SFB600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier
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<strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Armenpolitik<br />
in europäischen Städten im 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
Das Teilprojekt beschäftigt sich mit den Lebenslagen von<br />
Armen, den Praktiken der Armenpolitik sowie den Deu-<br />
tungen von <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Wohltätigkeit in westeuropäischen<br />
Städten vom Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts bis in die 1930er<br />
Jahre. Dieser Zeitraum war einerseits gekennzeichnet durch<br />
sozioökonomische Umbrüche, durch den Ausbau der städti-<br />
schen Daseinsvorsorge <strong>und</strong> der Entstehung des modernen<br />
Sozialstaats. Andererseits zeigten sich aber auch Kontinui-<br />
täten <strong>und</strong> gegenläufige Tendenzen wie etwa die anhaltende<br />
Bedeutung der Familie als primäre Hilfsquelle in Notlagen,<br />
die Revitalisierung der kirchlich-religiösen Armenpflege in<br />
der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts oder die Fortdauer<br />
der Bettelei <strong>und</strong> ihrer armenpolizeilichen Bekämpfung.<br />
Ausgehend von diesem Spannungsverhältnis zwischen Ver-<br />
änderungen <strong>und</strong> Beharrungstendenzen in <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Ar-<br />
menpolitik verfolgt das Projekt folgende Ziele:<br />
1. Die Erforschung der Funktionsweise von Armenpolitik im<br />
Kontext städtischer Gesellschaften: Die Unterstützung von<br />
Notleidenden, die an sie geknüpften Bedingungen <strong>und</strong> Aus-<br />
grenzungsmechanismen werden als das Resultat von komple-<br />
xen Aushandlungsprozessen verstanden, an denen diverse<br />
Akteursgruppen beteiligt waren. Das Projekt interessiert sich<br />
für das Zusammenspiel <strong>und</strong> die Haltungen von staatlichen<br />
<strong>und</strong> kommunalen Behörden, Kirchen <strong>und</strong> Vereinen, privaten<br />
Stiftern, ehrenamtlichen Helfern, Nachbarn <strong>und</strong> Verwandten<br />
sowie ihre Prägung durch örtlich variable gesellschaftliche<br />
Traditionen <strong>und</strong> Wertvorstellungen, Machtkonstellationen<br />
<strong>und</strong> Distinktionsbedürfnisse.<br />
Die Arbeitsanstalt – Ort der Disziplinierung von Bettlern, Landstreichern<br />
<strong>und</strong> anderen „arbeitsscheuen“ Armen<br />
Prof. Dr. Andreas Gestrich<br />
Neuere Geschichte<br />
Dr. Beate Althammer<br />
Michèle Gordon<br />
Jens Gründler, M.A.<br />
2. Die Erforschung von Lebensläufen <strong>und</strong> Überlebens-<br />
strategien der Armen selbst: Das Projekt fragt danach, wel-<br />
che geschlechts-, alters- oder biographiespezifischen Wege<br />
in die <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> eventuell wieder aus ihr heraus führten,<br />
inwieweit soziale Netzwerke einen Schutz vor der Verar-<br />
mung boten, wie die Armen die verfügbaren Hilfsangebote<br />
nutzten <strong>und</strong> unter welchen Umständen sie bereit waren,<br />
auf kriminalisierte Formen der Existenzsicherung wie das<br />
Betteln zurückzugreifen.<br />
„Die ehrlichen Armen“<br />
3. Der Vergleich von <strong>Armut</strong>srisiken <strong>und</strong> Armenpolitiken in<br />
Gesellschaften mit unterschiedlichen nationalen, konfessio-<br />
nellen <strong>und</strong> sozioökonomischen Prägungen: Die auf der<br />
Mikroebene angesiedelten einzelnen Forschungsarbeiten<br />
sollen Bausteine für eine vergleichende <strong>Armut</strong>sgeschichte<br />
Westeuropas in der Epoche von Urbanisierung <strong>und</strong> Industria-<br />
lisierung liefern.<br />
TEILPROJEKT B 4<br />
Den Untersuchungsraum der beiden ersten Förderphasen<br />
bilden die Städteagglomeration in der nördlichen Rheinpro-<br />
vinz sowie das schottische Glasgow. Als Quellengr<strong>und</strong>lage<br />
werden Akten von städtischen Fürsorge- <strong>und</strong> Polizeiverwal-<br />
tungen, von Arbeits-, Armen- <strong>und</strong> Krankenanstalten, Materia-<br />
lien zu privaten <strong>und</strong> kirchlichen Wohltätigkeitseinrichtungen<br />
sowie Unterstützungsanträge von Bedürftigen ausgewertet.<br />
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