Diplomarbeit - Institut für Germanistik
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dern schlechthin <strong>für</strong> das menschliche Wesen in großen sozialen und<br />
politischen Umbruchzeiten geschaffen, das stimmige und leider bleibende<br />
Psychogramm <strong>für</strong> all jene, die, wenn in den Geschichtsbüchern<br />
von ´Untergang` die Rede ist, nicht untergehen, und das sind<br />
eben Menschen, die die Systeme überleben. 132<br />
Mit dem Ankauf des Nachlasses von Gerhard Fritsch durch die Wiener Stadtund<br />
Landesbibliothek im Jahr 2004 konnte eine intensive wissenschaftliche<br />
Auseinandersetzung mit dem Autor in Gang gesetzt werden. Aus der Aufarbeitung<br />
dieses Nachlasses resultiert Stefan Alkers Monographie „Das Andere nicht<br />
zu kurz kommen lassen“ (2007). Darin betont Alker unter anderem die sexuelle<br />
Komponente in „Fasching“ und begründet diese Tatsache mit Fakten aus<br />
Fritschs Biographie. 133 Es war auch diese stellenweise sehr explizite Schilderung<br />
von Sexualität, die in den 1960er Jahren bei allen Kritikern auf Ablehnung<br />
und Empörung stieß, wobei nicht erkannt wurde, dass dieses Strukturelement in<br />
enger Verbindung zur faschistischen Thematik steht. 134 Durch die erstmalige<br />
ausführliche Fokussierung auf das sexuelle Element durch Alker wird eine weitere<br />
Relektüre ermöglicht.<br />
6.2 Heimkehr eines Deserteurs<br />
„Fasching“ ist erzählerisch sehr ambitioniert gestaltet. Innerhalb des Romans<br />
lassen sich drei Ebenen feststellen. Die beiden Handlungsebenen sind durch<br />
eine zeitliche Distanz voneinander getrennt. Ebene eins behandelt die Zeit von<br />
Felix´ Flucht zu Silvester 1944 bis zur sowjetischen Kriegsgefangenschaft.<br />
Ebene zwei setzt ein mit der Rückkehr in die Stadt und endet vier Tage später<br />
in den Turbulenzen des Faschingsballes. Wie in einem Film laufen die Erinne-<br />
132<br />
Menasse, Robert: Wir machen die Musik. In: Fritsch, Gerhard: Katzenmusik. Frankfurt/Main:<br />
Suhrkamp 2006, S. 109 – 126, S. 117. Auf die Allgemeingültigkeit des in „Fasching“ dargestellten<br />
gesellschaftlichen Modells hat bereits Baumann hingewiesen, gleichzeitig jedoch einen spezifischen<br />
Österreichbezug negiert. Vgl. Baumann, Ingo: Über Tendenzen antifaschistischer Literatur<br />
in Österreich. Analysen zur Kulturzeitschrift „Plan“ und zu Romanen von Ilse Aichinger,<br />
Hermann Broch, Gerhard Fritsch, Hans Lebert, George Saiko und Hans Weigel. Wien: phil.<br />
Diss. 1982, S. 333.<br />
133<br />
Vgl. Alker 2007, S. 141 – 280. Schon Baumann hat in seiner Dissertation darauf hingewiesen,<br />
seine Analyse jedoch mit dem Schwerpunkt auf Faschismus und Antifaschismus verfasst.<br />
Vgl. Baumann 1982, S. 320 – 348.<br />
134<br />
Vgl. Garscha, Beatrix: Obdachlose Helden: Defizite der österreichischen Identität. Faschismus<br />
im österreichischen Roman nach 1945. Wien: phil. Diss. 1997, S. 44 – 46.<br />
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