Diplomarbeit - Institut für Germanistik
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der Leser gezwungen ist, in seiner Bewertung ständig zwischen den beiden Polen<br />
zu wechseln. Felix kann nicht als Typus mit überschaubaren, klassifizierbaren<br />
Eigenschaften definiert werden, vielmehr zwingt er zu einem ständigen Verschieben<br />
und Revidieren der Perspektiven, was dazu animiert, von vorschnellen<br />
Bewertungen abzusehen und die eigene Wahrnehmung permanent<br />
zu hinterfragen. 146 Louis hat nicht Unrecht, wenn sie sich ausschließlich auf die<br />
erste Handlungsebene beziehen würde. Denn da war Felix sowohl Opportunist<br />
als auch Held, er nutzte die Gelegenheit, in Frauenkleidern den Krieg zu überleben<br />
und warf seine Partisanenträume über Bord, und er rettete die Stadtbevölkerung<br />
durch die Überwältigung des Kommandanten. Als Heimkehrer jedoch,<br />
und hier zeigt sich die kontrastierende Funktion des Motivs, ist Felix weder<br />
Held noch Opportunist. Als Heimkehrer ist Felix einzig davon geleitet, eine<br />
Heimat zu finden und bereit, da<strong>für</strong> auch Opfer in Kauf zu nehmen. Mit der<br />
Rückkehr in die Stadt ergreift er keine günstige, sondern die einzige Möglichkeit<br />
sein Ziel zu erreichen und wählt die Strategie der Anbiederung, da er sich von<br />
dieser die Bewältigung seiner Krise erhofft. Der Heimkehrer agiert mehr pragmatisch<br />
denn opportunistisch und glaubt bis zuletzt an seinen Erfolg, seine verzweifelte<br />
Situation versperrt ihm den Blick auf die Realität.<br />
In „Fasching“ erhält das Heimkehrmotiv eine neue Bedeutung. Die Fragen, warum<br />
Felix heimkehrt und wie er einzuordnen ist, werden nicht beantwortet. Herkömmliche<br />
Muster können nicht herangezogen werden, um die Rezeption zu<br />
erleichtern. Die literaturwissenschaftlichen Diskussionen zeigen, dass sich diese<br />
Fragen bis heute nicht eindeutig beantworten lassen.<br />
Nach dieser Darstellung der widersprüchlichen Aspekte des Motivs nun zur<br />
Analyse der Struktur- und Verlaufsebene.<br />
In Bezug auf die strukturelle Funktion des Heimkehrmotivs fällt die Verknüpfung<br />
mit der reflexiven Ebene auf. Felix´ prekäre Situation in seinem Versteck respektive<br />
Gefängnis ist als direktes Resultat seiner Heimkehr zu verstehen. Die<br />
Heimkehr hat ein Handlungsgefüge ausgelöst, das in einer ausweglosen Situation<br />
endet. So fragt sich Felix auch: „Soll ich vor zwölf Jahren beginnen und<br />
146<br />
Vgl. Louis, Raffaele: Das ausgesetzte Urteil. Eine poetologische Lektüre von Gerhard<br />
Fritschs Roman „Fasching“. In: Alker, Stefan/Brandtner, Andreas (Hg.): Gerhard Fritsch. Schriftsteller<br />
in Österreich. Wien: Sonderzahl 2005, S. 111 – 131, S. 120 – 121.<br />
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