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Funktionaler Analphabetismus im Kontext von Familie und ...

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„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans n<strong>im</strong>mermehr“ – <strong>und</strong> Uwe? 89<br />

Also, Uwe kam, Uwe packte diese Spirale anders an als ich <strong>und</strong> machte „zack“ <strong>und</strong><br />

natürlich: Es ging, es funktionierte, es war bestens <strong>und</strong> es gibt viele andere Dinge,<br />

wo ich schon ähnliche Erlebnisse mit dir hatte. Eines zum Beispiel: Wir haben mal<br />

zusammen einen Motorsägenkurs gemacht <strong>und</strong> meine Säge war kaputt. Uwe hat die<br />

ganze Säge auseinandergenommen <strong>und</strong> hat gesagt: „Nee, also, da muss noch eine<br />

Schraube sein.“ Die hat er dann unter irgendeinem Aufkleber gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> hat das<br />

auseinandergenommen, hat das repariert, hat das gelötet. Woher kannst du das? Ich<br />

denke mir <strong>im</strong>mer: Ich habe so Schwierigkeiten, eine Betriebsanleitung zu lesen, etwas<br />

zu verstehen, Zusammenhänge zu verstehen. Wie machst du das? Wie merkst du<br />

dir das? Woher wusstest du, wo du nachgucken musst?<br />

U. Boldt: Bei mir ist das Problem nicht das Lesen. Das Lesen brauche ich eigentlich<br />

gar nicht. Ich baue die Maschine auseinander <strong>und</strong> weiß, wo die Fehler sind. Ich<br />

bin ein praktischer Mensch. Ich muss es sehen. Und kriege das meistens auch alles<br />

so wieder heil, wenn es heil zu machen geht. Ja, das ist so. Ich mache das lieber<br />

praktisch als zu lesen.<br />

Lübs: Das machst du so bei deinen Hausmeistertätigkeiten, das kannst du bei<br />

Elektrik, das fällt dir überhaupt nicht schwer, das ist für mich <strong>im</strong>mer unvorstellbar,<br />

wenn ich so denke, wie ich an so etwas herangehe.<br />

Aus dem Publikum: Das ist bei mir dasselbe, handwerklich bin ich auch sehr begabt.<br />

Ich muss keine Betriebsanleitung lesen, um einen Möbelschrank zusammenzubauen<br />

zum Beispiel. Mir reichen schon die Bilder. Ich gucke einmal darauf <strong>und</strong> dann<br />

prägt man sich das ein. So kommt mir das vor. Und dann baue ich einen kompletten<br />

Schrank zusammen, das ist auch kein Ding.<br />

Aus dem Publikum: Ja, so ist das bei mir auch. Wenn ich einen Schrank kriege,<br />

packe ich das Ganze komplett aus, mit den Schrauben. Das Blatt schmeiße ich weg,<br />

das brauche ich nicht.<br />

Lübs: Gibt dir das Sicherheit, dass du so etwas Praktisches gut kannst?<br />

U. Boldt: Da brauche ich nicht viel nachzudenken, da brauche ich nur zu handeln.<br />

Das ist mein Vorteil dabei. Anpacken. Körperliche Arbeit. Bloß, wenn es um<br />

das andere geht, Formulare ausfüllen hinterher oder Arbeitsblätter machen oder so,<br />

dann ist bei mir denn wieder „minus“.<br />

Lübs: Sabine, was ist deine Stärke?<br />

S. Boldt: Meine Stärke? Schwer zu sagen, weiß ich nicht …<br />

U. Boldt: Technisch begabt ist sie null.<br />

S. Boldt: Nee, das ist nicht meine Welt. Will ich aber auch nicht. Ich gebe zu,<br />

ich könnte es vielleicht, aber ich habe da keine Lust zu, das ist nicht so meine Welt.<br />

Ich lese halt gerne, ich schreibe gerne, ich kann gut zuhören. Das mache ich gerne.<br />

Aber alles was Technik ist, das … Ich habe doch Uwe. Das gebe ich ja ehrlich zu,<br />

das gebe ich auch gerne ab, da bin ich so, so bin ich veranlagt. Was ich nicht so gerne<br />

mag, das gebe ich auch gerne ab <strong>und</strong> wenn ich merke, das kann er gut, dann darf<br />

er das auch gerne machen.<br />

Aus dem Publikum: Eine Frage an dich, Sabine. Gibt es denn so Situationen, wo<br />

der Uwe dich, weil er nicht lesen <strong>und</strong> schreiben kann, total auf die Palme bringt,<br />

zum Beispiel be<strong>im</strong> Formulare ausfüllen oder wo du sagst: „Mensch Junge, jetzt krieg<br />

mal den Arsch hoch, mach mal selber?“<br />

S. Boldt: Ja, das ist schon so. Es ist leider <strong>im</strong>mer noch so bei ihm, dass er das<br />

wirklich gerne abgibt <strong>und</strong> das nervt mich manchmal schon. Er kann es ja wenigstens

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