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HANS WERNER HENZE - Schott Music

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I<br />

m Wohnzimmer von Mrs Halifax, einer wohlhabenden<br />

Dame (die nicht als Person in Erscheinung<br />

tritt), treffen sich die Mitglieder der K.G.S.R., der<br />

Königlichen Gesellschaft für den Schutz der Ratten,<br />

eine dem Vegetarismus verpflichtete Katzengemeinschaft.<br />

Unter ihnen sind Lord Puff, der von Mrs Halifax<br />

wieder verheiratet werden soll, sein Neffe Arnold,<br />

der sich Hoffnung auf die Präsidentschaft der<br />

K.G.S.R. macht, und Louise, eine kleine Maus, die<br />

von der K.G.S.R. adoptiert wurde. Babette erscheint.<br />

Sie ist die Schwester von Minette, die als Braut für<br />

Lord Puff vorgesehen ist, und sie möchte die Gesellschaft<br />

in Augenschein nehmen. Auch Minette kommt<br />

dazu; Babette und Minette sind unangenehm berührt<br />

von der Bigotterie der Anwesenden, deren Lebenstil<br />

dem natürlichen Verhalten von Katzen zuwiderläuft.<br />

Minette flüchtet auf das Dach des Hauses. Dort trifft<br />

sie auf Tom, der sich in sie verliebt. Sie unterdrückt<br />

ihre ebenfalls aufkeimenden Gefühle und versucht,<br />

ihn für die Ziele der K.G.S.R. zu begeistern. Arnold<br />

beobachtet beide und erkennt, dass er das Gesehene<br />

bei Gelegenheit für seine Zwecke nutzen kann. Während<br />

der Hochzeitszeremonie, bei der Tom als Pfarrer<br />

verkleidet zugegen ist, misslingt Arnolds Plan, seinen<br />

Onkel zu töten. Auch sein letzter Versuch, durch Offenbarung<br />

der beobachteten Dachszene die Heirat zu<br />

verhindern, scheitert: Minette heiratet Lord Puff. Tom<br />

und Arnold sind, jeder aus anderen Beweggründen,<br />

verzweifelt.<br />

Minette, nun Lady Puff, empfängt ihre Schwester<br />

Babette, die ihr vom schweren Leben ihrer Familie<br />

berichtet. Unvermutet kommt Tom hinzu. Er war aus<br />

Liebeskummer zur Armee gegangen, aber vor Auslaufen<br />

des Schiffes desertiert. Das intime Gespräch<br />

beider wird von den Mitgliedern der K.G.S.R. gestört;<br />

Tom wird der Polizei übergeben, kann aber wie durch<br />

ein Wunder entkommen. Lord Puff reicht die Scheidung<br />

ein.<br />

Beim Scheidungsprozess tritt Tom in der Verkleidung<br />

eines Verteidigers wieder auf und plädiert für Minette.<br />

Seine Maskerade wird jedoch entdeckt; er und Minette<br />

werden schuldig gesprochen. Kurz bevor Tom<br />

abgeführt wird, entdeckt der Staatsanwalt, dass Tom<br />

der lange vermisste Sohn des auf See verunglückten<br />

Lord Fairport ist; er ist nun reich, angesehen und seiner<br />

Heirat mit Minette steht nichts mehr im Wege.<br />

Aber das Schicksal nimmt seinen Lauf: Mrs Halifax hat<br />

beschlossen, Minette in einem Sack verschnürt in der<br />

Themse zu ertränken. Auch Babett und Tom können<br />

nichts dagegen machen. Sie verlieben sich jedoch ineinander<br />

und Minette erteilt ihnen ihren Segen. Wieder<br />

stören die Mitglieder der K.G.S.R. die Szene. Sie fordern<br />

Tom auf, ihnen sein Vermögen zur Verfügung zu<br />

stellen. Tom lehnt ab und verlässt mit Babette die Szene.<br />

Minette bleibt im Sack zurück und erwartet ihr Los.<br />

Tom hat in seinem Testament Babette zur Universalerbin<br />

eingesetzt. Als er das Dokument gerade unterzeichnen<br />

will, ersticht ihn der Notarangestellt Luzian<br />

hinterrücks. Die Rattenschützer kommen hinzu und<br />

bemächtigen sich des Erbes. Zurück bleibt die Maus<br />

Louise; sie beschließt, der K.G.S.R. den Rücken zu<br />

kehren und wieder ihr altes Leben als Maus zu führen.<br />

“<br />

Im März 1978 berichtete ich dem Dichter<br />

und Stückeschreiber Edward Bond in einem<br />

Brief von einer Dramatisierung eines kleinen in der<br />

Tier- (besonders Katzen-)welt spielenden Balzac mit<br />

dem Titel « Peines de cœur d’une chatte anglaise »,<br />

die ich in Paris gesehen und die mir gefallen hatte.<br />

[…] Schon während der Vorstellung hatte ich<br />

begonnen, eine Musik zu hören, die mit Maskeraden,<br />

Parabeln, mit dem Stil der Opéra comique des<br />

mittleren 19. Jahrhunderts zu tun hatte, eine sinistre,<br />

schräge Musik zu einer sinistren, schrägen Geschichte,<br />

und so kam es, dass ich an Edward Bond<br />

schrieb, mit dem ich in den letzten Jahren schon<br />

zweimal gearbeitet und eine Oper [We come to the<br />

River] und ein Ballett [Orpheus] erarbeitet hatte.<br />

Bond akzeptierte meinen Vorschlag, versetzte die<br />

Handlung vom französischen Directoire in das viktorianische<br />

London von 1900 und beschenkte mich<br />

freundschaftlich-solidarisch mit einem Buch voller<br />

musikalischer Entfaltungsmöglichkeiten. […]<br />

Das ganze Stück ist nach dem Variationsprinzip der<br />

Beethoven’schen Diabelli-Variationen gestaltet, in<br />

Erweiterung des Prinzips auf die Gegebenheiten und<br />

Möglichkeiten des Musikdramas. Nach und nach<br />

werden thematische Zentren zum Leben gebracht,<br />

die nun ihrerseits der Veränderung, analog zu den<br />

Entwicklungen der Charaktere auf der Bühne, unterworfen<br />

werden, mit anderen Entwicklungsgängen,<br />

bis sie mit einander in Berührung kommen, neue<br />

Konflikte und auch merkwürdige Fusionen hervorrufend.<br />

Die Hauptdarsteller und die verschiedenen<br />

sozialen Gruppen haben obligate Instrumente zur<br />

Seite, deren Spiel, deren Klang dem Hörer das Mitvollziehen<br />

dieser Vorgänge erleicherten und immer<br />

wieder Hinweise geben will, Lageberichte. […] Weil<br />

ich an die revolutionären Kräfte in den Menschen<br />

glaube, ist es eine optimistische Musik, die lachen<br />

und weinen will und das hochverehrte Publikum<br />

zum Weinen und Lachen erweichen.<br />

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