Mitteilungen 82 April 2012 - Geschichte in Schleswig-Holstein
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16 e<strong>in</strong>en Brief an se<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>stigen Kopenhagener Kommilitonen, dessen Bekanntschafter offenbar erneuern wollte: „Es liegt zwar e<strong>in</strong> viertel Jahrhundertzwischen jetzt und der Zeit unseres geme<strong>in</strong>schaftlichen academischenAufenthalts <strong>in</strong> Copenhagen“ – gleichwohl hoffe er, der große Gelehrtemöge sich an ihn er<strong>in</strong>nern. Nach der Darstellung der eigenen Karriere alsArzt <strong>in</strong> den Herzogtümern kl<strong>in</strong>gt doch e<strong>in</strong>e leise Wehmut an, wenn Rollfortfährt: „Sie haben unter Asiens mildem Himmel e<strong>in</strong>e ungleich <strong>in</strong>teressantereBahn betreten. O! Wie gerne möchte ich mich mit Ihnen e<strong>in</strong>mal aufe<strong>in</strong>ige Augenblicke an das Ufer des Ganges versetzen oder mich von Ihnen<strong>in</strong> Ihrem schönen botanischen Garten herumführen lassen! In natura wird<strong>in</strong>dess wohl schwerlich das E<strong>in</strong>e oder das Andere jemals der Fall werden,vielleicht aber könnten mir e<strong>in</strong> paar Augenblicke geschenkt werden, wennSie vielleicht Ihrem Vaterlande zueilen. Gebe der Himmel dieß!“. Der mitdiesem heute <strong>in</strong> Kalkutta verwahrten Brief geäußerte Wunsch sollte sichaller Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit aber nicht erfüllen. Wallich war e<strong>in</strong> vielbeschäftigterMann; und nichts deutet darauf h<strong>in</strong>, dass er während se<strong>in</strong>es kurzenBesuches <strong>in</strong> der Heimat das ehrwürdige Hadersleben besuchte.Zurück <strong>in</strong> Asien, spielte der zunehmend von gesundheitlichen Beschwerdengezeichnete Wallich bald mit dem Gedanken, sich <strong>in</strong> den Ruhestand zubegeben und nach drei Jahrzehnten endgültig se<strong>in</strong>e Reise zurück nach Europaanzutreten, als er noch e<strong>in</strong>mal mit gelehrten Abgesandten des Gesamtstaates<strong>in</strong> beruflichen Kontakt trat: Zwischen 1845 und 1847 unternahmdie legendäre Fregatte „Galathea“ im Auftrage Dänemarks e<strong>in</strong>e wissenschaftlicheWeltumsegelung; auf der Agenda standen etwa die naturkundlicheErforschung der im Golf von Bengalen gelegenen NikobarischenInseln, aber auch die Übertragung der noch <strong>in</strong> dänischem Besitz verbliebenenKolonien <strong>in</strong> Indien an die britische Ost<strong>in</strong>dienkompanie. Währendletztere Aufgabe im Jahre 1845 kaum mehr als e<strong>in</strong>e Formalität darstellteund auch über Serampore auf immer der Danebrog e<strong>in</strong>geholt wurde, erwiessich das Forschungsprogramm als hochrangig und anspruchsvoll. Auch e<strong>in</strong>Besuch des Botanischen Gartens <strong>in</strong> Kalkutta stand auf dem Programm,wo der Kommandant der Expedition, Kapitän Steen Bille, dem alterndenWallich begegnete: „Der botanische Garten ist me<strong>in</strong> Sonntagsaufenthalt.An solchen Feiertagen ist Calcutta für den Fremden eben so leer und langweilig,wie alle anderen englischen Städte; dann flüchtete ich mich unterdas gastfreie Dach me<strong>in</strong>es alten Freundes; und brachte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er und se<strong>in</strong>erausgezeichneten Freunde Gesellschaft höchst angenehme Stunden zu,blieb Nachts dort und genoss nächsten Tages auf e<strong>in</strong>em angenehmen Spatziergangden herrlichen, kühlen Morgen.“ Der erhoffte oder tatsächlicheSpaziergang geme<strong>in</strong>sam mit Wallich durch den Botanischen Garten vonKalkutta gerierte sich offenbar sowohl bei Roll als auch bei Bille zum gesellschaftlichenRitterschlag im kolonialen Indien.