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Die Beste Zeit Nr 4.indd - Druckservice HP Nacke KG

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Eine Farce mit schönen Beinen<br />

Nackte Hintern, Flashman und nicht Osgood Fielding III<br />

Da ist Lena der Name eines Parfums, Leonce eine Jeans-Marke und die (klein)staatliche<br />

Verwaltung fi ndet nicht statt. Büchners 1836 á jour gebrachte Anlehnung an Shakespearsche<br />

Muster der Staats- und Verwechslungskomödien ist unübersehbar. Anna Bergmann<br />

schafft es aber trotz einiger durchdachter Ansätze, Matthias Werners Bühnenbild und guten<br />

Personals nicht, den Pipi-Popo-Witz Büchners umzusetzen, wenn es auch an Popos und<br />

Penissen nicht mangelt. Wir werden wohl nie erfahren, weshalb Valerio (Sebastian Kuschmann),<br />

Vertreter des Branchentelefonbuchs Gelbe Seiten, sich urplötzlich im Wohnzimmer<br />

des Prinzen (Ronny Miersch) auszieht, dadurch des Prinzen Vertrauter wird, jener es ihm<br />

nachtut und beide (nichts gegen schöne Körper) dann nackt wie die California Dream Boys<br />

am Balkenwerk dortselbst herumklettern. Einen knackigen Hintern zeigt übrigens auch<br />

Mlle. Uffelmann, wenn sie widerwillig als Rosetta für Leonce tanzt. Gekokst wird großzügigst,<br />

und Whisky wird in ungeheuren Mengen gesoffen, ohne dass ein Koma eintritt.<br />

Nobody is perfect<br />

Auch werden wir keinen Hinweis darauf fi nden, wieso (ich greife hier weit voraus) Valerio<br />

später als „Flashman“ in der Arktis zur Melodie von „This Guy´s in Love“ einen immerhin<br />

witzigen Paarlauf mit Silver-Girl (Michael Lippold, al. Gouvernante) hinlegt, die wiederum<br />

(mein Gott!) gar keine Dame ist, sondern – welche Überraschung, wir haben es bis<br />

dahin wirklich nicht gemerkt... – ein Mann! Und als sie/er sich schließlich dem verliebten<br />

Valerio (Sebastian Kuschmann ist neben Bernd Rademacher nahezu – dazu später ein<br />

Wort – die einzige Offenbarung in dieser Inszenierung) als Penisträger offenbart, wartete<br />

das Publikum atemlos auf die letzte Plattitüde, den Schlußsatz aus „Some like it hot“ :<br />

„Nobody is perfect“. Aber den konnten sich Bergmann/Böck noch gerade so verkneifen.<br />

Polnareff und schöne Beine<br />

Was bekommen wir? Einen koksenden, cholerischen Leonce, billiger Michel Polnareff-<br />

Verschnitt und veritables Arschloch, das unbedingt (hallo Pete Townshend!) seine Gitarre<br />

zertrümmern muß, dazu eine Lena (Sina Kießling) als Paris Hilton-Kopie, kaum weniger<br />

aggressiv und ebensowenig liebenswert wie ihr künftiger Gatte. Wir haben zwei Klischee-<br />

Schwuchteln (Alexander Ritter, Sebastian Zumpe), die sich um die Garderobe des Königs<br />

kümmern, zwei lächerliche Quentin-Tarantino-Killer-Typen, einen Eskimo am Südpol<br />

(!) - oder wie erklären Sie es sich, dass im Hintergrund Pinguine über die Leinwand spazieren,<br />

während vorne ein Iglu entsteht? -, eine tanzbegabte Haushofdame Rosetta (Katja<br />

Uffelmann), Schlittenhunde, Polarlichter und Partyvolk. Womit wir beim eigentlich<br />

Erfreulichen der Inszenierung sind. Denn unter dem Strich bleibt das Fazit: Alles in allem<br />

ein Stück der schönen Beine. Mit denen wirft die Inszenierung üppig um sich, die Statisterie<br />

scheint dankenswerterweise geradezu danach ausgesucht. Und für die Beine zeichnet<br />

zum einen Prinzessin Lena, die stets - selbst in der (Ant)Arktis - kurzgeschürzt über die<br />

Bühne schreitet und gleitet, vor allem aber die bezaubernde Statisterie, die hier explizit<br />

erwähnt werden muß. Denn „<strong>Die</strong> erste von links“ und die dritte von rechts (mit dem<br />

violetten Kleidchen) waren die optischen Offenbarungen des Abends. Durch sie bekam<br />

der langatmige Abend seinen versöhnlichen Reiz.<br />

Striche dringend angeraten<br />

Nun wollen wir aber, abgesehen von den schönen Mädchenbeinen (für die Herren) und<br />

den leckeren Männer-Popos (für die Damen) nicht die ganze Inszenierung für mißlungen<br />

erklären. Bernd Rademacher lieferte als König von Popo in der Schlußsequenz, der<br />

„Automaten“-Hochzeit, eine herrliche, humorvolle Interpretation ab. Erbarmungslos das<br />

in die Länge Ziehen des Stückes, das mit 2 Stunden 20 Minuten angekündigt, nach 2<br />

Stunden 50 Minuten endete. Das ist trotz der schönen Beine um einiges zu viel. Energische<br />

Striche scheinen hier dringend angeraten. Das Premieren-Publikum verhielt sich<br />

reserviert. Auch wenn die übliche Claque anderer Meinung zu sein schien.<br />

Frank Becker<br />

Weitere Informationen unter: www.schauspielhausbochum.de<br />

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