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Funktionaler Analphabetismus im Kontext von Familie und ...

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Fünf Jahre Integrationskurse mit Alphabetisierung – Erfolge, Schwierigkeiten, Ausblick 231<br />

der Teilnehmenden alphabetisieren zu können. Das wäre zukunftsweisend. Dies<br />

würde aber dazu führen, dass die Lehrkräfte zum Teil aus der Community kommen<br />

<strong>und</strong> pseudo-professionell sind.<br />

Aus dem Publikum:<br />

Dass man <strong>im</strong>mer vierzehn <strong>von</strong> einer „Sorte“ zusammenkriegt, wie die Best<strong>im</strong>mungen<br />

sind, das ist vielleicht in Berlin möglich <strong>und</strong> in München, aber schon bei uns in<br />

Heilbronn sehe ich das als großes Problem. Wir haben jetzt zurzeit drei Alpha-Kurse<br />

neben einander laufen, aber zu einem Zeitpunkt dann vierzehn Kurden, vierzehn<br />

Türken, vierzehn aus Sri Lanka oder so schon gar nicht denkbar, das würde an den<br />

Best<strong>im</strong>mungen oder den Vorgaben des BAMF wahrscheinlich schon an dem Punkt<br />

scheitern – sodass wir dann gar keine Alpha-Kurse mehr hinkriegen.<br />

Karen Schramm:<br />

Es ist ja noch gar nicht so lange her, dass wir zahlreiche muttersprachliche oder<br />

koordinierte Alphabetisierungskurse angeboten haben <strong>und</strong> dafür sehr qualifizierte<br />

<strong>und</strong> engagierte Kursleiterinnen <strong>und</strong> -leiter, vor allem mit türkischer Muttersprache,<br />

gewinnen konnten. Wenn wir heute praktisch nur noch zweitsprachliche<br />

Alphabetisierungsangebote machen, dann liegt das meines Erachtens nicht so<br />

sehr daran, dass uns die entsprechenden Akademiker(innen) mit Kompetenzen<br />

in den Herkunftssprachen der Teilnehmer(innen) fehlen, sondern daran, dass<br />

die erstsprachliche Alphabetisierung <strong>im</strong> Moment politisch überhaupt nicht erwünscht<br />

ist. Zumindest <strong>im</strong> Rahmen der Integrationskurse ist dies nicht der Fall,<br />

weil der Integrationskurs ausschließlich dazu angeboten wird, um Deutsch zu lernen<br />

<strong>und</strong> in diesem Rahmen auch Deutsch lesen <strong>und</strong> schreiben zu lernen. Da viele<br />

Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer an Integrationskursen mit Alphabetisierung jedoch<br />

nur über sehr geringe mündliche Deutschkenntnisse verfügen, n<strong>im</strong>mt man<br />

auf diese Weise systematisch die Erfahrung des Scheiterns in Kauf, indem man das<br />

Lesen- <strong>und</strong> Schreibenlernen nur in der Zielsprache anbietet, in der es ohne den vorherigen<br />

mündlichen Zweitspracherwerb nicht gelernt werden kann. Diese für viele<br />

Kursteilnehmer(innen) quasi vorprogrammierte Erfahrung des Scheiterns ist auch dadurch<br />

gegeben, dass man sie einen Test absolvieren lässt, der eben nicht auf analphabetische<br />

Lernende ausgerichtet ist. Das heißt, aus meiner Sicht nehmen wir hier ganz<br />

systematisch – das wäre jetzt die provokante These – in Kauf, auch dieser migrantischen<br />

Zielgruppe die Erfahrung des Scheiterns, die die funktionalen Analphabetinnen<br />

<strong>und</strong> Analphabeten mit Deutsch als Erstsprache in der Schule gemacht haben, zuzumuten.<br />

Wir verschärfen möglicherweise mit unseren teilweise inadäquaten<br />

Lernangeboten ungewollt das Problem, anstatt es zu lösen. Ich denke, dass es in<br />

den Großstädten durchaus möglich ist, wie auch in der Vergangenheit Angebote mit<br />

akzentuiertem Bezug zur Erstsprache zu machen, nur ist dies eben leider nicht <strong>im</strong><br />

Rahmen der Integrationskursfinanzierung gewünscht, das ist der politische Aspekt.<br />

Was die praktische Machbarkeit betrifft, gebe ich Ihnen natürlich Recht: Es ist sicher<br />

in vielen Städten oder gar Gemeinden nicht möglich, vierzehn Personen – eine<br />

Zahl, über die wir ja sicher auch nochmal bei der kritischen Bilanz sprechen sollten<br />

– vierzehn Personen einer Erstsprache in einem Kurs zusammenzuführen. Aber<br />

es wären doch Kurse denkbar, in denen beispielsweise Farsi-, Urdu- <strong>und</strong> Arabisch-

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