W. Penning, GynäkologieWissenschaftliche Grundlagen<strong>der</strong> BalneotherapieSelbstverständlich muß auch für Naturheilverfahrendie wissenschaftlicheDiagnostik unabdingbare Voraussetzungeiner erfolgreichen Therapiedurch fachkundige Ärzte sein.Es ist das Betreben <strong>der</strong> wissenschaftlichenBalneologie, die seit Jahrtausendenbekannten empirischen Erfolgedurch intensive Grundlagenforschungobjektivieren zu können. Erwähntwerden sollen hier vor allem dieDurchblutungsmessungen im Bereich<strong>der</strong> Organe des kleinen Beckens mitdem Ultraschall-Doppler-Verfahren,die verfeinerten Methoden <strong>der</strong> Temperaturmessungenim Genitalbereich, dieHormonbestimmungen vor, wahrendund nach dem Baden u. a. m.Die den menschlichen Korper allseitig gegendie Umwelt abschließende Haut istvon außen kommenden Einwirkungen beson<strong>der</strong>sausgesetzt. Dies schließt auch mechanische,thermische und aktinischeReize ein. Die Resorption von Wirkstoffendurch die Haut in Wannenba<strong>der</strong>n wirdsehr unterschiedlich beurteilt. Auch diefrüher beschriebene Aufnahme von Ostrogeneno<strong>der</strong> ahnlich wirkenden Substanzenaus dem Badetorf ließ sich bisher nichteindeutig nachweisen. Die „nach einerMoorbadekur" beobachteten Verbesserungen<strong>der</strong> hormonellen Situation sindwohl über die Steigerung <strong>der</strong> Kerntemperaturzu erklaren, wodurch eine Stimulierung<strong>der</strong> Ovanalfunktionen über dieAchse Hypothalamus — Hypophyse —Nebennierenrinde erfolgt (Dietrich, 1985).Die Thermoregulation und ihre Toleranzgrenzeist eng mit <strong>der</strong> Hautfunktion gekoppelt.Die Temperaturkonstanz des„homoiothermen" Menschen gilt im Prinzipnur für den Körperkern. Die Korperschalebesitzt eine recht variable Isolation.Bei zweckmäßiger Kleidung werden Umgebungstemperaturenvon -50 °C bis+100 °C vom Menschen toleriert. SinkendeTemperaturen werden durch Stoffwechselsteigerungbis hin zum „Kaltezittern"ausgeglichen. Anstieg <strong>der</strong> Korperkerntemperaturfuhrt über die entsprechendenRezeptoren zur vermehrten Wärmeabgabe(Schweißverdunstung, wobeidie Verdampfung von 1 1 Schweiß demKorper eine Wärmemenge entsprechend2400 J entzieht).In diesem Zusammenhang soll auf denUnterschied hingewiesen werden zwischenKonduktion, also Wärmeenergie-Transportmolekular im ruhendenMedium (Torfbreibad), und Konvektion,bei welcher <strong>der</strong> Warmetransportdurch stromende Flüssigkeiten geschieht(Wasserbad).Wirkungsmechanismen undAnwendungsformenZwei Regeln ermöglichen die therapeutischeNutzung des sogenanntenbiokybernetischen Systems im Hypothalamusund in an<strong>der</strong>en subkortikalenZentren, das auch auf unbewußteReize reagieren kann:1. Nach <strong>der</strong> Schulz-A rndtsdnen Regelstimulieren schwache Reize, wahrendstarke Reize die Funktion hemmen.2. Nach <strong>der</strong> Wil<strong>der</strong> sehen Regel reagiert<strong>der</strong> übererregte Organismuseher auf hemmende als auf erregendeReize und <strong>der</strong> gehemmte Organismuseher auf erregende als aufhemmende Reize.Damit ist die Wirkung einer Anwendungauch von dem Ausgangszustandeiner Patientin und von ihrer Motivationabhängig. Nur eine gezielte Explorationund die Erhebung einer subtilenAnamnese können eine individuelle,gezielte Therapie ermöglichen.Für die Praxis heißt das, daß im Bereich<strong>der</strong> Balneogynakologie zwischeneiner Serie balneologischer Einzelanwendungen(z. B. am Heimatort) undeiner eigentlichen balneologischen Kurzu unterscheiden ist (Senn, 1988).Die Balneotherapie am Kurort warschon immer unter dem Aspekt <strong>der</strong>„Ganzheitsmedizin" erfolgreicher alsdie gezielte Anwendung von gleichenHeilmitteln zu Hause, wo psychosomatischeProbleme in <strong>der</strong> Hetze desAlltages nicht berücksichtigt werdenkönnen, da die Belastungen seitens <strong>der</strong>Familie und des Berufes keine Zeit dafürlassen. Oft fuhrt <strong>der</strong> zusatzlicheZeitaufwand für therapeutische Anwendungenerst recht zu streßbedingtemFehlverhalten.Es wurde den Rahmen dieses Artikelssprengen, wenn auf alle in <strong>der</strong> gynäkologischenBalneotherapie eingesetztenAnwendungen eingegangen wurde.Viele Maßnahmen <strong>der</strong> Physiotherapie,im weitesten Sinne auch dieKneippschen Anwendungen, Bewegungsba<strong>der</strong>,Klimatherapie u. a., sindwohl allen Ärzten für Naturheilverfahrenohnehin bekannt. In <strong>der</strong> Frauenheilkundestehen zwei Kurmittel imVor<strong>der</strong>grund: das Torfbreibad (meistfalschlich als „Moorbad" bezeichnet)und die Sole, die sich häufig ergänzen.Hans Baatz bezeichnete beide als„schwarze und blonde Schwester" imtherapeutischen Rüstzeug des Balneogynäkologen.a) TorfDie ersten „Moorba<strong>der</strong>" bei Frauenkrankheitenwurden vor mehr als 150Jahren in Franzensbad verabreicht, zunächstvorwiegend zur Behandlungchronisch- entzündlicher Genitalerkrankungen.Aus heutiger Sicht ist dieBehandlung mit Badetorf in erster Linieeine aggressive Wärmetherapie.Vor allem bei Anwendung eines dickbreiigen,heißen Torfvollbades ist eintherapeutischer Erfolg zu erwarten;an<strong>der</strong>e Anwendungen stellen einenKompromiß dar, <strong>der</strong> durch die Probleme<strong>der</strong> Torfbeschaffung unter denAspekten des Umweltschutzes beeinflußtwird. Der „Dickbrei" setzt sichaus zwei Teilen Torf und einem TeilWasser zusammen. Die richtige Zusammensetzungkann durch dieQuentinsehe Probe überprüft werden:Eine auf die Oberfläche des Breibadesgeschriebene Zahl bleibt mindestenseine Minute leserlich.Der Indifferenzgrad (die sogenannteBehaglichkeitszone) liegt beim Torfbreibadum 2 bis 3 °C hoher als imWasserbad; sie betragt normalerweise40 °C, kann aber ohne weiteres auf42 °C gesteigert werden. Eine Überwärmungdes Korpers mit ErhöhungArztezeitschnft für Naturheilverfahren 35 2 (1994) 103
W Pennmg, Gynäkologie<strong>der</strong> Kerntemperatur um mindestens1 °C laßt sich also im Vergleich zumWasserbad in wesentlich kürzerer Zeiterzielen Auch Temperaturen des Torfbreibadesvon 44 bis 46 °C werdennach Goecke und Kovank (1988) guttoleriert Die Dauer des Torfbreibadessoll 15 bis 20 Minuten nicht überschreitenUnter dem Zwang <strong>der</strong> immer schwierigerwerdenden Beschaffung von Torfwurden in letzter Zeit spezielle Wannenkonstruiert, z B die Haslauer-Wanne (Kleinschmidtu Kleinschmidt,1988) o<strong>der</strong> die Großraumwanne mit12 Platzen (Neumann, 1992), die mitwesentlich geringeren Mengen desTorf-Dickbreies für ein Vollbad auskommenFür die Gynäkologie werden auch Pakkungenappliziert, vorwiegend als sogenannteReithosenapphkation, wobeidie Segmente bis hinab zu S 4 zu erreichensind Die Temperatur <strong>der</strong> Pakkungsoll beim Auflegen bis zu 48 °CbetragenIn letzter Zeit wird die lokale (vaginaleo<strong>der</strong> rektale) Anwendung von Torf vorallem von Kovank (1988) propagiertDiese Apphkationsform ist aber nichtunumstrittenb) SoleSolewasser müssen defimtionsgemaßeinen Mindestgehalt von 1,4% Natnumchlondaufweisen Sie kommenals Thermen o<strong>der</strong> als kalte Quellen vorund können weitere namensgebendeInhaltsstoffe aufweisen (z B Jodsole,Schwefelsole) Die meisten in <strong>der</strong> Balneotherapieverwendeten Solen weiseneine Kochsalzkonzentration von 1,5bis 6% auf, auch höhere Salzgehalte(bis 30%) kommen vor (Totes Meer')Nach Schmzer (1991) ist es wissenschaftlich schwer zu begründen, ob dieSolewirkung über einen Immersionseffekt,wie ihn das „Eintauchen" desKorpers in Wasser bewirkt, hinausgehtIm Indifferenzbereich (etwa34 °C) wird durch die Sole we<strong>der</strong> eineHyperamie <strong>der</strong> Haut noch eine nennenswertekutane Aufnahme vonKochsalz erzielt Bei einer 3,2%igenLosung sind Aufnahme und Abgabevom menschlichen Korper ausgeglichenErst bei mehr als 6% wirken Soleba<strong>der</strong>osmotisch hyperton, dann gibtdie Haut in das Bad mehr Wasser ab,als sie aufnimmtÜblicherweise wird für die gynäkologischeBalneotherapie eine 4%ige Solelosungverwandt, welche mit Zusätzenversetzt werden kann (z B Latschenkieferextrakt)Die Anwendung erfolgtmeist als Wannenbad (Sitz-, Halb-,Dreiviertel- o<strong>der</strong> Vollbad) Zur Erzielungeines thermischen Effektes kanndie Temperatur bis auf 40 °C gesteigertwerden Damit laßt sich innerhalb <strong>der</strong>üblichen Anwendungszeit von 15 bis20 Minuten eine milde Hyperthermieerzielen, die aber nicht an die durchTorfbreiba<strong>der</strong> erreichbare Steigerung<strong>der</strong> Kotperkerntemperatur heranreichtVon einigen Autoren (Baatz, Wiencke)wird die Sole-Vaginalspulung im Sinneeiner lokalen Hyperthermie sehr empfohlenHierfür verwendet man die sogenanntePmcMS-Birne, ein Rucklaufsystem,bei dessen Anwendung nur dasobere Scheidendrittel mit <strong>der</strong> 40 bis44 °C heißen Sole in Berührungkommt Es ist bei den Sole-Vaginalspulungenaber zu bedenken, daß dabeidas saure Milieu <strong>der</strong> Scheide neutralisiertwirdSolebewegungsba<strong>der</strong> werden vor allemim Bereich des rheumatischen Formenkreiseseingesetzt, in <strong>der</strong> Gynäkologiehaben sie sich beson<strong>der</strong>s für dieBehandlung von Folgeerscheinungennach Ablatio mammae o<strong>der</strong> bei OsteoporosebewahrtIndikationen zur gynäkologischenBalneotherapieKeinesfalls soll die gynäkologischeBalneotherapie als Gegensatz zur chirurgischeno<strong>der</strong> Pharmako- bzw Chemotherapieaufgefaßt werden, sie solldiese Methoden aber evtl erganzenNeben <strong>der</strong> Rehabilitation einschließlich<strong>der</strong> Anschlußheilbehandlungen isthier vor allem auch die Prävention zunennen, auch im Sinne <strong>der</strong> SekundarundTertiarpravention und <strong>der</strong> Gesundheitsbildung,wie sie m <strong>der</strong> ursprünglichenLehre von <strong>der</strong> „Diaita"schon <strong>der</strong> antiken Medizin bekanntwarDer gewünschte Erfolg tritt im allgemeinennur dann ein, wenn die gynäkologischeBalneotherapie durch einenGynäkologen in einem anerkanntenFrauenheilbad erfolgt Zu diesemZweck muß <strong>der</strong> zuweisende Arzt denrichtigen Kurort auswählen, die therapeutischenMöglichkeiten (und Grenzen1 ) <strong>der</strong> zur Verfugung stehendenKurmittel und des am Kurort tatigenBalneogynakologen kennen (Dietrich,1985)a) Adnexitis (Salpingitis)Die akute, meist hochfieberhaft verlaufendeAdnexitis eignet sich nicht fürdie Behandlung am Kurort, sie bedarfnach diagnostischer Abklärung <strong>der</strong> intensivenantibiotischen Therapie Diechronische, oft schon mehrfach rezidivierteAdnexitis ist dagegen eine„klassische" Indikation für die BalneotherapieDurch intensive Warmewirkung,wie sie am besten im Torfbreiba<strong>der</strong>zielt wird, kommt es zur Verbesserung<strong>der</strong> Durchblutung m einem meistschon narbig abgekapselten BereichMan erreicht dadurch eine verbesserteResorption noch bestehen<strong>der</strong> Restherdeund eine vermehrte Zufuhr vonkörpereigenen Abwehrstoffen wiez B immunkompetenten Zellen DieTorfbreiba<strong>der</strong> sollten jeden zweitenTag gegeben werden, ergänzt werdensie am besten durch Soleba<strong>der</strong> an denZwischentagenb) Infertihtat — SterilitätUm beurteilen zu können, ob die Balneotherapieerfolgversprechend seinkann, ist eine genaue Abklärung <strong>der</strong>Ursachen unabdingbar Wenn eine Impotentiagenerandi des Mannes ausgeschlossenwurde (die in etwa 30% <strong>der</strong>Falle die Unfruchtbarkeit des Paares104 Arztezeitschnft für Naturheilverfahren 35 2 (1994)
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