SFB600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier
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Der Einsatz visueller Medien in der Armenfürsorge<br />
in Großbritannien <strong>und</strong> Deutschland um 1900<br />
Das interdisziplinär angelegte Projekt untersucht Lichtbilder<br />
aus dem Motivkreis <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> ihren Einsatz bei Projekti-<br />
onsvorstellungen in der britischen <strong>und</strong> deutschen Armenfür-<br />
sorge um 1900. Es besteht aus zwei Teiluntersuchungen:<br />
Auf der Ebene der Medienprodukte wird die historische<br />
Semantik der ikonographischen <strong>und</strong> dramaturgischen Reprä-<br />
sentation von <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Armen in seinerzeit weit verbreite-<br />
ten Lichtbilderserien untersucht. Auf der Ebene der Medien-<br />
geschichte werden Zwecke, Modalitäten <strong>und</strong> Wirkungen der<br />
Verbreitung entsprechender Lichtbildserien in der britischen<br />
<strong>und</strong> deutschen Armenfürsorge rekonstruiert.<br />
Einflussreiche britische Wohltätigkeitsorganisationen nutz-<br />
ten die Projektionskunst, ein wichtiges visuelles Medium der<br />
zeitgenössischen Populärkultur, im Rahmen der Armenfür-<br />
sorge. Sie veranstalteten zahlreiche Projektionsvorstellungen<br />
von Lichtbilderserien, um entweder in erzieherischer Absicht<br />
arme Zuschauerkreise oder zum Zweck der Spendensamm-<br />
lung wohlhabende Publika anzusprechen. Zentrales Anlie-<br />
gen der Aufführungen war die Linderung der Not der Armen durch vorbeugende Aufklärungsmaßnahmen. Ein wichtiges<br />
Abbildung aus dem Projektionsdrama „The Magic Wand“ nach George R.<br />
Sims, Life Model Slide von Bamforth (Holmfirth 1889)<br />
Prof. Dr. Martin Loiperdinger<br />
Medienwissenschaft<br />
Torsten Gärtner, Dipl. Päd.<br />
Ludwig Maria Vogl-Bienek, Dipl. Soz.<br />
Ziel war z.B. die Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs, der<br />
unter Armen in den industriellen Ballungszentren weit ver-<br />
breitet war.<br />
In den kostenlosen Veranstaltungen wurden pädagogische<br />
Bilderserien zur Vermittlung erwünschter sozialer Haltun-<br />
gen üblicherweise eingebettet in unterhaltsame visuelle<br />
<strong>und</strong> auditive Darbietungen. Auf dieser medialen Ebene der<br />
Armenfürsorge geht es im Unterschied zu sozialen Hilfsmaß-<br />
nahmen um symbolisch geregelte <strong>und</strong> gestaltete Prozesse<br />
von Inklusion <strong>und</strong> Exklusion, deren Grenzziehungen pädago-<br />
gisch definiert sind <strong>und</strong> daher zwangsläufig von den sozialen<br />
Einschluss- <strong>und</strong> Ausgrenzungsmechanismen der materiellen<br />
Fürsorgepraxis abweichen.<br />
Die Darstellung der Projektergebnisse wird die medien-<br />
wissenschaftliche Analyse von Medienprodukten (Einzel-<br />
bildern <strong>und</strong> Bilderfolgen) mit der historiographischen<br />
Darstellung von Verbreitung, Aufführung <strong>und</strong> Rezeption im<br />
sozialen <strong>und</strong> politischen Kontext britischer <strong>und</strong> deutscher<br />
Armenfürsorge verknüpfen <strong>und</strong> den Beitrag der Armen-<br />
fürsorge für die Entwicklung visueller Massenmedien um<br />
1900 bilanzieren.<br />
TEILPROJEKT C 6<br />
Abbildung aus einem „Service of Song“ nach der Erzählung „Jessica‘s<br />
First Prayer“ von Hesba Stretton, Life Model Slide (Positivumkehrung des<br />
Negativs) von Bamforth (Holmfirth 1896). Das Negativ zeigt neben der<br />
Szene auch die Aufbauten <strong>und</strong> das Glasdach des Aufnahmestudios.<br />
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