Diplomarbeit - Institut für Germanistik
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Tradition weiter bestehen. Das Motiv besteht nicht nur als Einzelelement, sondern<br />
auch als in sich schlüssiges Relationsfeld, in der Überlieferung fort. Motive<br />
werden im kollektiven Gedächtnis der Rezipienten aufbewahrt und können dadurch<br />
zu jeder Zeit neu belebt werden. Dieses, die Zeiten überdauernde, Fortbestehen<br />
von Motiven im Gedächtnis der Menschen begründet sich auch dadurch,<br />
dass Motive auf sehr anschauliche und präzise Weise typische menschliche<br />
Verhaltensmuster oder Situationen darstellen. Bei Motiven handelt es sich<br />
also um schematische Muster von (arche)typischen Eigenschaften und wiederkehrenden<br />
Situationen im menschlichen Leben. Ein Motiv weckt im Rezipienten<br />
die Erinnerung an eine bekannte Situation oder Verhaltensweise, im Zuge des<br />
Rezeptionsprozesses erfolgt eine Neubewertung, die gespeichert und auf diese<br />
Weise weitergegeben wird. 116 Jedes Motiv besitzt also im kollektiven Gedächtnis<br />
der Menschheit eine schematische Repräsentation, die durch fortlaufende<br />
Verwendung im Laufe der Zeit neu bewertet, modifiziert und abgespeichert<br />
wird. Motive können charakteristisch <strong>für</strong> das Werk einzelner Autoren oder Epochen<br />
sein, dieselben Motive kommen aber auch in unterschiedlichen Sprachräumen<br />
parallel vor. Deshalb ist die Motivforschung auch zu einem wichtigen<br />
Arbeitsfeld komparatistischer Studien avanciert. Diese, die Kulturen übergreifende,<br />
Präsenz von Motiven ist ein weiterer Beweis <strong>für</strong> die Repräsentation existentieller,<br />
kollektiver Vorstellungen und Verhaltensweisen. 117<br />
Darüber hinaus lassen sich in Anlehnung an die Typologie von Daemmrich/<br />
Daemmrich 118 folgende wichtige erzähltechnische Funktionen von Motiven feststellen:<br />
36<br />
o Schaltfunktion: im chronologischen Aufbau eines Textes treten Motive an<br />
Gelenksstellen auf und steuern die Informationsverarbeitung im Wahrnehmungsvorgang.<br />
Sie gewährleisten die Übertragung der Information<br />
von einer Schicht beziehungsweise von einer Bedeutungsebene zur<br />
nächsten. Somit sind Motive linear im Text geordnet und auch als Schalter<br />
auf der Achse der Sinngehalte verteilt.<br />
116<br />
Vgl. Daemmrich/Daemmrich 1995, S. XV – XVI.<br />
117<br />
A. a. O., S. XI – XII.<br />
118<br />
A. a. O., S. XVIII – XX.