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6<br />

Tanzträume<br />

Jugendliche tanzen „Kontakthof“ von Pina Bausch<br />

Ein Film von Anne Linsel und Rainer Hoffmann<br />

Am 14. 2. 2010 hatte der Film auf der Berlinale Premiere. 1.600 Besucher sahen ihn im<br />

vollbesetzten Friedrichstadt-Palast. Am 7. 3. 2010 fand die Voraufführung des Films vor<br />

ca. 1.000 Fans im Wuppertaler Cinemax statt, und seit dem 18. 3. 2010 läuft er in den<br />

Kinos, der Film über „Kontakthof“ von Pina Bausch, mit Jugendlichen in Szene gesetzt.<br />

1978, also vor 32 Jahren war Premiere des Tanztheaterstücks in Wuppertal, 2000 kam<br />

„Kontakthof mit Damen und Herren ab 65“ (Laiendarstellern) auf die Bühne und 2008<br />

mit Jugendlichen ab 14 Jahren. „Kontakthof“ ist das einzige der über 40 Stücke von Pina<br />

Bausch, welches sie auch mit Laien gespielt hat. Alle Gefühle zwischen Himmel und<br />

Erde, zwischen Mann und Frau zeige dieses Stück, meint Anne Linsel im Gespräch. Und<br />

offensichtlich ist jedermann Tänzer, wird er nur geeigneter Weise gefördert und gefordert.<br />

Liebe und Sex, Enttäuschung, Hoffnung, Aggression und vor allem Zärtlichkeit sind<br />

Themen für jeden und jede und für alle Altersklassen. Wahrscheinlich erkennt sich das<br />

Publikum mit eigenen Problemen und Emotionen in diesem Stück eher selbst wieder als<br />

in anderen Stücken Pina Bauschs.<br />

Wie Pina Bauschs „Jedermann“ mit den Jugendlichen erarbeitet, eingeübt und schließlich<br />

bühnenreif gemacht wurde, haben Anne Linsel (Regie) und Rainer Hoffmann (Kamera)<br />

von März bis November 2008 fi lmisch dokumentiert. Dabei ist Anne Linsel offensichtlich<br />

den jungen Tänzerinnen und Tänzern so vertraut geworden und nahe gekommen,<br />

dass diese durch die Filmaufnahmen nicht gehemmt wurden, sondern freimütig und<br />

offen über ihre Liebes- und Lebenserfahrungen vor laufender Kamera berichtet haben. 43<br />

Mädchen und Jungen verschiedener Nationalitäten im Alter ab 14 Jahren waren von Pina<br />

Bausch aus verschiedenen Wuppertaler Schulen aller Schulformen ausgewählt worden.<br />

An jedem Samstag wurde unter Jo Ann Endicott und Benedicte Billiet geprobt. Vom<br />

ersten Kontakt der Jugendlichen mit der großen Pina Bausch, die sie teilweise zuvor auch<br />

dem Namen nach nicht kannten, von ihren ersten Schritten auf der Probebühne bis hin<br />

zur gefeierten Premiere im November 2008 wurde das Projekt mit der Kamera sensibel<br />

eingefangen. So entstand ein anrührender und bewegender Kinofi lm über Pina Bausch,<br />

über ihre Arbeitsweise, über das alltägliche Theater - niemand greift wie Pina Bausch in<br />

ihren Stücken Alltagssituationen so eindrücklich auf und setzt sie in Bewegung um - und<br />

über Jugendliche, die quer durch das gegliederte Schulsystem und unabhängig von ihrer<br />

Herkunft ein solches Stück auf die Bühne stellen. „Das Wichtigste, was die Jugendlichen<br />

von Pina gelernt haben, ist meiner Meinung nach, dass man mit seinem ganzen Körper<br />

Gefühle ausdrücken kann, dass man Traurigkeit zum Beispiel durch Weinen ausdrücken<br />

kann aber auch mit Armen und Beinen. Dadurch haben sie eine Sensibilität für Kunst<br />

entwickelt und verstehen gelernt, dass Kunst etwas mit dem Leben zu tun hat und nichts<br />

Abgehobenes ist“ sagt die Regisseurin. Umgekehrt fasziniert den Zuschauer des Films, wie<br />

durch Einübung von Bewegung und Bewegungsabläufen Gefühle und Seelenleben der<br />

jungen Tänzerinnen und Tänzer gegenläufi g beeinfl usst werden. Natürlich ist Bewegung<br />

beim Tanzen Ausdruck der Psyche. Das wichtige Ergebnis dieses Projektes für den<br />

Zuschauer aber ist, dass umgekehrt durch Einübung tänzerischer Bewegung die Psyche<br />

verändert und kultiviert werden kann. <strong>Die</strong> Wechselbeziehung zwischen Bewegung und<br />

Psyche ist Thema dieses Films. Tanzträume sind es und traumhaft ist es, was dieses junge<br />

Ensemble und wie es sich bewegt, wie intensiv die Jugendlichen das Stück proben und<br />

wieder proben, sich Kritik gefallen lassen, gelobt und ernst genommen werden. Und in<br />

der Darstellung von Zärtlichkeit und Aggression, von Hoffnung und Enttäuschung, von<br />

Scham, Unsicherheit und Vertrauen merken die Jungendlichen, dass sie im Grunde ihr<br />

eigenes Leben tanzen. Dazu macht das Ganze den jugendlichen Darstellern offensichtlich<br />

Spaß. Dabei verschwinden die Vorurteile der Hauptschüler gegenüber den Gymnasiasten<br />

und umgekehrt, die Vorurteile gegenüber den ausländischen Mitschülern und umgekehrt,<br />

natürlich auch die Vorurteile dem anderen Geschlecht gegenüber. So gelingt Integration.<br />

Szene aus der Generalprobe 7. Kontakthof 11.08

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