Vorwort zur Chronik über Kupferberg - Heinz Kornemann
Vorwort zur Chronik über Kupferberg - Heinz Kornemann
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Nach der bestätigten Meldung von Hitlers Tod, fand im »Schwarzen Adler« eine Bürgerversammlung statt. Dabei bat mein<br />
Vater darum, Ruhe und Besonnenheit zu wahren und das Ende des Krieges nicht in Panikstimmung.zu erwarten. Der vielzitierte<br />
Endsieg werde kaum noch eintreten und künftig solle man sich wieder mit dem zivilen bürgerlichen Gruße begegnen. Gerade zu<br />
dieser Zeit war in <strong>Kupferberg</strong> eine Waffen-SS-Einheit im Quartier, geführt von einem SS-Offlzier, der auch als Standortkommandant<br />
fungierte. Dieser Offizier erschien am Tage nach der Bürgerversammlung vormittags in den Amtsräumen der Stadtverwaltung und<br />
beschuldigte meinen Vater als Verräter. Er verlangte, daß sich mein Vater dafür selbst richtete und legte ihm dazu eine Pistole auf den<br />
Tisch. Falls das nicht geschehe, werde er für die Erschießung sorgen. Inzwischen hatten sich mehrere Bürger vor den Amtsräumen<br />
eingefunden, die wohl ahnten, was lief. Mein Vater gab dem SS-Mann zu verstehen, daß er ebenfalls ein toter Mann ist, wenn er<br />
seine Absicht verwirklicht, worauf er die Pistole nahm und eilig verschwand.<br />
Am 8. Mai 1945 zogen Teile der Roten Armee von Rudelstadt und Merzdorf her kommend, kampflos auch in <strong>Kupferberg</strong> ein.<br />
Niemand der Einwohner rechnete mit einem Frieden, wie er von allen sehnlich herbeigewünscht wurde. Mit dem, was nun auf sie<br />
zukam, hatte aber keiner gerechnet.<br />
Die nächste Fortsetzung enthält die Wiedergabe eines Berichts von Dr. Fritz Wiggert »Vor 14 Jahren in der Bergstadt <strong>Kupferberg</strong>«<br />
aus der Zeitschrift »Der Schlesier« Nr.10. Diesen Bericht <strong>über</strong> das erste »Friedensjahr« stellte Heimatfreund Hermann Hirsch <strong>zur</strong><br />
Verfügung.<br />
Hans Fürle<br />
Berichtigung und Nachtrag<br />
<strong>zur</strong> 14. Fortsetzung:<br />
Herr Richard Kessler war l928~-l934 Pächter - also nicht Verwalter - des gräflichen Gutes in <strong>Kupferberg</strong>. Sein Sohn Wolfgang<br />
Kessler, damals Leiter der <strong>Kupferberg</strong>er Scharnhorstjugend, lebt heute in der Nähe von Ulm. Es ist zwar gegen seinen Willen,<br />
trotzdem soll nicht unerwähnt bleiben, daß er 1944 mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet wurde. Als Hauptmann d. R. geriet er in<br />
russische Gefangenschaft, aus der er 194$ <strong>zur</strong>ückkam. 1956 wurde er zum Dienst in die Bundeswehr berufen und 1971 ging er als<br />
Oberstleutnant in Pension. Schließlich führte er noch fünf Jahre mit Erfolg die Geschäfte der Oberallgäuer Volkshochschule, bis<br />
er sich ins Privatleben <strong>zur</strong>ückzog.<br />
Und um „Vierzeiler“ muß es richtig heißen: “Die Kluft die liegt im Spind“.<br />
Nun der angekündigte Bericht von Dr. Fritz Wiggert aus der Zeitung “Der Schlesier“ Nr. 10<br />
Vor 14 Jahren in der<br />
Bergstadt <strong>Kupferberg</strong><br />
- Wie es in Kupferherg im ersten<br />
“Friedensjahr“ nach dem 2. Weltkrieg aussah<br />
Auf Schusters Rappen war das liebliche Bergstädtel <strong>Kupferberg</strong> mit seinen beiden Kirchtürmen endlich erreicht, von dem man im<br />
Anblick der Falkenbergzwillinge, der Hogolie und des silbergrauen Riesengebirgskammes mit den Schneeresten im Melzergrund,<br />
an den Teichen und in den Gruben mit Eichendorff ausrufen möchte:<br />
“0 Täler weit, 0 Höhen!“<br />
Russen waren hier nirgends zu erblicken; doch machten sich vereinzelt bereits aus Zwangsarbeiterlagern befreite Polen bemerkbar,<br />
die dann den Stamm der gefürchteten Miliz bildeten. Dem deutschen Bürgermeister und Werkführer der Bergmühle Fürle, der<br />
im Gasthaus <strong>zur</strong> Brauerei der Geschwister Franzky seine beiden Arbeitszimmer hatte, gesellte sich bald der Pole Wvpschlak als<br />
Mitarbeiter zu, der bisher als Schlosser in einem Berliner Industriewerk zwangsrekrutiert gewesen war und vom inzwischen polnisch<br />
gewordenen Landratsamt Hirschberg als Wojt Gminy (Gemeindevorsteher) eingesetzt worden war. Obwohl der an und ihr sich<br />
gutmütige Pan Wypschlak ziemlich deutsch radebrechte und <strong>zur</strong> Not seine Namensunterschrift zuwege brachte, verstand er binnen<br />
kurzem seinen deutschen Kollegen zu erübrigen. 1-latte er doch in Herrn Tennenboom (war zu deutschen Zeiten in der Papierfabrik<br />
Jannowitz als Arbeiter tätig gewesen), gebürtiger Czenstochauer Israelit, mit einer ansehen Jannowitzenin verheiratet und wohl<br />
deshalb von den Schergen der Nazisten von Hitlers Gnaden ungeschoren geblieben, einen gewandten deutsch sprechenden Vertreter<br />
gefunden. Diesem eigentlichen Spinitis rector der <strong>Kupferberg</strong>er Gemeindeverwaltung hatten die bedrängten Deutschen manches<br />
Gute zu verdanken, da für ihn jedenfalls nicht der Rachegötze Jahve nachahmenswertes Vorbild schien. Beide Polen erklärten sich<br />
jedoch machtlos gegen<strong>über</strong> dem immer brutaler einsetzenden Wüten versprengter Marodeure, russischer Deserteure und entarteter<br />
Miliz, die gemeinsame Sache tollster Wildwestzustände miteinander machten und bei ihren Plünderungs<strong>über</strong>fällen nachts selbst<br />
neupolnische Geschäftsleute in vorher deutsch gewesenen Läden heimsuchten. Gegen<strong>über</strong> diesem zuchtlosen Treiben halfen selbst<br />
mit schweren Balken verbarrikadierte fest verschlossene Haustüren nicht!<br />
“Gegen kleine Banditen ich kann tun als Wojt was - gegen große Banditen mit Bolschewiki und Miliz nitschewo, ja ich machtlos“<br />
gestand mir eines Morgens Pan Wvpschlak freimütig, als ein lamentierender Pole im Haus erschien, in dessen Kolonialwarenladen<br />
sie nachts “Zappzerapp“ gemacht hatten. Vergeltung des Schicksals, denn zwei Tage zuvor hatte der ausgeplünderte Pole den<br />
bisherigen deutschen Eigentümer des Hauses, wie er sich rühmte, herausgeschmissen. Fürwahr, die anarchistischen Zustände des<br />
Dreißigjährigen Krieges schienen ihre zweite Auflage zu erleben. Mit dem heiligen Bergwaldfrieden und der stillen Nachtruhe war<br />
es flur allemal endgültig dahin. Gut, daß es wenigstens nicht wie in Liegnitz zu Brandstiftungen kam, weil die Häuser nicht von<br />
den meisten Bewohnern verlassen waren. Aber auch so ereignete sich manche Schreckenstat im Bezirk des kleinen, knapp 700<br />
Einwohner zählenden Bergstädtchens <strong>Kupferberg</strong>, das jetzt “Miedziana Gora“ in wörtlich polnischer Übersetzung umgetauft ward.<br />
Da verschwand bei Nacht und Nebel der alteingesessene Apothekenbesitzer Gurt Haenisch. Betrunkene russische Soldaten hatten<br />
ihn im Auto entführt, weil er die Herausgabe von Alkohol aus dem Offizin verweigerte. Furchtbare Mißhandlungen hatte er erduldet,<br />
als er nach Wochen heimkehrte. Bar jeden Erinnerungsvermögens siechte er dahin, bis man ihn auf dem kleinen, idyllisch gelegenen<br />
Bergfriedhof <strong>zur</strong> letzten Ruhe trug.<br />
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