02/14 Schüler-Biber
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POLITIKA<br />
15<br />
VOR DER UMSTRITTENEN BEFRAGUNG ZUR ZUKUNFT DER MARIAHILFER STRASSE<br />
BILDEN SICH UNGEWÖHNLICHE ALLIANZEN: ENTTÄUSCHTE TAXLER, WÜTENDE<br />
BLUMENVERKÄUFER, KONSERVATIVE POLITIKER UND VERÄRGERTE BOBOS. SIE<br />
ALLE HABEN EIN GEMEINSAMES ZIEL: DIE FUZO.<br />
Von Marian Smetana<br />
EINE ECHTE WIENERIN<br />
Es gibt ein Wort, das die „Blumen-Elisabeth“,<br />
wie sie sich selbst nennt, derzeit<br />
besonders ärgert: Fußgängerzone.<br />
Die 61-Jährige steht in ihrem kleinen<br />
Blumengeschäft in einer U- Bahn-Passage<br />
am Ende der Mariahilfer Straße<br />
und muss sich immer wieder bremsen.<br />
„Ich habe 40 Prozent Einbußen, das<br />
regt mich furchtbar auf.“ Die Schuld<br />
gibt sie dem neuen Verkehrsprojekt<br />
der rot-grünen Stadtregierung. Vor<br />
allem Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou<br />
ist wie ein grünes Tuch für sie<br />
„Man darf das ja gar nicht laut sagen“,<br />
hört man dann „aber die is gar keine<br />
echte Wienerin, kommt her und dreht<br />
alles um.“ Dass es andere funktionierende<br />
Fußgängerzonen gibt, lässt sie<br />
nicht gelten. „Die Mariahilferstraße<br />
war immer schon anders, immer schon<br />
eine Hauptverkehrsader.“ Aber jetzt sei<br />
eben alles anders.<br />
AUFSTAND DER TAXLER<br />
Auch Helmuth Herbek ist alles andere<br />
als zufrieden mit der Fußgängerzone.<br />
Mit seinem Taxi chauffiert er seit 25<br />
Jahren Kunden durch die engen Gassen<br />
Wiens und ist nicht mehr so leicht<br />
aus der Ruhe zu bringen, doch bei<br />
der neuen Fuzo kann er nur den Kopf<br />
schütteln. Herbek gehört aber zu den<br />
Leuten, die lieber reden als schimpfen.<br />
Wenn es um die Fußgängerzone geht,<br />
dann lädt er gerne auf einen Kaffee<br />
ein und packt einen drei Meter langen<br />
Plan von der Mariahilfer Straße aus.<br />
„Schaun’s, die Mariahilfer schneidet die<br />
Innenstadt jetzt einfach durch.“ Es gäbe<br />
keine Querungsmöglichkeiten für die<br />
Taxler, sie müssten große Umwege fahren.<br />
Den Fahrgästen schmeckt das gar<br />
nicht. „Diskussionen und komplizierte<br />
Verkehrsregeln, wer will das schon<br />
Viele Taxler meiden diese Gegend.“<br />
Am Taxistand bekommt Herbek Rückendeckung.<br />
So viele Nationalitäten<br />
wie hier versammelt sind, so klar ist der<br />
gemeinsame Feind: Mariahilfer Straße.<br />
„Blödsinn“, „Schlechte Planung“ , „Warum<br />
hat uns niemand gefragt“ hört<br />
man hier. Gemeinsame Feindbilder<br />
verbinden.<br />
FUTTER FÜR DIE POLITISCHEN GEGNER<br />
Im Wiener Rathaus will vor allem die<br />
ÖVP aus dem heiß diskutierten Projekt<br />
Profit schlagen. Manfred Juraczka von<br />
der ÖVP Wien sieht das Projekt bereits<br />
in der Testphase gescheitert: „Die<br />
Planungen rund um die Neugestaltung<br />
der Mariahilfer Straße waren an Pfusch<br />
und Dilettantismus kaum zu überbieten.“<br />
So recht konnten die politischen<br />
Gegner der grünen Vizebürgermeisterin<br />
jedoch noch nicht von dem „gescheiterten“<br />
Projekt profitieren. Bei den<br />
letzten Nationalratswahlen verloren die<br />
Fuzo-Gegner sogar an Stimmen.<br />
DER ANTI-BOBO<br />
Semih Piskin würde sich wünschen,<br />
dass die Grünen den Unmut der Kritiker<br />
bei den nächsten Wahlen mit voller<br />
Härte zu spüren bekommen: „Ich<br />
wünsche mir, dass die Grünen unter<br />
vier Prozent bei der nächsten Wahl bekommen.“<br />
Auch er versteckt seinen Ärger<br />
nicht. Der junge Turnusarzt wohnt<br />
in der Nähe der Mariahilferstraße und<br />
denkt vor allem an die älteren Leute.<br />
„Klar finden die jungen Bobos, die gemütlich<br />
zu ihrem Brunch schlendern<br />
können, die Fußgängerzone super.<br />
Aber was is mit den Leuten, die nicht<br />
mehr zum Arzt gebracht werden können<br />
oder nicht mehr Einkaufen gehen<br />
können“ Mit seiner Einstellung ist er<br />
jedoch ziemlich alleine. „In meinem<br />
Freundeskreis gibt es fast nur Befürworter,<br />
ich hätte vielleicht früher etwas<br />
dagegen unternehmen sollen. Jetzt ist<br />
es zu spät.“ Doch wenn es nach ihm<br />
geht wird Vassilakou ihr grünes Wunder<br />
noch erleben, denn Politik könne<br />
nicht immer nach dem Motto funktionieren:<br />
„Friss oder stirb.“<br />
QUO VADIS „MAHÜ“<br />
Rund 49.000 Bewohner und Bewohnerinnen<br />
des 6. Und 7. Bezirkes sind<br />
ab 17. Februar aufgefordert, bei der<br />
Befragung zur Neugestaltung der<br />
Mariahilfer Straße mitzumachen. Die<br />
„Mahü“ soll nach den Vorstellungen<br />
der Grünen unter der Vizebürgermeisterin<br />
Maria Vassillakou in Zukunft<br />
größtenteils verkehrsberuhigt geführt<br />
werden. In welcher Form dies geschehen<br />
soll oder ob die Einkaufsstraße in<br />
ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt<br />
wird, können alle in den Bezirken<br />
gemeldeten Bürger ab 16 Jahren<br />
entscheiden. Teilnahmeberechtigt<br />
sind auch EU-Bürger. Die Aktion endet<br />
am 6. März. Die Ergebnisse sollen<br />
zwischen 10. und 16. März präsentiert<br />
werden. Die Befragung sorgt schon im<br />
Vorfeld für Diskussionen, vor allem die<br />
Wiener Opposition wittert Verschwendung<br />
von Steuergeldern.