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SEBASTIAN ROJAS (4)<br />
wollte ich unbedingt auch schaffen. Und<br />
mit jedem Sturz vom Brett lernte ich ein<br />
bisschen dazu.<br />
SUP war damals noch ziemlich neu.<br />
Wie reagierten die Leute darauf, dass<br />
ein junges Mädchen mit einem Paddel<br />
daherkam?<br />
Die meisten wussten gar nicht, was das<br />
war. Es kam vor, dass mich Typen fragten:<br />
„Was machst du mit dem Paddel?“ Aber<br />
mir war das ehrlich gesagt völlig egal.<br />
Das Wichtigste für mich war, dass ich<br />
im Wasser war und Spaß haben konnte.<br />
Und das konnte ich. Egal ob an einem Tag<br />
große Wellen reinkamen oder kleine.<br />
Wie wurde aus dem Spaß Ernst?<br />
Der große Schritt erfolgte 2010. Ich war<br />
damals schon auf dem College, Stand-Up-<br />
Paddling kam gerade immer mehr in<br />
Fahrt, ich machte mich ganz gut, hatte<br />
sogar schon Angebote von Sponsoren.<br />
Also sagte ich zu meiner Mutter: „Komm<br />
schon, ich habe meinen Teil mit dem<br />
College erledigt, kann ich jetzt Surferin<br />
sein?“ Ich muss ziemlich überzeugend<br />
gewesen sein. Denn sie sah schnell ein,<br />
dass es keinen anderen Weg für mich gab.<br />
Und erlaubte mir, 2010/11 zwei Monate<br />
in Hawaii zu verbringen.<br />
… man fährt aber nicht einfach nach<br />
Hawaii und sagt: Hallo, da bin ich,<br />
ich bin jetzt Profi.<br />
Nein, darum ging es anfangs auch überhaupt<br />
nicht. Es ging darum, mich selbst<br />
einordnen zu können, also herauszufinden,<br />
was ich draufhabe, auch im Vergleich<br />
mit anderen. Als ich ankam, stürzte<br />
ich mich gleich mal in die Wellen von Jaws.<br />
Ich bin zwar nur die kleineren geritten,<br />
aber wir sprechen hier noch immer von<br />
30-Fuß-Wellen! (Rund 9 Meter, Anm.)<br />
Gewaltigen Dingern. Als ich die geschafft<br />
hatte, wusste ich, ich kann’s packen.<br />
Wie hat es sich angefühlt, in diese<br />
Monster zu droppen?<br />
Einfach geil, unglaublich.<br />
… ich meinte: wegen der Angst.<br />
Im Vorhinein habe ich nie Angst. Manche<br />
können in der Nacht vorher nicht schlafen,<br />
aber da bin ich total entspannt. Ich schlafe<br />
wie ein Baby. Erst als ich tatsächlich im<br />
Revier stand, wurde mir die schiere Größe<br />
dieser Dinger bewusst. Da war ich schon<br />
ein wenig eingeschüchtert.<br />
SUP erlebt in letzter Zeit einen echten<br />
Boom. Wie sehen Sie die Entwicklung?<br />
Es hat sich vieles geändert, angefangen<br />
bei den Boards bis hin zur Anzahl der<br />
Leute, die den Sport betreiben. Ich glaube,<br />
die Erklärung ist ganz einfach. Es hat deshalb<br />
solchen Zulauf, weil es nicht aufs<br />
Meer beschränkt ist. Du kannst auf Seen<br />
paddeln, auf Stauseen. Und wenn man<br />
mit einem großen Board anfängt, schafft<br />
„... UND ICH ZU <strong>DE</strong>N<br />
JUNGS NUR: ,GEHT MIR<br />
AUS <strong>DE</strong>M WEG. ICH<br />
WEISS, WAS ICH TUE.‘“<br />
man es sofort, darauf zu stehen und loszupaddeln.<br />
Es gibt sogar aufblasbare<br />
Varianten. Jeder, einfach jeder kann es<br />
machen, beinah überall. Das ist das Entscheidende.<br />
Der Rest ist logisch: Aus der<br />
Einfachheit entsteht Popularität, daraus<br />
entsteht weiteres Wachstum, zusätzliche<br />
Aufmerksamkeit der Medien, was zu mehr<br />
Sponsoren führt, zu mehr Investitionen,<br />
mehr Events und mehr Leuten, die zeigen,<br />
was sie draufhaben. Das ist natürlich für<br />
mich das Wichtigste. Was wäre es wert,<br />
ein toller SUP-Boarder zu sein, wenn es<br />
keine Wettbewerbe gäbe, in denen man<br />
sich mit anderen messen kann?<br />
Und wie steht es um das Verhältnis von<br />
Stand-Up-Paddleboardern und Surfern?<br />
Na ja, einige Leute mögen uns nicht wirklich<br />
… (lacht). In Hawaii haben sie mich<br />
mal aus dem Wasser gejagt. In Brasilien<br />
hatte ich nie Probleme, aber in Waimea<br />
(in Hawaii; Anm.) kam ein Einheimischer<br />
und sagte, ich solle raus aus dem Wasser<br />
und mich hier nicht mehr blicken lassen;<br />
dass es gefährlich sei, wenn ich hier surfte.<br />
Inwiefern gefährlich?<br />
Das ist die Kehrseite des Erfolgs: Leute, die<br />
nie zuvor gesurft sind, stellen sich einfach<br />
so auf ein SUP-Board. Es ist von Anfang<br />
an viel leichter, auf so einem Brett aufzustehen,<br />
also kann es vorkommen, dass<br />
Anfänger gleich mal überall rumkreuzen<br />
… und das kann natürlich gefährlich<br />
werden. Für sie selbst und für andere.<br />
Wann haben Sie angefangen, an Wettkämpfen<br />
teilzunehmen?<br />
Während meiner zweiten Saison in<br />
Hawaii, das war 2011/12. Es gab bereits<br />
eine Weltmeisterschaft für Männer, aber<br />
nur einen Demo-Bewerb für Frauen. Den<br />
gewann ich, außer mir haben damals<br />
15 Mädchen teilgenommen, alles Hawaiianerinnen.<br />
Danach fragte ich den Organisator,<br />
ob ich am Bewerb der Männer<br />
teilnehmen könnte, der fand in Sunset<br />
statt, einem Revier mit viel größeren<br />
Wellen. Er sagte, ich könne, allerdings in<br />
einer „Oh, das Mädchen ist verrückt, und<br />
ich streite mich mal lieber nicht mit ihr“-<br />
Art. Er ließ mich am Probetraining der<br />
Männer teilnehmen. Die Wellen waren<br />
richtig groß an diesem Tag, über zwölf Fuß<br />
(knapp 4 Meter, Anm.). Mir war ein wenig<br />
mulmig, und ich dachte: „Wo hab ich mich<br />
da bloß reingeritten?“ Als ich im Wasser<br />
war, brach gleich eine Reihe riesiger<br />
Wellen über mir. Ich konnte aber natürlich<br />
nicht mehr zurück. Und nach einiger<br />
Zeit surfte ich sogar eine richtig gute<br />
Welle … eine Sekunde nach Ende des<br />
Heats – es zählte also nicht. Ich wurde<br />
Dritte von dreien. Doch sie sagten mir,<br />
wenn die letzte Welle gewertet worden<br />
wäre, hätte ich mich für die nächste Runde<br />
qualifiziert. Jeder kam zu mir, gratulierte,<br />
ich erntete viel Respekt dafür, wie ich<br />
diesen Heat durchgezogen hatte – sogar<br />
von Typen, die ich bewunderte.<br />
Werden weibliche Surfer nicht ganz<br />
allgemein von Männern unterschätzt?<br />
Auf Hawaii kam es vor, dass mich Typen<br />
am Weg ins Wasser stoppen wollten und<br />
mich fragten: „Bist du sicher, dass du das<br />
packst?“ Und ich nur so: „Klar. Geht mir<br />
einfach aus dem Weg.“ (Lacht.) Ich weiß<br />
schon, was ich mir zutrauen kann.<br />
Begleiten Ihre Eltern Sie auch ab und<br />
zu auf Ihren Trips?<br />
Nicht mehr. Wenn mir mein Vater beim<br />
Surfen zusieht, gibt er mir ständig irgendwelche<br />
Ratschläge … und er ist dabei<br />
nicht wirklich, äh, zurückhaltend, sagen<br />
wir es so.<br />
Sie sind die Frau, die es derzeit zu<br />
schlagen gilt. Ist es schwer, damit<br />
umzugehen, dass alle auf Sie schauen?<br />
Mir geht’s gut damit. Ich dachte, es würde<br />
schlimmer sein. Natürlich höre ich bei<br />
jedem Tour-Stopp den Sprecher: „Und<br />
nun: die Weltmeisterin – Nicole Pacelli!“<br />
Jeder will also sehen, ob es dieses Weltmeister-Mädel<br />
wirklich draufhat. Beim<br />
ersten Tour-Stopp dieser Saison in Hawaii<br />
war mein Foto am Poster des Contests, da<br />
dachte ich: „Okay, jetzt musst du zeigen,<br />
was du kannst.“ Zum Glück war ich aber<br />
wieder total entspannt, als ich ins Wasser<br />
ging. Das ist eine meiner Stärken: Ich<br />
bleibe locker und tu, was ich tun muss.<br />
watermanleague.com<br />
THE RED BULLETIN 63