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The Red Bulletin September 2014 - DE

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BangOn!-Neujahrsparty<br />

<strong>2014</strong> in Brooklyn: Cirque du<br />

Soleil trifft Massen-Rave.<br />

Im Disco-Saal<br />

reitet eine<br />

zierliche Frau<br />

auf einem<br />

Bass-Verstärker.<br />

ANYA WHITE (2)<br />

2:30 Uhr<br />

Der Fashion-Moment des Abends. Brett<br />

präsentiert sein „Danger Zone“-Outfit –<br />

die Galauniform der U. S. Navy: weiße<br />

Hose, gestärktes Hemd, eine kühn schiefsitzende<br />

übergroße Tellerkappe. Auf Bretts<br />

Schultern glänzen die Rangabzeichen<br />

eines Captains. Trotzdem ist er mit der<br />

Nacht noch nicht zufrieden. „Zwei Künstler<br />

fehlen noch.“ Brett trinkt einen kräftigen<br />

Schluck Bier. Dann erklärt er seinen philosophischen<br />

Party-Entwurf: „Wir bei Bang-<br />

On! glauben an die kommunikative Kraft<br />

des Verrückten. Wir glauben, dass sich<br />

fremde Leute öfter anlachen und schneller<br />

ins Gespräch kommen, wenn sie sich Farbe<br />

ins Gesicht malen oder Tommy D Naked<br />

Man bewundern. Wir wollen unsere Gäste<br />

aus der Komfortzone schießen. Jeder muss<br />

am Tag nach BangOn! eine Geschichte<br />

erzählen können.“<br />

3:15 Uhr<br />

Im Disco-Saal reitet eine zierliche Frau<br />

auf einem Bass-Verstärker.<br />

3:45 Uhr<br />

Die zwei Künstler, auf die Brett seit einer<br />

Stunde wartet, schleichen unauffällig<br />

hinter das Boom-Box-Car. Colin und Mark<br />

sehen aus wie Statisten aus einem „Mad<br />

Max“-Film. Colin trägt einen Wolverine-<br />

Backenbart, eine speckige Lederjacke und<br />

schwarze Stiefel. Fragt man ihn, woher<br />

er kommt, zeigt Colin das Tattoo auf der<br />

Innenseite seiner Unterlippe: „718“ in<br />

zittrigen Ziffern – die Vorwahl Brooklyns.<br />

Mark, bullig, Irokesenschnitt, trägt eine<br />

ärmellose Weste aus schwarzem Plastik,<br />

deren Schnittmuster mittelalterlich wirkt.<br />

Mark sagt, er habe die Weste aus alten<br />

Automatten genäht. Mark und Colin sind<br />

stolze Söhne Brooklyns. Beide knacken<br />

ihr erstes Dosenbier.<br />

3:47 Uhr<br />

Colin sagt, die Stimmung auf BangOn!-<br />

Partys erinnere ihn an den rauen Charme<br />

Brooklyns vor der Invasion betuchter<br />

Hipster und der Erfindung regelmäßiger<br />

Polizeikontrollen.<br />

3:48 Uhr<br />

Mark erzählt, im Brooklyn der Prä-Hipster-<br />

Ära habe eine Freizeitbeschäftigung heranwachsender<br />

Männer darin bestanden,<br />

„Fensterscheiben fremder Autos mit<br />

Steinen einzuschlagen, um auf den Rücksitzen<br />

mit Freundinnen zu schlafen“.<br />

Marks Stimme klingt melancholisch.<br />

4:30 Uhr<br />

Showtime. Mark und Colin klettern auf<br />

das Boom-Box-Car. An ihren Gürteln<br />

baumeln je zwei Poland-Spring-Mineralwasser-Plastikflaschen.<br />

Auf dem Autodach<br />

fischt Colin Fackeln aus seinem<br />

Rucksack. Mark zündet sein Zippo-Feuerzeug.<br />

Um das Boom-Box-Car drängen sich<br />

jetzt Menschen. Colin und Mark nehmen<br />

jeder einen großen Schluck aus ihren<br />

Flaschen. In den Flaschen ist Lampenöl.<br />

Dann blasen Colin und Mark die ersten<br />

Feuerfontänen gen Himmel. Die Hitzewelle<br />

ist kurz und intensiv. Am Fuß des<br />

Boom-Box-Cars brennt sie im Gesicht.<br />

Die Hipster weichen einen Schritt zurück.<br />

Ungläubige Blicke. Colin bläst seine zweite<br />

Flamme, er biegt seinen Rücken nach<br />

hinten, spuckt Feuer, hustet. Über den<br />

Häuserdächern dämmert es. Colin und<br />

Mark spucken Feuer, als ginge es um ihr<br />

Leben. Um Punkt 4.30 Uhr, der ganze Hof<br />

starrt auf die Boom-Box-Bühne, vereinen<br />

sie ihre zwei Flammentürme zu einer<br />

gigantischen heißen Säule, die fünf Meter<br />

hoch in den Himmel schießt. Es ist die<br />

Geschichte, die man später über jene<br />

Nacht erzählen wird: wie zwei Leder-<br />

Freaks auf einem Dodge Ram Van die Luft<br />

über dem Sugar Hill anzündeten. Wer<br />

zuvor müde war, ist jetzt hellwach. Colin<br />

und Mark verbeugen sich. Aus Colins<br />

Mundwinkel rinnt Lampenöl.<br />

8:15 Uhr<br />

Nach einem 42-Stunden-Arbeitstag<br />

schließt Brett die Tür zum Club. Sonne<br />

blendet seine Augen. In seiner weißen<br />

Kapitänsuniform spaziert er zur U-Bahn-<br />

Station durch das morgendliche Brooklyn.<br />

www.bangon-nyc.com<br />

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