Vorwort zur Chronik über Kupferberg - Heinz Kornemann
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kochte den „Vogelleim“ in der Gärtnerschmiede selbst aus frischem Leinöl, das holte ich in Rudelstadt. Aus<br />
dieser Ölpresserei wurde später die große Malzfabrik.<br />
Den Pulverturm, bei dem unser Schießstand lag, habe ich schon erwähnt. Er stand am Rand unserer<br />
Pulverhauswiese. Die Bezeichnung Pulverturm war eigentlich falsch für das alte, sehr schmale, aber hohe<br />
Gemäuer, denn darin ist einst ein Wasserrad gelaufen. Das Wasser wurde sehr weit geholt und muß erst<br />
unterirdisch geflossen sein, denn der Stollen, wo die Pferde meines Vaters versanken, war auch eine Teilstrecke<br />
dieses unterirdischen Wasserlaufes, welche vom Kunstgraben in Adlersruh gespeist worden ist. Man sah noch<br />
die runden Lager, wo die Welle gelaufen war und das verharzte Öl am Gemäuer wo man die Welle geölt hatte.<br />
Man hat dann sicherlich die einsam stehende Radstube zum Aufbewahren von Sprengpulver benutzt und ihm<br />
den Namen Pulverturm gegeben. Papa hat noch einige Meter um den Pulverturm herum an Herrn Grundmann<br />
in Reichenstein abgetreten zwecks Eintragung in das Grundbuch und erhielt zum Dank dafür ein Album mit<br />
all den Anlagen, worin auch der Pulverturm im Bild festgehalten war.<br />
In <strong>Kupferberg</strong> war in meiner Jugendzeit ein ganz bedeutender Kram- und Viehmarkt und zwar viermal im<br />
Jahr. Die Buden, d.h. die Verkaufsstände standen an der langen Seite vom Alex bis zum Grubenhaus und bis<br />
zu uns. Viel Pfefferkuchenbuden waren dabei, welche uns Jungs besonders interessierten, aber auch Textilien,<br />
Schuhe, Würstlbuden, Schießbuden usw. Ich erinnere mich noch an einen Verkäufer des Gramophons. Der<br />
Kasten stand auf einem Kistendeckel und hatte eine Menge kleiner Schläuche. Von denen mußte man sich<br />
zwei Enden in die Ohren stecken, dann hörte man ganz leise ein Lied oder einen Marsch. Der Spaß kostete 5<br />
Pfg. Wichtiger aber war der Viehmarkt. Dort hatte Papa eine ständige, massiv gezimmerte Bude stehen. Dort<br />
war Leben und es wurde gehandelt um jeden Taler und die Vorzüge einer Kuh gepredigt. Wieviel Liter Milch<br />
sie gab und dafür garantierte der „Verkäufer“, welche meist Händler waren. Bei dieser Prahlerei, welche zum<br />
„Geschäft“ gehörte und mit viel Lärm und Geschrei vorgebracht wurde, bekam man Durst und viel wurde<br />
vertilgt. Zum Herbstmarkt, wenn es schon kühl war, wurde viel warmer Korn verkauft, welcher auf einem<br />
Petroleumkocher präpariert wurde. Damit es schnell ging, mußte ich von unserer Küche heißes Wasser holen<br />
und zwar im Laufschritt, sonst wäre es wieder kalt geworden. Nach einem Kauf zählte man die harten Taler<br />
auf dem rohen Tisch und es wurde „Beikauf“ getrunken und laut und deutlich disputiert. An solchen Tagen<br />
kaufte mir Papa immer heiße Würstchen und vom Kramermarkt „Pauerbissa“. Unsere Mutter hatte an den<br />
Markttagen mit Großmutter zusammen viel Arbeit in der Küche und im Lokal; besonders um die Mittagszeit,<br />
denn es wurde viel gegessen. Ein Teller Brühsuppe kostete 15 Pfg. Ein Mittagsessen mit Kalbs-, Schweine-<br />
oder Rinderbraten 50-60 Pfg. Abends war Jahrmarkttanz oben im Saal bei uns und die Mägde und Knechte der<br />
Bauern in der Umgebung, wie die unsrigen, bekamen je einen Taler, die Knechte mehr, an Jahrmarktsgeld, das<br />
wurde schon bei Mieten der Leute ausgemacht. Das Mieten geschah in der Regel auf ein Jahr.<br />
Ergänzung:<br />
Paul Sintenis, Apotheker und Botaniker,<br />
*1847 Seidenberg/Niederschlesien, †1907 <strong>Kupferberg</strong>