SFB600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier
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Administrative Kontrolle, organisierte Betreuung <strong>und</strong><br />
(Über-) Lebensstrategien mediterraner Arbeitsmigranten<br />
in den Montanregionen zwischen Saar <strong>und</strong> Maas (1945-1990)<br />
Ziel des Projektes ist es, Prozesse der gesellschaftlichen Ein-<br />
schlüsse <strong>und</strong> Ausgrenzungen von Arbeitsmigranten aus dem<br />
mediterranen Raum in der grenzüber-<br />
schreitenden Montanregion zwischen<br />
Saar <strong>und</strong> Maas (Lothringen, Wallonie,<br />
Saarland, Luxemburg) zu untersuchen.<br />
Dabei werden italienische <strong>und</strong> nordafri-<br />
kanische Arbeitsmigranten <strong>und</strong> der Um-<br />
gang mit ihnen in den verschiedenen<br />
Ankunftsregionen miteinander vergli-<br />
chen. Das Forschungsprojekt verfolgt<br />
einen regional- bzw. mikrohistorischen<br />
Ansatz, um die Beziehungen zwischen<br />
Einwanderern bzw. Ausländern <strong>und</strong><br />
den Organisationen, die für ihre Kon-<br />
trolle, Betreuung <strong>und</strong> „Integration“<br />
zuständig waren, zu analysieren. Die<br />
Auswahl der von Bergbau <strong>und</strong> Stahl-<br />
industrie geprägten Gemeinden Long-<br />
wy <strong>und</strong> Seraing, die als beispielhaft<br />
für die Geschichte der Arbeitsmigration in das gewählte<br />
Untersuchungsgebiet für die Zeit nach 1945 gelten können,<br />
bot sich angesichts einer breiten Quellenüberlieferung an:<br />
Diese schließt Selbstzeugnisse der Migranten ebenso ein wie<br />
das Schriftgut von einheimischen oder<br />
ausländischen Betreuungsorganisatio-<br />
nen, Vereinen <strong>und</strong> Gewerkschaften oder<br />
Dokumente der lokalen <strong>und</strong> regionalen<br />
Verwaltung (konkret: Einbürgerungs-<br />
akten <strong>und</strong> kommunale Melderegister).<br />
Individuelle <strong>und</strong> kollektive Handlungs-<br />
<strong>und</strong> Deutungsmuster von Einzelpersonen,<br />
Familien <strong>und</strong> unterschiedlichen Gruppen<br />
<strong>und</strong> Institutionen werden so in den Blick<br />
genommen. Sowohl auf der Ebene der<br />
Praktiken, z. B. bei sozialen, insbeson-<br />
dere verwandtschaftlichen Netzwerken,<br />
Prof. Dr. Lutz Raphael<br />
Neuere <strong>und</strong> Neueste Geschichte<br />
Clelia Caruso, M.A.<br />
Sarah Losego, Lic. Phil.I<br />
Jenny Pleinen, M.A.<br />
Frühpensionierter Mienenarbeiter von 38 Jahren<br />
mit seiner Frau, in Charleroi<br />
wie auch in den individuellen <strong>und</strong> kollektiven Vorstellungen<br />
von Raum <strong>und</strong> Zeit, wie sie sich in den Selbstzeugnissen von<br />
Arbeitsmigranten finden, lassen sich so-<br />
ziale Räume rekonstruieren, die nicht in<br />
nationalstaatlichen Grenzen aufgehen.<br />
Beispielhaft kann dies an den verschie-<br />
denen Ausgestaltungen der lokalen <strong>und</strong><br />
regionalen Geschichtskulturen gezeigt<br />
werden, mit denen alle beteiligten<br />
Gruppen sich auseinandersetzen, so<br />
dass sich spezifische Formen kollektiver<br />
Erinnerung an das Migrationsgeschehen<br />
in der Region entwickelt haben. So lässt<br />
sich die in Wallonien weitverbreitete<br />
Deutung der italienischen Arbeitsmig-<br />
ration als Tauschgeschäft zwischen zwei<br />
Staaten, von denen der eine italienische<br />
Arbeitskräfte <strong>und</strong> der andere belgische<br />
Kohle lieferte, nur verstehen, wenn man<br />
berücksichtigt, dass die Produzenten<br />
dieser Deutung in den Vorstellungswelten beider nationalen<br />
Gesellschaften zu Hause sind.<br />
TEILPROJEKT A 6<br />
Abfahrt von Arbeitsmigranten am Bahnhof in Mailand (Italien), 1955<br />
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