Funktionaler Analphabetismus im Kontext von Familie und ...

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Sabine Boldt und Uwe Boldt im Gespräch mit Bettina Lübs
probieren. Wenn er es nicht kann, ist das ja kein Ding, aber er sollte sich wenigstens
hinsetzen und mal probieren und nicht gleich sagen: „Komm, du kannst das ja, mach
mal …“ Das ist schon etwas, was mich ärgert.
Aus dem Publikum: Und wie reagiert er dann? Wenn du ihm das sagst?
S. Boldt: Eigentlich ist es schon so, dass er es dann auch macht. Ich kann sehr
stur sein und dann bleibt ihm nichts anderes übrig. Er muss es dann machen.
Aus dem Publikum: Wobei du das in technischen Sachen ja ganz ähnlich
machst …
S. Boldt: Ja, ich weiß.
U. Boldt: Computer und sie leben auf dem Kriegsfuß. Zwei Welten treffen aufeinander.
S. Boldt: Es ist nicht meine Welt.
Aus dem Publikum: Uwe, du lernst ja immer noch weiter, oder? Wo nimmst du
denn die Motivation her, immer noch weiter zu lernen? Es ist ja so anstrengend und
schwer. Und du kommst ja auch so durch das Leben. Und du hast Sabine und andere,
die dir helfen, also warum unterziehst du dich dieser ständigen Anstrengung?
U. Boldt: Ich mache es jetzt für mich selber. Wobei ich sagen muss: Im
Augenblick bin ich lernmüde. Ich habe jetzt eine Zeit gehabt, wo ich wirklich keine
Lust hatte zu lernen, gebe ich auch zu. Bloß ich merke, dass ich langsam wieder runterrutsche.
Deswegen muss ich für mich selber jetzt einen Punkt haben, wo ich mich
wieder hoch treibe. Aber ich versuche jetzt jedenfalls schon mal, E-Mails zu schreiben.
Im Lernportal 3 zum Beispiel komme ich irgendwie im Augenblick nicht klar für
mich selber. Dafür schreibe ich dann lieber E-Mails.
Lübs: Schreibst du überhaupt? Auch andere Sachen? So im Privaten? Hast du das
Schreiben für dich in letzter Zeit genutzt?
U. Boldt: Ja, ich glaube schon. Als ich in Namur war, habe ich das erste Mal in
meinem Leben zehn Seiten geschrieben, die ich dann zu einem Tagebuch zusammengefasst
habe. Das war für mich ein Erlebnis, das ich sehr genossen habe.
S. Boldt: Und ich habe meinen ersten Liebesbrief nach vierzehn Jahren bekommen
…
Lübs: Uwe war nämlich in Namur, als Sabine Geburtstag hatte, das war schon ein
besonderes Geschenk, so einen Brief zu bekommen. Du hast in dem Zusammenhang
erzählt, es war so viel und so aufregend in Namur, es war ein europäisches
Lernertreffen und das konntest du dir gar nicht alles merken, die Eindrücke.
U. Boldt: Deswegen habe ich das auch mehr oder weniger wie ein Tagebuch aufgebaut.
Und habe dann pro Tag, was ich erlebt habe, abends niedergeschrieben oder
versucht niederzuschreiben, jedenfalls soweit ich das konnte. Und nach dem dritten,
vierten Tag habe ich Elfriede 4 das gezeigt und die war auch begeistert. Als ich ihr
hinterher das Ganze gegeben habe, sagte sie: „Gut, dass du das aufgeschrieben hast,
ich habe die Hälfte auch schon wieder vergessen davon.“
Lübs: Zum nächsten Thema: Uwe steht ja gerne im Rampenlicht, in der
Öffentlichkeit, geht mit diesem Thema offen um. Ich denke schon, das kannst du
gut und das machst du auch, glaube ich, ganz gerne, so wie heute oder auch in anderen
Situationen. Was hat das für euch als Familie gemacht? Wir haben ja hier das
3 www.ich-will-lernen.de
4 Elfriede Haller, Vorstandsmitglied im Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung
e.V.