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SFB600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

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TEILPROJEKT B 3<br />

Katholische <strong>und</strong> protestantische Armenfürsorge<br />

in der Frühen Neuzeit zwischen kirchlicher, staatlicher <strong>und</strong><br />

kommunaler Zuständigkeit<br />

Die Ausbildung neuer Fürsorgekonzepte in der Zeitspanne<br />

zwischen Reformation <strong>und</strong> Ende des Ancien Régime ist auf<br />

das engste verb<strong>und</strong>en mit dem frühneuzeitlichen Staats-<br />

bildungs- <strong>und</strong> Konfessionalisierungsprozess. Es ist jedoch<br />

nach wie vor unklar, in welchem Maße die Kirche, der wer-<br />

dende Staat sowie kommunale Einrichtungen Einfluss auf<br />

die Ausbildung spezifischer Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Deutungs-<br />

konzepte hatten <strong>und</strong> wie sich diese auf die soziale Praxis der<br />

Armenhilfe auswirkten.<br />

Das interdisziplinäre Projekt nimmt bei der Beantwortung<br />

dieser Fragen die Ausgestaltung des Rechts in katholischen<br />

<strong>und</strong> protestantischen Territorien des Reichs ebenso in den<br />

Blick wie die praktische Umsetzung der Armenfürsorge-<br />

sowie Bettelbekämpfungspolitik. Erste Untersuchungsergeb-<br />

nisse hinsichtlich der Frage nach konfessionsspezifischen<br />

Unterschieden bei der Armenfürsorge haben dabei gezeigt,<br />

wie sehr sich protestantische <strong>und</strong> katholische Konzepte <strong>und</strong><br />

Normerlasse zur <strong>Armut</strong>sbekämpfung gleichen. Dennoch<br />

lassen sich, trotz der in der Forschung vielfach postulierten<br />

strukturellen Gleichartigkeit, aufgr<strong>und</strong> der institutionellen<br />

Ausgestaltung des Unterstützungswesens in der Praxis deut-<br />

liche Unterschiede zeigen. Diese sind weniger dogmatisch-<br />

Prof. Dr. Helga Schnabel-Schüle<br />

Neuere Geschichte (Frühe Neuzeit)<br />

Prof. Dr. Franz Dorn<br />

Bürgerliches Recht / Deutsche Rechtsgeschichte<br />

Dr. Sebastian Schmidt<br />

14<br />

Darstellung öffentlicher Armenfürsorge im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert in einer Miniatur<br />

aus der „Chronik der Bischöfe von Würzburg“<br />

theologischen Überzeugungen geschuldet, sondern resul-<br />

tieren aus der institutionalisierten Eigenheit regionaler bzw.<br />

lokaler Fürsorgekulturen.<br />

Die Untersuchungen haben darüber hinaus gezeigt, dass<br />

neben regionalen sozio-ökonomischen Faktoren biographi-<br />

sche Merkmale wie Alter <strong>und</strong> Geschlecht einen erheblichen<br />

Einfluss auf den Umgang mit <strong>Armut</strong> haben. Um diesem Fak-<br />

tum weiter nachzugehen wird in einer sozialgeschichtlichen<br />

Teiluntersuchung in perspektivischer Umkehrung gefragt,<br />

wie die Armen als Akteure auf die rechtlich <strong>und</strong> konfessionell<br />

unterschiedlichen Gegebenheiten der Fürsorge in Mitteleu-<br />

ropa reagierten <strong>und</strong> inwieweit der Umgang mit <strong>Armut</strong> <strong>und</strong><br />

Devianz im Zusammenhang mit biographischen Merkmalen<br />

der Betroffenen steht. In welchen Lebensphasen <strong>und</strong> unter<br />

welchen Lebensumständen waren Personen von <strong>Armut</strong> be-<br />

troffen bzw. konnten sie sich Hoffnung auf Unterstützung<br />

machen? Von besonderem Interesse ist die Interaktion der<br />

Betroffenen mit den verschiedenen Fürsorgeeinrichtungen<br />

sowie deren Existenzsicherung durch private, familiäre Un-<br />

terstützung. Welche Strategien trugen im Lebenslauf zu einer<br />

Verfestigung von <strong>Armut</strong>skarrieren bei, welche überbrückten<br />

nur eine <strong>Armut</strong>sphase im Lebenslauf? Zeigen sich hier in den<br />

(konfessions-)verschiedenen Territorien deutliche Unter-<br />

schiede? Zum anderen soll aus rechtshistorischer Sicht das<br />

Verhältnis von <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> Delinquenz genauer untersucht<br />

werden, hier vor allem <strong>Armut</strong> als sanktionsverschärfendes<br />

bzw. sanktionsmilderndes Argument in juristischen Diskur-<br />

sen <strong>und</strong> in der Praxis vor Gericht.

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