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BangOn!-Neujahrsparty<br />
<strong>2014</strong> in Brooklyn: Cirque du<br />
Soleil trifft Massen-Rave.<br />
Im Disco-Saal<br />
reitet eine<br />
zierliche Frau<br />
auf einem<br />
Bass-Verstärker.<br />
ANYA WHITE (2)<br />
2:30 Uhr<br />
Der Fashion-Moment des Abends. Brett<br />
präsentiert sein „Danger Zone“-Outfit –<br />
die Galauniform der U. S. Navy: weiße<br />
Hose, gestärktes Hemd, eine kühn schiefsitzende<br />
übergroße Tellerkappe. Auf Bretts<br />
Schultern glänzen die Rangabzeichen<br />
eines Captains. Trotzdem ist er mit der<br />
Nacht noch nicht zufrieden. „Zwei Künstler<br />
fehlen noch.“ Brett trinkt einen kräftigen<br />
Schluck Bier. Dann erklärt er seinen philosophischen<br />
Party-Entwurf: „Wir bei Bang-<br />
On! glauben an die kommunikative Kraft<br />
des Verrückten. Wir glauben, dass sich<br />
fremde Leute öfter anlachen und schneller<br />
ins Gespräch kommen, wenn sie sich Farbe<br />
ins Gesicht malen oder Tommy D Naked<br />
Man bewundern. Wir wollen unsere Gäste<br />
aus der Komfortzone schießen. Jeder muss<br />
am Tag nach BangOn! eine Geschichte<br />
erzählen können.“<br />
3:15 Uhr<br />
Im Disco-Saal reitet eine zierliche Frau<br />
auf einem Bass-Verstärker.<br />
3:45 Uhr<br />
Die zwei Künstler, auf die Brett seit einer<br />
Stunde wartet, schleichen unauffällig<br />
hinter das Boom-Box-Car. Colin und Mark<br />
sehen aus wie Statisten aus einem „Mad<br />
Max“-Film. Colin trägt einen Wolverine-<br />
Backenbart, eine speckige Lederjacke und<br />
schwarze Stiefel. Fragt man ihn, woher<br />
er kommt, zeigt Colin das Tattoo auf der<br />
Innenseite seiner Unterlippe: „718“ in<br />
zittrigen Ziffern – die Vorwahl Brooklyns.<br />
Mark, bullig, Irokesenschnitt, trägt eine<br />
ärmellose Weste aus schwarzem Plastik,<br />
deren Schnittmuster mittelalterlich wirkt.<br />
Mark sagt, er habe die Weste aus alten<br />
Automatten genäht. Mark und Colin sind<br />
stolze Söhne Brooklyns. Beide knacken<br />
ihr erstes Dosenbier.<br />
3:47 Uhr<br />
Colin sagt, die Stimmung auf BangOn!-<br />
Partys erinnere ihn an den rauen Charme<br />
Brooklyns vor der Invasion betuchter<br />
Hipster und der Erfindung regelmäßiger<br />
Polizeikontrollen.<br />
3:48 Uhr<br />
Mark erzählt, im Brooklyn der Prä-Hipster-<br />
Ära habe eine Freizeitbeschäftigung heranwachsender<br />
Männer darin bestanden,<br />
„Fensterscheiben fremder Autos mit<br />
Steinen einzuschlagen, um auf den Rücksitzen<br />
mit Freundinnen zu schlafen“.<br />
Marks Stimme klingt melancholisch.<br />
4:30 Uhr<br />
Showtime. Mark und Colin klettern auf<br />
das Boom-Box-Car. An ihren Gürteln<br />
baumeln je zwei Poland-Spring-Mineralwasser-Plastikflaschen.<br />
Auf dem Autodach<br />
fischt Colin Fackeln aus seinem<br />
Rucksack. Mark zündet sein Zippo-Feuerzeug.<br />
Um das Boom-Box-Car drängen sich<br />
jetzt Menschen. Colin und Mark nehmen<br />
jeder einen großen Schluck aus ihren<br />
Flaschen. In den Flaschen ist Lampenöl.<br />
Dann blasen Colin und Mark die ersten<br />
Feuerfontänen gen Himmel. Die Hitzewelle<br />
ist kurz und intensiv. Am Fuß des<br />
Boom-Box-Cars brennt sie im Gesicht.<br />
Die Hipster weichen einen Schritt zurück.<br />
Ungläubige Blicke. Colin bläst seine zweite<br />
Flamme, er biegt seinen Rücken nach<br />
hinten, spuckt Feuer, hustet. Über den<br />
Häuserdächern dämmert es. Colin und<br />
Mark spucken Feuer, als ginge es um ihr<br />
Leben. Um Punkt 4.30 Uhr, der ganze Hof<br />
starrt auf die Boom-Box-Bühne, vereinen<br />
sie ihre zwei Flammentürme zu einer<br />
gigantischen heißen Säule, die fünf Meter<br />
hoch in den Himmel schießt. Es ist die<br />
Geschichte, die man später über jene<br />
Nacht erzählen wird: wie zwei Leder-<br />
Freaks auf einem Dodge Ram Van die Luft<br />
über dem Sugar Hill anzündeten. Wer<br />
zuvor müde war, ist jetzt hellwach. Colin<br />
und Mark verbeugen sich. Aus Colins<br />
Mundwinkel rinnt Lampenöl.<br />
8:15 Uhr<br />
Nach einem 42-Stunden-Arbeitstag<br />
schließt Brett die Tür zum Club. Sonne<br />
blendet seine Augen. In seiner weißen<br />
Kapitänsuniform spaziert er zur U-Bahn-<br />
Station durch das morgendliche Brooklyn.<br />
www.bangon-nyc.com<br />
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