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Diplomarbeit - Institut für Germanistik

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Menasse unterscheidet drei Phasen der Anti-Heimat-Literatur: als erste Phase<br />

benennt er jene der Konstituierung der Gattung, wobei vor allem der Bezug auf<br />

die nationalsozialistische Vergangenheit im Vordergrund steht. Hans Lebert und<br />

Gerhard Fritsch werden hier genannt. Danach schreiben jüngere Autoren, meist<br />

ohne eigene Kriegserfahrungen, über den Alltagsfaschismus in der Provinz.<br />

Wenn auch dabei nicht direkt auf die nationalsozialistische Vergangenheit rekurriert<br />

wird, so schildern Autoren wie Franz Innerhofer oder Gernot Wolfgruber<br />

doch auch die Kontinuität althergebrachter Strukturen. Als letzte Phase<br />

sieht Menasse die Thematisierung des touristischen Ausverkaufs und die groteske<br />

Verlogenheit der Fremdenverkehrswelt, wie sie etwa von Elfriede Jelinek<br />

(„Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr“, 1985) oder Norbert Gstrein („Einer“, 1988) beschrieben<br />

wird. 105<br />

Ein letztes Mal sei noch Menasse zitiert, der noch einmal erklärt, warum Österreich<br />

die mustergültige Anti-Heimat ist und welchen Beitrag die Literatur dabei<br />

leistet:<br />

32<br />

In der österreichischen Literatur ist es aber so, daß jede Destruktion<br />

von Klischees und Idyllen sofort zur völligen Destruktion jeglichen<br />

positiv besetzten Heimatgefühls führt: Werden die Kulissen der Heimat,<br />

weil man in ihnen nicht zu Hause sein kann, zerstört, dann ist<br />

überhaupt nichts mehr da, worin man sich heimisch fühlen könnte.<br />

[…] Das Beste, was die Literatur der Zweiten Republik hervorgebracht<br />

hat, beschäftigt sich mit dem Desaster der Provinz, auf eine<br />

Weise, daß wir über den Entwicklungsbogen von der Nazi-Zeit bis<br />

zum zerstörerischen Massentourismus der heutigen Tage von dieser<br />

Literatur anschaulicher informiert werden, als es der dürren Abstraktheit<br />

soziologischer Untersuchungen möglich ist. 106<br />

Robert Menasses Konzept von Anti-Heimat-Literatur ist wesentlich weiter gefasst<br />

als ältere Beiträge zu diesem Thema, etwa von Koppensteiner oder Kunne.<br />

Menasse entwickelt aufbauend auf historischen und gegenwärtigen Besonderheiten<br />

das Bild einer Nation ohne Heimat. Als Nationalliteratur definiert er<br />

eben jene Werke die sich mit dieser nicht vorhandenen Heimat, der Anti-<br />

Heimat, auseinandersetzen. Diese Anti-Heimat ist <strong>für</strong> Menasse nicht auf den<br />

105 A. a. O., S. 102 – 103.<br />

106 Menasse, in: Ders. 2005, S. 101 – 102.

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