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DKV Magazine - Chronik des deutschen Karateverbandes

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Bericht zum Karate im Pflichtsport<br />

Seit dem Schuljahr 2006/07 wird an der Oberschule<br />

Wünsdorf im Land Brandenburg, Landkreis<br />

Teltow Fläming, innerhalb <strong>des</strong> Pflichtsportes<br />

auch Karate unterrichtet.<br />

Wie kam es dazu?<br />

An unserer Schule fehlte ein Sportlehrer. Deshalb<br />

wurde ich von der Rektorin, Frau Sella, gefragt, ob<br />

ich bereit wäre, 6 Stunden Sport zu unterrichten. Als<br />

Lehrer für Mathematik, Physik und Informatik hatte<br />

ich vor einigen Jahren bereits Sport unterrichtet. Seit<br />

März 2004 leite ich als langjähriger aktiver Karateka<br />

(2.Dan) an unserer Schule eine Karate-AG. Im Mai<br />

2004 besuchte ich in Lindow einen Ausbildungslehrgang<br />

„Sound-Karate-Trainer im Schulsport“ <strong>des</strong><br />

<strong>DKV</strong> mit Helmut Spitznagel und Ralf Brünig. Unser<br />

Hauptsportlehrer, Herr Grau, sah sich mehrmals das<br />

Training in unserer Karate-AG an. Er unterbreitete<br />

der Rektorin den Vorschlag, mir jeweils in den Klassenstufen<br />

8 bis 10 die 3. Pflichtsportstunde zu<br />

geben. Dort sollte ich neben der allgemeinen athletischen<br />

Ausbildung auch eine kampfsportliche Ausbildung<br />

mit dem Schwerpunkt Karate durchführen.<br />

Erfreulicherweise wurde der Vorschlag meiner Rektorin<br />

vom verantwortlichen Schulrat genehmigt.<br />

Daraufhin nahm ich sofort Kontakt mit den Schulsportreferenten<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg und <strong>des</strong><br />

<strong>DKV</strong>, Volkmar Ritter und Ralf Brünig, auf. Besonders<br />

von Ralf Brünig bekam ich bei den ausgiebigen<br />

Telefonaten viele Anregungen und Hinweise für das<br />

Arbeiten mit Schülern im Pflichtsport. So sahen die<br />

Schüler unserer 8. bis 10. Klassen am Anfang dieses<br />

Schuljahres erstmals im obligatorischen Sportunterricht<br />

eine Lehrkraft im Karate-Gi. Sie erfuhren etwas<br />

aus der Geschichte <strong>des</strong> Karate und anderer Kampfsportarten<br />

und lernten den Unterschied zwischen<br />

dem Training in einem Karateverein und dem Inhalt<br />

im Schulkarate kennen.<br />

Erstmals machten im Lan<strong>des</strong> Brandenburg somit<br />

148 Schüler innerhalb ihres Pflichtsportes Bekanntschaft<br />

mit Karate. Der Unterricht wird im Klassenverband,<br />

also gemischt aus Mädchen und Jungen,<br />

durchgeführt.<br />

Brandenburg<br />

Grundlage Sound-Karate<br />

Als Grundlage für den Unterricht wird das „Schulprojekt<br />

Sound-Karate“ von Ralf Brünig und Helmut<br />

Spitznagel <strong>des</strong> <strong>DKV</strong> genutzt. Diese Konzeption ist<br />

für die Grundschule, als auch für die Sekundarstufen<br />

I und II erarbeitet worden. Der Inhalt lässt sich<br />

darin grob in folgende 4 Bereiche zusammenfassen:<br />

1. „Übungen zur Motorik-, Kraft- und Schnelligkeitsschulung<br />

ohne Karatetechniken 2. Mischung von<br />

Dehn- und Kräftigungsübungen und Kombinationen<br />

von Karatetechniken 3. Techniken mit Softball<br />

zur Schulung von Technik, Motorik, Partnerübungen<br />

4. Sound-Karate mit Karatetechniken nach aktueller<br />

Popmusik (4/4-Takt, max. 110BPM)“ Im Unterricht<br />

an unserer Oberschule werden Grundstellungen,<br />

einfache Abwehr-, Angriffs- und Selbstverteidigungstechniken<br />

(Einschätzen der Situation, Vermeiden<br />

von Konflikten, Umgang mit typischen Belästigungen<br />

unterhalb der Schüler) geübt. Wegen der<br />

Verletzungsgefahr werden bei der Erarbeitung der<br />

Karatetechniken keine Partnerübungen durchgeführt.<br />

Hierzu dient das Arbeiten am aufgehängten<br />

Ball. Zur Entwicklung der Motorik werden z.B. Parcours<br />

absolviert. Oft wird von Außenstehenden die<br />

Meinung vertreten, dass eine Kampfsportausbildung<br />

in der Schule eine Erhöhung der Gewalt zur<br />

Folge hat. Dies kann ich glücklicherweise überhaupt<br />

nicht bestätigen. Geht es doch im Schulkarate nicht<br />

vorrangig um die Karateausbildung sondern vielmehr<br />

um das Nutzen der spezifischen Etikette und<br />

der Elemente dieser Sportart zur Vermeidung von<br />

Gewaltsituationen und zur Entwicklung der allgemeinen<br />

Athletik und einer harmonischen Motorik.<br />

Der obligatorische Unterricht verlangt natürlich eine<br />

Bewertung mit einer Zensur. Die Schüler haben bisher<br />

jeweils für die Schlagtechniken Jun Zuki, Gyaku<br />

Zuki und für die Fußtechnik Mae Geri eine Zensur<br />

erhalten. Außerdem wurde der Parcours 3 nach den<br />

erreichten Zeiten bewertet. Die Festlegung der Zeiten<br />

hierfür erfolgt nach den Klassenstufen und nach<br />

Mädchen und Jungen getrennt. Die Schüler beka-<br />

Länder<br />

men vorher die genauen Bewertungskriterien für<br />

die einzelnen Techniken.<br />

Nun sollte man aber nicht glauben, dass die Karateausbildung<br />

im Pflichtsport bei Gruppen mit 22 bis<br />

28 Schüler völlig ohne Probleme abläuft. Jeder Vereinstrainer,<br />

der mit Kindern und Jugendlichen arbeitet,<br />

kann sich das sicher vorstellen. Trotzdem ist die<br />

Disziplin viel besser als ich es vorher erwartet hatte.<br />

Wie in allen anderen Fächern gibt es natürlich auch<br />

hier Schüler, die kein bzw. nur wenig Interesse an<br />

einer solchen Ausbildung haben. Im Großen und<br />

Ganzen wird die Karateausbildung von den<br />

Schülern jedoch positiv angenommen. Neben den<br />

Karatetechniken lernen sie auch völlig andere<br />

Erwärmungsübungen kennen.<br />

Besonders lobenswert sind die Mitarbeit und die<br />

Einstellung in den Klassen 8a(23), 9a(28) und<br />

10b(24). Hier zeigen die Schüler ein besonderes<br />

Interesse für das Erlernen der Karatetechniken. Bei<br />

der Bewertung erhielten sie überwiegend gute Zensuren.<br />

Es ist für mich schön zu erleben, wie sich die<br />

Qualität ihrer Techniken im Laufe der vergangenen<br />

Wochen verbesserte. Bedauerlicherweise gibt es<br />

auch religiöse Probleme. Sieben Schüler lehnen die<br />

Karateausbildung ab, weil ihrer Meinung nach und<br />

vor allem nach Meinung <strong>des</strong> Predigers in der Mennoitenkirche,<br />

der vier Kinder in unserer Schule hat,<br />

beim Karate meditiert wird. Dies trifft jedoch für den<br />

Sportunterricht an unserer Schule überhaupt nicht<br />

zu. Der Einwand dieses Vaters führte dazu, dass ich<br />

als Lehrer keinen Karate-Gi mehr trage und auf<br />

zeremonielle Elemente <strong>des</strong> Karate im Sportunterricht<br />

verzichte. Ich kann nur wünschen, dass diese<br />

Art <strong>des</strong> Sportunterrichtes in den kommenden<br />

Monaten und Jahren an unserer Schule weitergeführt<br />

werden kann und dass wir als Vorreiter im<br />

Land Brandenburg weitere Schulen ermutigen,<br />

ebenfalls diesen Weg zu gehen.<br />

B. Wawrzyniak<br />

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