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Letter - DAAD-magazin

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den USA (7,4), während das afrikanische Land<br />

Zimbabwe mit 3,3 ganz unten platziert ist.<br />

Solche Ländervergleiche beweisen oft nicht<br />

mehr, als dass Glück nicht nur eine Frage des<br />

materiellen Besitzes ist, sondern auch Faktoren<br />

wie politische Freiheit, Frieden und Sicherheit<br />

ausschlaggebend sind. Über das individuell<br />

ganz verschiedene Glücksempfinden,<br />

die Lebenszufriedenheit des Einzelnen und<br />

sein Talent zum Glück sagen sie so gut wie<br />

gar nichts aus.<br />

Kein dauerhafter Reiz<br />

Ist Glück über das Bruttosozialprodukt nur<br />

unzureichend zu verorten, so kann die heutige<br />

Hirnforschung schon mit exakteren Aussagen<br />

dienen. Der französische Neurologe<br />

Guillaume Duchenne unterschied 1862 echte<br />

Gefühlsregungen von unechten, indem er<br />

feststellte, dass nur beim echten Lächeln die<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Glück messen:<br />

Der Neurologe Guillaume Duchenne<br />

untersuchte 1862 das Lächeln<br />

Glücksmomente:<br />

Mancher findet sie im Nervenkitzel<br />

beim Risikosport (links unten)<br />

Augenmuskeln beteiligt sind. Heute können<br />

Neurologen das Lächeln und andere positive<br />

Gefühlsregungen in bestimmten Gehirnregionen<br />

nachweisen. Es ist der angenehme Reiz<br />

im Belohnungssystem des Gehirns, der den<br />

Menschen dazu bringt, sich um immer neue<br />

Glücksempfindungen zu bemühen.<br />

Ein Dauerzustand kann das freilich nicht<br />

sein. Das zeigen die Dresdener Ausstellungsmacher<br />

eindringlich an einem Versuch mit Ratten:<br />

Die Tiere konnten per Knopfdruck selbst<br />

einen elektrischen Reiz im Gehirn auslösen<br />

und betrieben die angenehme Stimulierung<br />

so dauerhaft, dass sie darüber das Essen und<br />

Trinken vergaßen und jämmerlich zugrunde<br />

gingen.<br />

Kein Wunder, dass der Besucher die Glücksschau<br />

nicht einfach nur glücklich, sondern vor<br />

allem sehr nachdenklich verlässt.<br />

Leonie Loreck<br />

WISSEnSChaFT<br />

Die Ausstellung ist bis zum 2. November<br />

geöffnet. Informationen: www.dhmd.de/glueck<br />

Das Begleitbuch zur Ausstellung ist im Carl<br />

Hanser Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro<br />

ohne Sinn kein glück<br />

Der Philosoph Wilhelm Schmid über Irrtümer bei der Glückssuche<br />

Herr Professor Schmid, warum hat das<br />

Thema Glück gerade jetzt Hochkonjunktur?<br />

In der Geschichte kommt es immer wieder<br />

vor, dass Menschen glauben, ohne<br />

Glück nicht leben zu können. Schon zu<br />

Zeiten der antiken Philosophen Aristoteles,<br />

Epikur und später Seneca war Glück ein<br />

wichtiges Thema und zuletzt im 18. Jahrhundert<br />

während der Aufklärung. Das ist<br />

immer in Zeiten großer Verunsicherung so:<br />

Dann suchen die Menschen nach Phänomenen,<br />

denen sie zutrauen, Kraftspender<br />

zu sein. Dazu gehört offenbar das Glück.<br />

In Deutschland ist nach 1989 für zahlreiche<br />

Menschen ein Traum zerplatzt. Viele<br />

Ostdeutsche hatten schon lange nicht mehr<br />

daran geglaubt, dass das sozialistische System<br />

sie glücklich machen könnte, trauten<br />

das aber dem westlichen System zu. Auch<br />

abSTraCT<br />

“Glück – welches Glück”<br />

is the title of an exhibition on happiness — or,<br />

more precisely, on the many ways happiness<br />

has been perceived through the ages and in<br />

different cultures. Running at the Deutsches<br />

Hygiene-Museum in Dresden until early November,<br />

the exhibition is presented jointly by the<br />

museum and the Siemens Arts Program under<br />

the artistic direction of Meschac Gaba, an artist<br />

from Benin. As 400 exhibits from the realms<br />

of art, cultural history and science show: The<br />

facets of happiness are numerous and varied<br />

— and definitely open to critical examination.<br />

One such examiner is the Berlin-based philosopher<br />

and long-time <strong>DAAD</strong> guest lecturer<br />

Wilhelm Schmid, who attests that people today<br />

are prone to “happiness hysteria”. Says Schmid:<br />

“A feeling of well-being is a good thing, but it<br />

cannot persist continuously. What people really<br />

seek is the meaning of life.” An important<br />

aspect of that, asserts Schmid, is a feeling of<br />

interrelatedness, whether with fellow humans<br />

or with nature. “Once you feel your life has<br />

meaning, happiness follows automatically”.<br />

im Westen glaubten die Menschen, dass<br />

das kapitalistische System für das Glück<br />

sorgen werde – in Form von Wohlstand für<br />

alle Menschen dieser Erde. Das kann das<br />

westliche System nun aber nicht mehr glaubhaft<br />

machen, und so haben die Menschen<br />

die Hoffnung verloren, dass ihr Glück von<br />

irgendeinem System bereitgestellt wird.<br />

Deshalb suchen sie ganz persönlich nach<br />

dem Glück. Was Mitte der 90er Jahre noch<br />

etwas verhalten begann, hat heute geradezu<br />

die Form von Glückshysterie angenommen.<br />

Wie äußert sich das?<br />

Bücher zu dem Thema sind heute Bestseller,<br />

und ein Film wie „Happy-Go-Lucky“<br />

zieht – allein wegen des Titels – Massen<br />

ins Kino. Die Menschen verstehen unter<br />

Glück: sich toll fühlen, Spaß haben, Lust<br />

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