20.11.2012 Aufrufe

Diplomarbeit - Institut für Germanistik

Diplomarbeit - Institut für Germanistik

Diplomarbeit - Institut für Germanistik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ßerdem näheren, überschaubareren, ausfüllbareren Orten zu überlassen.“ 25<br />

Durch die Kriegsschuld war die Nation als Heimat kein Thema mehr, wenn<br />

man an Heimat dachte, orientierte man sich an kleineren oder abstrakteren<br />

Begriffen. Diese Erfahrungen von Orten der Heimat werden jedoch erst aus der<br />

Distanz gemacht. Erst der Mangel macht die Bedeutung von bis dahin Selbstverständlichem<br />

klar: „Die Heimaterfahrungen werden gemacht, wenn das, was<br />

Heimat jeweils ist, fehlt oder <strong>für</strong> etwas steht, das fehlt.“ 26 Aus der Distanz sind<br />

es vor allem Erinnerungen und Sehnsüchte, die das Heimatbild ausmachen.<br />

Améry setzt Heimat mit Sicherheit gleich, das Exil evoziert ihn ihm das Gefühl<br />

des Torkelns über schwankenden Boden. 27 Ähnliches meint auch Schlink, wenn<br />

er vom Recht auf Heimat als elementarem Menschenrecht spricht, und sich dabei<br />

auf einen Ort bezieht, an dem der Mensch rechtlich anerkannt und geschützt<br />

leben und arbeiten, sowie Familie, Freunde, Erinnerungen und Sehnsüchte<br />

haben kann. 28 Für Schlink ist das Heimweh das eigentliche Heimatgefühl.<br />

Heimat manifestiert sich also nicht im Konkreten und ist folglich ein Nicht-<br />

Ort, eine Utopie: „Die Erinnerungen machen den Ort zur Heimat, die Erinnerungen<br />

an Vergangenes und Verlorenes, oder auch die Sehnsucht nach dem, was<br />

vergangen und verloren ist [...] Heimat ist ein Ort nicht als der, der er ist, sondern<br />

als der, der er nicht ist.“ 29<br />

Auch Améry beschäftigt sich mit der Heimwehproblematik, in seinem Fall der<br />

Sehnsucht nach einer eigentlich verachtenswerten, nationalsozialistischen<br />

Heimat: „Was zu hassen unser dringender Wunsch und unsere soziale Pflicht<br />

war, stand plötzlich vor uns und wollte ersehnt werden: ein ganz unmöglicher,<br />

neurotischer Zustand, gegen den kein psychoanalytisches Kraut gewachsen<br />

ist.“ 30<br />

Doch nicht nur <strong>für</strong> räumlich von ihrer Heimat getrennte Menschen ist Heimat eine<br />

Utopie. Auch wenn ein Mensch sein ganzes Leben lang am selben Ort gelebt<br />

hat, ist dieser Ort als Heimat <strong>für</strong> ihn Utopie, denn dieser Ort beinhaltet nicht<br />

nur die Erinnerungen an konkrete vergangene Geschehnisse sondern dazu<br />

25<br />

Schlink 2000, S. 23.<br />

26<br />

A. a. O., S. 24.<br />

27<br />

Vgl. Améry, in: Heidelberger-Leonard (Hg.) 2002, S. 95 – 96.<br />

28<br />

Vgl. Schlink 2000, S. 47.<br />

29<br />

Schlink 2000, S. 33.<br />

30<br />

Améry, in: Heidelberger-Leonard (Hg.) 2002, S. 102.<br />

10

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!