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Vorwort zur Chronik über Kupferberg - Heinz Kornemann

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mit interessanten Erinnerungsstücken ausstaffiert. An den Wänden zwischen den Gewölbebögen hingen alte Stiche und Schriften.<br />

Die hinteren Nischen waren mit Waffen und Requisiten vergangener Kriege bestückt. Ein englischer Stahlhelm war nach Aussage<br />

des Redakteurs und Reserveleutnants Ernst Küttner aus Jannowitz einem englischen Offizier in der Schlacht bei Arras im Weltkrieg<br />

1914118 abgenommen worden. Die Heckflagge eines deutschen Kriegsschiffes, das an der Schlacht um Tsingtau im ersten Weltkrieg<br />

teilgenommen hatte, war von Gutsinspektor Kurt Mende gespendet worden, der vor<strong>über</strong>gehend im Ratskeller gewohnt hatte.<br />

Am runden Tisch des Gastraumes trafen sich wöchentlich mindestens einmal die Honoratioren des Städtchens <strong>zur</strong> Skatrunde. Die<br />

Damen der Kartenspieler saßen dann an einem Nachbartisch und beschwatzten derweil die Neuigkeiten. Sie rümpften natürlich die<br />

Nasen, wenn es bei fröhlicher Stimmung manchmal zu laut wurde und das Lied ertönte: “Wenn du noch eine Schwiegermutter hast,<br />

dann In einer Wandnische lagen hinter verschlossenem<br />

Handschmiedegitter einige besonders gute “Jahrgänge“ Einmal geschah es, daß bei <strong>über</strong>mütiger Laune eine dieser Flaschen nach<br />

vorn ans Gitter gezogen wurde (Hilfsmittel: ein von der Wand genommenes Seitengewehr). Die Flasche konnte geöffnet und der<br />

Wein in die Bierkrüge gegossen werden. Der Wirt war nicht wenig <strong>über</strong>rascht, als zu der Zeche noch eine Flasche Wein bezahlt<br />

wurde, die er nicht aufgeschrieben hatte. Oft wurde <strong>über</strong> diesen Streich herzlich gelacht, doch wurde hinter dem Gitter noch ein<br />

Maschendraht angebracht, damit dieser Spaß nicht wiederholt werden konnte.<br />

Der Ratskeller verfügte <strong>über</strong> ein Wannenbad, das mit geringer Gebühr (0,60-1,00 RM) von der Bevölkerung benutzt werden konnte.<br />

Auf der Rückseite des Ratskellers gab es einen schön gelegenen Gastgarten. Von ihm aus konnte man, <strong>zur</strong> heißen Jahreszeit unter<br />

schattenspendenden Bäumen sitzend, die Aussicht <strong>über</strong> das Tal von Jannowitz zu den Falkenbergen genießen.<br />

Das Gasthaus <strong>zur</strong> Brauerei gehörte Franz Franzky und seiner Schwester Josephine. Sie waren Geschwister des Brauereibesitzers.<br />

Zusammen mit Tante Anna waren sie um das Wohl ihrer Gäste besorgt. Beiderseits des Einganges zum Lokal lud ein Garten mit<br />

Tischen und Stühlen zum Verweilen ein. Bei schönem Wetter konnte man beschaulich das kleinstädtische Treiben beobachten. Im<br />

ersten Stock des Gasthauses war in mehreren Zimmern die Stadtverwaltung untergebracht. Zur Gastwirtschaft gehörte auch eine<br />

Landwirtschaft und eine Kohlenhandlung. Treue Mitarbeiter waren hier Emil Hörner und seine Frau Helene, geb. Machalke<br />

Auf der durch das Oberstädtchen führenden Straße nach Rudelstadt gelangte man nach 10 Minuten an das Gasthaus “Zum grünen<br />

Wald“ im Ortsteil Dreschburg. Es gehörte dem früheren gräflichen Kutscher Josef Kaszynski, der mit seiner Frau Katharina, geb.<br />

Gräbel, und den Kindern Bernhard, Waily, Marianne und Alfons auch die dazu gehörige Landwirtschaft betrieb. Die beiden Söhne<br />

Hermann und Ludwig waren schon älter und lebten auswärts. Nach dem Tode von Josef Kaszynski <strong>über</strong>nahm der Sohn Bernhard<br />

die Gastwirtschaft. der bis dahin als Buchbinder in einer Kartonagenfabrik in der Kreisstadt tätig war. Die Gastwirtschaft hatte einen<br />

Saal, in dem fast jeden Sonntag Tanzveranstaltungen waren. Die Wände des Saales hatte ein Maler, der auf seiner Wanderschaft dort<br />

einige Zeit verweilte, mit Motiven der Schneekoppe und des Rübezahl, der Lorelei und noch anderen Bildern nach Volksliedern<br />

künstlerisch bemalt. Zu den Tanzabenden mit originellen Bezeichnungen - Kutscherball, Schlüpferball, Ball der Hausangestellten usw.<br />

- spielten einheimische Musikanten. Auf dem Musikpodium stand ein Flügel und später wurde auch ein Plattenspieler angeschafft,<br />

der von Alfons bedient wurde und der nicht immer die von den Tanzpaaren gewünschte Musik <strong>zur</strong> Hand hatte. Wem es im Saal zu<br />

laut wurde, der konnte sich im ruhigeren Gastzimmer am Schanktresen oder beim Billardspiel unterhalten.<br />

Höhepunkte der Gastronomie in der Bergstadt waren die jahreszeitlichen Veranstaltungen. Auf<br />

Kirmestanz mit Wild- und Geflügelessen, folgten Silvester- und Neujahrsbälle, <strong>zur</strong> Karnevalszeit<br />

Maskenbälle und Kostümfeste und zu Schlachtfesten gab es Wellfleisch- und Weliwurstessen. Zum<br />

Anstich von Bockbier aus der heimischen Brauerei stiegen hier und da Bockbierfeste. Als Abschluß<br />

dieser gastronomischen Schilderungen aber noch eine Bemerkung:<br />

Es sollte nicht der Eindruck entstehen, als wäre nur gefeiert und gejubelt worden. Saure Wochen, frohe Feste - so müßte dies<br />

alles <strong>über</strong>schrieben werden. Nach Tagen harter Arbeit und wellig Vergnügen war der Bedarf an Entspannung und Unterhaltung<br />

an den Wochenenden eine allgemeine Sache. Das sowieso knappe Geld brauchte nicht für die heute übliche Auto- und Reisewelle<br />

ausgegeben zu werden. Die nahe liegenden Lokale erreichte man leicht zu Fuß. Jung und alt waren nicht durch unterschiedliche<br />

Musik- und Tanzgewohnheiten voneinander getrennt, alle konnten noch miteinander lustig sein.<br />

Auch bei Schnee und Frost bot die Bergstadt ein malerisches und anziehendes Bild. Nach starken nächtlichen Schneefällen mußte<br />

morgens oft durch knietiefen Schnee <strong>zur</strong> Arbeit gestapft werden. Die von Pferden gezogenen Schneepflüge waren nicht in der<br />

Lage, schnell genug Wege und Straßen zu räumen. Dann war aber auch Skilauf auf allen Hängen möglich. Besonders schön war die<br />

Abfahrt vom Ochsenkopf mit Einkehr in der Drei-Linden-Baude in Waltersdorf, in der ein warmer Kachelofen <strong>zur</strong> Rast lockte.<br />

Die zwei Kilometer lange Chaussee von <strong>Kupferberg</strong> nach Jannowitz war, wenn genügend Schnee lag, eine beliebte Rodelhahn, auf<br />

der sieh sonntags Junge und Alte nicht nur aus <strong>Kupferberg</strong> tummelten. Die Sportvereine veranstalteten Wettrodeln in verschiedenen<br />

Altersklassen. 20 Minuten brauchte man von Jannowitz hinauf nach <strong>Kupferberg</strong>. Bei der kath. Kirche wurde gewendet und<br />

nach wenigen Minuten sausender Fahrt war man wieder in Jannowitz. Bei dem damals geringen Straßenverkehr war selbst das<br />

Bobfahren ein gefahrloser Sport. Der dem Gartenarchitekten Gerhard Becker aus Jannowitz gehörende Sechserbob ging Ende<br />

der zwanziger Jahre an junge Leute aus <strong>Kupferberg</strong> <strong>über</strong>. Mit der Mannschaft Kurt Mende als Lenker und den Beifahrern<br />

Johannes Ritzka, Georg Grabs, Hermann Hirsch und Erich Nolte sauste der Bob oft den Berg hinunter bis In den Hof von Klugers<br />

Hotel. Nach einer Stärkung wurde der zentnerschwere Schlitten wieder den Berg hinauf gezogen.<br />

Bergmühle<br />

Holzschleiferei des Grafen<br />

Zu Stolberg-Wernigerode<br />

Eine Holzschleiferei ist ein Zulieferbetrieb für die Papierfabriken, in dem aus Faserholz (hauptsächlich Fichte) auf mechanische<br />

Weise Zellstoff gewonnen wird. Zellstoff und die auf chemischem Wege aus Holz gewonnene Zellulose bilden das Rohprodukt <strong>zur</strong><br />

Papiergewinnung.

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