkić lässt sich beim Shoppen von ihrer Mutter beraten. Marko Mestrović, Katharina Rossboth
Foto von Marko Mestrović GEHÖRST DU DAZU SCHÜLER-RAMBAZAMBA