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<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Foto: JA/F1 ONLINE<br />
Der Potsdamer studierte zu DDR-Zeiten fünf<br />
Jahre im heutigen Weißrussland und legte in<br />
Minsk seinen Diplom-Ingenieur im Fach Motorentechnik<br />
ab. „In der Schule hat mich Russisch<br />
nicht sonderlich interessiert. Erst später,<br />
als ich nach meiner Ausbildung zum Studium<br />
entsandt wurde, lernte ich das Land und vor<br />
allem die Menschen kennen und schätzen.“<br />
Der damals 21-Jährige war begeistert von der<br />
Herzlichkeit seiner russischen Kommilitonen<br />
und wurde zu einem Russland-Fan.<br />
Zurück in Deutschland, blieb er in Kontakt<br />
mit den russischen Freunden und bewarb sich<br />
sofort, als er eine Anzeige des Bosch-Konzerns<br />
las. Dort wurden Mitarbeiter für Projekte in<br />
der Russischen Föderation gesucht, Steffen<br />
Fiebig war mit seinen perfekten Russischkenntnissen<br />
und seiner Fachausbildung ein<br />
idealer Kandidat. „Als ich diese Annonce las,<br />
wurde der Wunsch, nach Russland zu gehen,<br />
wieder geweckt. Als Mitarbeiter der Robert<br />
Bosch GmbH in Deutschland habe ich gemerkt,<br />
wie häufig Deutsche und Russen aneinander<br />
vorbeireden.“<br />
Seit Oktober 2005 ist der 42-jährige Verkaufsleiter<br />
bei OOO Robert Bosch in Moskau, einer<br />
Tochter der deutschen Robert Bosch GmbH. Er<br />
ist dort verantwortlich für den Vertrieb und die<br />
technische Anpassung von Einspritzsystemen<br />
für Dieselmotoren, sei es für Lkw, Pkw oder<br />
Schiffe. Steffen Fiebig begann mit zwei Kollegen,<br />
heute führt er ein Team von insgesamt<br />
25 Mitarbeitern. „Mich hat die Aufbauarbeit<br />
gereizt. Es galt, Techniker und Projektmanager<br />
einzustellen, zu schulen und einzusetzen. Ab<br />
2009 wollen wir auch hier im Land fertigen.“<br />
Erfolgsfaktor Russisch<br />
Steffen Fiebig bedauert, dass die Deutschen<br />
häufig die Tendenz haben, die ausländischen<br />
Partner belehren zu wollen. Er erlebt die<br />
deutsch-russischen Mentalitätsunterschiede<br />
und nennt das Haupthindernis für geschäftliche<br />
Abschlüsse: unterschiedliche Zeithorizonte.<br />
„Ich weiß inzwischen nicht mehr, wie<br />
viele Stunden ich in der Sauna verbracht und<br />
wie viele Gläser Wodka ich getrunken habe,<br />
denn hier läuft fast alles auf der Beziehungsebene.<br />
Ein deutscher Unternehmer, der meint,<br />
nach zweistündigen Verhandlungen die Basis<br />
für ein Geschäft gelegt zu haben, wird niemals<br />
Erfolg haben.“ Das gilt auch für die jüngere<br />
Generation, die sich im Übrigen eher am Westen<br />
orientiert und ein deutlich anderes Verständnis<br />
von wirtschaftlichen Abläufen hat als<br />
die von Sowjetzeiten geprägten Jahrgänge.<br />
Die Funktion als Übersetzer zwischen beiden<br />
Kulturen bestimmt Steffen Fiebigs tägliche<br />
Arbeit. Während russische Kunden mehrere<br />
Treffen als selbstverständlich ansehen, drängt<br />
der deutsche Mutterkonzern auf schnelle<br />
Abschlüsse und effiziente Abwicklung – ein<br />
täglicher Spagat, der für den Ingenieur den<br />
Reiz seiner Arbeit ausmacht. Denn er erlebt<br />
…und das 2004<br />
eröffnete Messegelände<br />
Crocus Expo<br />
arbEITEn WElTWEIT<br />
auch, wie erfolgreich deutsche Unternehmen<br />
in Russ land sind. „Wir haben ein gutes Image<br />
und werden von den russischen Partnern sehr<br />
geschätzt – ein Marktvorteil, den es auszubauen<br />
gilt. Internationalisierte Strukturen<br />
und Mitarbeiter mit sehr guten Russischkenntnissen<br />
sind die Erfolgsfaktoren“, ist er<br />
überzeugt. Denn auch hier gilt: „Das persönliche<br />
Gespräch auf Russisch ist die Grundlage<br />
für alle weiteren Schritte.“<br />
Bis Ende 2009 bleibt Steffen Fiebig mit seiner<br />
Frau und der kleinen Tochter noch in der<br />
russischen Hauptstadt, die auch sehr anstrengend<br />
sein kann. „Der unglaubliche Verkehr<br />
macht es unmöglich, sich so zu bewegen, wie<br />
wir es gewohnt sind. Hinzu kommen die extreme<br />
Umweltbelastung und die sehr schwierigen<br />
Behördengänge“, zählt er die Nachteile<br />
auf. Ohne die spezialisierte Abteilung des Konzerns<br />
hätte er Probleme mit Aufenthaltsgenehmigung<br />
und Arbeitserlaubnis bekommen.<br />
Und dennoch: Er schließt nicht aus, erneut<br />
nach Russland zu kommen – zu viele Freunde<br />
und positive Erlebnisse binden ihn an dieses<br />
Land. Isabell Lisberg-Haag<br />
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Foto: PhotoXPress/VISUM