SFB600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier
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TEILPROJEKT A 5<br />
Fremde Herrscher – Fremdes Volk. Formen von Inklusion <strong>und</strong> Exklusion<br />
von der zweiten Hälfte des 18. bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
Im 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert häuften sich die Fälle, in denen<br />
Gebiete <strong>und</strong> ganze Staaten durch Erbgang, Eroberung oder<br />
Tausch ihren Besitzer wechselten. Regierungen <strong>und</strong> Monar-<br />
chen etablierten ihre Herrschaft in Ländern, deren Bevölke-<br />
rung ihnen ebenso fremd war wie sie dieser. Ab den 1770er<br />
Jahren kam es häufig zu Teilungen. Prominentestes Beispiel<br />
hierfür war die Zerstückelung Polens durch Preußen, Russ-<br />
land <strong>und</strong> die Habsburgermonarchie in den Jahren 1772, 1793<br />
<strong>und</strong> 1795.<br />
Das Projekt A 5 untersucht, wie die Bevölkerung <strong>und</strong> die<br />
Regierenden in den preußischen <strong>und</strong> habsburgischen Tei-<br />
lungsgebieten die mit dem Herrschaftswechsel verb<strong>und</strong>e-<br />
nen Veränderungen bewältigten. Im Mittelpunkt steht die<br />
vergleichende sozialhistorische Analyse der Eingriffe in die<br />
Sozialstruktur <strong>und</strong> in die Lebensverhältnisse der Bevölke-<br />
rung. Vordringlich werden die Felder der Militär- <strong>und</strong> der<br />
Kirchenpolitik untersucht. Durch die gezielte Vergabe von<br />
Ämtern <strong>und</strong> Stellen in diesen Bereichen versuchte der Staat,<br />
die polnischen Eliten an sich zu ziehen, illoyale Personen von<br />
der Teilhabe an den Ressourcen des Staates auszuschließen<br />
<strong>und</strong> die Kontrolle über die neuen Gebiete zu festigen.<br />
Im Militär wurden alte <strong>und</strong> neue Herrschaftsträger durch die<br />
Inklusion des polnischen Adels in das Offizierskorps sym-<br />
bolisch wie faktisch miteinander verkoppelt. Während den<br />
alten adeligen Eliten eine Existenzbasis angeboten wurde,<br />
konnten die Adligen im gleichen Zug diszipliniert <strong>und</strong> im Sin-<br />
ne der neuen Herrscher sozialisiert werden. Als Vorgesetzte<br />
von einfachen Soldaten <strong>und</strong> als Gr<strong>und</strong>herren über ihre Un-<br />
tertanen trugen sie im folgenden zusätzlich zur Absicherung<br />
der neuen Herrschaftsverhältnisse bei.<br />
Prof. Dr. Helga Schnabel-Schüle<br />
Neuere Geschichte (Frühe Neuzeit)<br />
Prof. Dr. Andreas Gestrich<br />
Neuere Geschichte<br />
Boris Olschewski, M.A.<br />
10<br />
Ebenso wurde Kirchenpolitik von den Teilungsmächten be-<br />
wusst dazu genutzt, um die neue Bevölkerung in den Staat<br />
einzubinden. Das kirchliche Personal erreichte, mit großer<br />
Autorität ausgestattet <strong>und</strong> in der gesamten Fläche der Tei-<br />
lungsgebiete präsent, auf dem Weg der Seelsorge <strong>und</strong> durch<br />
die Stellung von Lehrern nahezu die gesamte Bevölkerung.<br />
Die personelle Zusammensetzung der Institution „Kirche“ zu<br />
bestimmen, um auf diesem Wege den Herrschaftswechsel<br />
abzusichern, gewann damit eine vorrangige Bedeutung.<br />
Bis Ende 2005 konzentrierten sich die Arbeiten auf die dauer-<br />
haft bei den Teilungsmächten Preußen <strong>und</strong> Habsburgermon-<br />
archie verbliebenen polnischen Gebiete Posen, Westpreußen<br />
<strong>und</strong> Galizien. Ab 2006/7 werden die Südlichen Niederlande<br />
<strong>und</strong> die habsburgische Lombardei einbezogen.<br />
Die Lage des Königreichs Polen im Jahre 1773. Österreich, Russland <strong>und</strong><br />
Preußen beraten an der Landkarte Polens seine Teilung. Stich von J. E.<br />
Nilson, Augsburg 1773