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Funktionaler Analphabetismus im Kontext von Familie und ...

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Fünf Jahre Integrationskurse mit Alphabetisierung – Erfolge, Schwierigkeiten, Ausblick 233<br />

Alexis Feldmeier:<br />

Vielleicht noch ein Hinweis, der mir wichtig scheint: Ich denke, dass es auch gefährlich<br />

ist, jetzt das Ganze um 180 Grad in die andere Richtung gehen zu lassen <strong>und</strong><br />

jetzt müssen wir <strong>von</strong> Anfang bis Ende in den Muttersprachen unterrichten. Das ist<br />

sicherlich nicht notwendig. Zu der Frage der Organisation ist es so, dass es <strong>im</strong>mer<br />

schwieriger wird, Muttersprache einzubeziehen, wenn man den Komplettunterricht<br />

n<strong>im</strong>mt. Das heißt, wenn man jetzt überlegt: Ich brauche eine muttersprachlich homogene<br />

Gruppe, bestehend aus sechzehn kurdischen Teilnehmenden beispielsweise, um<br />

überhaupt in der Muttersprache Kurdisch unterrichten zu können, dann ist das vom<br />

Frontalunterricht her gedacht. Hat man beispielsweise Werkstattunterricht, dann ist es<br />

durchaus denkbar, einzelne Stationen zu entwickeln für die Muttersprache Kurdisch,<br />

Arabisch, Thai – welche Sprache auch <strong>im</strong>mer – <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer wieder zwei, drei Teilnehmende<br />

dort arbeiten zu lassen. Das heißt, ich brauche keine muttersprachlich homogene<br />

Gruppe, sondern ich brauche die Unterrichtsmaterialien <strong>und</strong> dann muss ich<br />

die Unterrichtssituation so ändern, dass tatsächlich eine muttersprachliche Förderung<br />

möglich ist. Nur: Dann ist es eben ein Teil vom Alphabetisierungsunterricht <strong>und</strong><br />

der erfolgt in der Station zu diesem Zeitpunkt für nur drei Teilnehmende in der<br />

Muttersprache. Der zweite Punkt, der mir wichtig ist: Wir müssen natürlich überlegen,<br />

was es bedeutet, in der Muttersprache zu fördern. Es bedeutet nicht notwendigerweise<br />

– es wäre sicherlich sehr wünschenswert –, in der Muttersprache lesen<br />

<strong>und</strong> schreiben zu lernen bis zum Bereich funktionaler Alphabetisierung. Sondern<br />

es kann auch schon beginnen in der phonologischen Bewusstheit. Wenn ich frage:<br />

„Welches Wort beginnt mit ‚m‘?“, dann kann auch ein Wort erf<strong>und</strong>en werden<br />

oder auch ein Wort der Muttersprache gewählt werden, das ist kein Widerspruch<br />

zum Alphabetisierungskurs in der Zweitsprache Deutsch. Und genauso wären solche<br />

Ansätze denkbar: Kann ich denn Arabisch schreiben lassen mit lateinischer Schrift?<br />

Man muss durchaus sehen, solche Vorschläge gibt es <strong>und</strong> natürlich hat es Vor- <strong>und</strong><br />

Nachteile, aber es ist durchaus denkbar. Und dort wird dann die Muttersprache aktiviert<br />

<strong>und</strong> zur Gr<strong>und</strong>lage der Alphabetisierungsarbeit. Und das ist eher möglich. Das<br />

heißt, die Gefahr ist, dass man sich zu sehr versteift <strong>und</strong> denkt: Ich brauche jetzt<br />

eine sprachlich homogene Gruppe <strong>und</strong> ich muss 100 % in der Muttersprache alphabetisieren.<br />

Das ist so nicht. Das ist sicherlich eine Entwicklung, man muss gucken,<br />

was möglich ist, auf dem Land, in der Stadt <strong>und</strong> so weiter. Die Beispiele, die in der<br />

Literatur vorliegen, sind tatsächlich für die Alphabetisierung in der Muttersprache<br />

Türkisch. Also, was hier wichtig ist <strong>und</strong> <strong>im</strong> Vortrag auch deutlich wurde: Es ist<br />

durchaus denkbar, dass man auf Gr<strong>und</strong> der Teilnehmerstruktur – Kurdisch, Arabisch,<br />

Türkisch, Russisch als die wichtigsten Gruppen offensichtlich –, dass man dort verstärkt<br />

Materialien entwickelt <strong>und</strong> vielleicht dort auch ganz andere Möglichkeiten hat<br />

als bei den muttersprachlichen Randgruppen, die nicht so oft vorkommen.<br />

Aus dem Publikum:<br />

Vielleicht habe ich das Programm falsch gelesen, aber <strong>im</strong> Programm steht „Fünf<br />

Jahre Integrationskurse mit Alphabetisierung – Versuch einer Bilanz“ <strong>und</strong> die<br />

Diskussion zielt jetzt ja doch sehr in eine spezielle Richtung. Mein Problem in der<br />

Praxis als jemand, der Integrationskurse <strong>von</strong> Anfang an erlebt hat <strong>und</strong> auch sehr kritisch<br />

begleitet hat, ist: Kann ich ab morgen noch einen Alphabetisierungskurs so, wie

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