HANS WERNER HENZE - Schott Music
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N<br />
oboru hat sich einer Gruppe von Jugendlichen<br />
angeschlossen, sehr zur Sorge seiner<br />
Mutter Fusako. Sie ist seit acht Jahren Witwe,<br />
liebt aber den Schiffsoffizier Ryuji Tsukazaki und will<br />
wieder heiraten. Als der Seemann Fusako und Noboru<br />
sein Schiff zeigt, ist der Junge stolz auf seinen zukünftigen<br />
Stiefvater und erzählt die Neuigkeit seinen<br />
Freunden. Die jedoch sehen in Ryuji nur den Erwachsenen,<br />
der ihrem Traum von Unabhängigkeit im Weg<br />
steht. Ryuji offenbart Noboru, dass sein Leben keineswegs<br />
immer heldenhaft verlaufen ist. Umso mehr<br />
wünscht sich Noboru, dass Ryuji dem Meer – Sinnbild<br />
von Weite und Freiheit für die Jungen – treu bleibt.<br />
Ryuji macht Fusako einen Heiratsantrag, will seine<br />
Karriere als Seemann beenden und stattdessen als<br />
Verkäufer in der Boutique arbeiten. Als Noboru dies<br />
seinen Freunden berichtet, beschließen die Jungen,<br />
aus dem Offizier wieder einen „Helden“ zu machen,<br />
und zwar für immer: Sie verurteilen ihn zum Tode.<br />
Noboru, dessen Bewunderung für Ryuji in Verachtung<br />
umgeschlagen ist, lockt den ehemaligen Seemann<br />
zum Versammlungsort der Gruppe. Ryuji bekennt<br />
nichts ahnend seinen „Verrat“ am Meer und wird dafür<br />
von den Jungen „hingerichtet“.<br />
Ich denke, es tut not, sich zu vergegenwärtigen,<br />
dass das Stück keine Moral im westlichen<br />
Sinn hat. Es geschehen die Dinge schicksalhaft,<br />
d.h. wie durch Zufall, wie in der Natur. Wir dürfen<br />
nicht richten, dürfen keine christlich-westlichen<br />
Kriterien ansetzen. Es wird dargestellt, wie Menschen<br />
einander begegnen und was die Konsequenzen<br />
der Begegnungen sind. Jede Frau kann sich mit<br />
Fusako identifizieren, jeder Mann mit Ryuji, und<br />
jeder Mensch mit dem Anfänger, dem es zustößt,<br />
im College einen Anführer kennenzulernen und in<br />
seine Gang von knabenhaften, fast noch infantilen,<br />
altklugen Schulkameraden integriert zu werden. Es<br />
ist wichtig, dass diese Jungens wie normale oder<br />
besser: überdurchschnittlich begabte „college boys“<br />
sich benehmen, wir müssen sie mögen, wir müssen<br />
besonders mit Noboru sympathisieren, der Hauptrolle<br />
der Oper. […] Sie sind keine Perversen oder<br />
Skinheads oder Rocker, dies sind zarte, verletzte<br />
Wesen, deren Spielereien irgendwann einmal, sozusagen<br />
durch den Unglücksfall einer zerebralen<br />
Mißfunktion hervorgerufen, in tödliche Wirklichkeit<br />
umschlagen. Aber sie sind keine Kriminellen. Es<br />
stößt ihnen etwas zu. Ein geistiges Abenteuer, das<br />
zu weit geht, außer Kontrolle gerät: die Grenzüberschreitung.<br />
N<br />
“ “<br />
oboru has become involved with a gang of<br />
delinquent youths which is a great worry to<br />
his mother Fusako. She has been a widow for<br />
eight years, but has fallen in love with the ship’s officer<br />
Ryuji Tsukazaki and wishes to remarry. When the<br />
seaman shows Fusako and Noboru his ship, the boy<br />
is proud of his future stepfather and announces the<br />
good news to his friends. They however view Ryuji<br />
merely as an adult standing in the way of their freedom.<br />
Ryuji confesses to Noboru that his life has often<br />
been less than heroic. This strengthens Noboru’s<br />
wishes that Ryuji will remain faithful to the sea – the<br />
symbol of space and freedom for the youths.<br />
Ryuji makes Fusako an offer of marriage and intends<br />
to end his maritime career. When Noboru reports this<br />
to his gang, the youths resolve to make a “hero” out<br />
of the officer once and for all: the adolescents sentence<br />
him to death. Noboru, whose admiration for<br />
Ryuji has transformed itself into hate and contempt,<br />
lures the former seaman to the gang’s meeting place.<br />
The unsuspecting Ryuji admits his “betrayal” of the<br />
sea and is consequently murdered in cold blood by<br />
the gang.<br />
I think it is necessary to bear in mind that<br />
the piece has no moral in the western sense.<br />
Things happen because they are fated to happen,<br />
i.e. as though by chance and in nature. We should<br />
not judge, should not apply any western or Christian<br />
criteria. The piece shows how people meet and<br />
what the consequences of those meetings are. Every<br />
woman can identify with Fusako, every man with<br />
Ryuji, and each and every one of us with the novice<br />
who happens to fall in with a ringleader at college<br />
and to be taken up into his gang of boyisch, almost<br />
infantile, but precocious classmates. It is important<br />
that these lads behave like normal or, rather, abnormally<br />
gifted college boys, we must be able to like<br />
them, in particular we must be able to sympathize<br />
with Noboru, who is the main character in the opera.<br />
[…] They are no perverts or skinheads or rockers,<br />
but sensitive, wounded creatures. As the result,<br />
as it were, of the unfortunate accident of cerebral<br />
dysfunction, their games suddenly become horribly<br />
real. But they are no criminals. Something happens<br />
to them. An intellectual adventure that goes too far<br />
and gets out of hand. They overstep the mark.<br />
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