18 SCHWERPUNKT_WEITERBILDUNGHoffnungen und PotenzialeDie Potenziale von E-Learning spiegeln sich zum einen inpraktischen Erwartungen wi<strong>de</strong>r, zum an<strong>de</strong>ren in wissenschaftlichenBefun<strong>de</strong>n.Auf <strong>de</strong>r Basis einer Literaturübersicht stellten Newton undDoonga (2007) wesentliche Motive zusammen, die vorwiegendaus Sicht von Trainingsanbietern für die Einführung von betrieblichemE-Learning sprechen (siehe Abb. 2). Weiterhinbefragten sie 50 betriebliche Weiterbildungsverantwortlicheund 38 Trainingsanbieter, welche Argumente sie als am wichtigstenansehen. Die externen Anbieter hoben die Qualität <strong>de</strong>sLernmaterials und die Motivation <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n hervor undversprachen sich davon verbesserte Arbeitsleistungen undZufrie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Teilnehmer. Für die betrieblichen Expertenwar die Flexibilität <strong>de</strong>r Lernzeiten und die reduzierte Abwesenheitdas wichtigste Argument, davon versprachen sie sich einehöhere Kosteneffizienz und Teilnehmerzufrie<strong>de</strong>nheit.In einer Befragung schätzten 954 Personalfachleute ein, wassie sich von netzbasiertem Lernen erhoffen (Rossett/Marshall,2010). Für folgen<strong>de</strong> sechs von 20 Punkten erwarteten sie hohesPotenzial durch netzbasiertes Lernen:1. Bei Än<strong>de</strong>rungen (Produkte, Dienstleistungen, Politik)auf <strong>de</strong>m Laufen<strong>de</strong>n bleiben2. Gute I<strong>de</strong>en und Umsetzungen im Unternehmenweitergeben3. Compliance-Erfor<strong>de</strong>rnisse erfüllen4. Produkte und Dienstleistungen kennen5. Leistungsfortschritte standardisieren6. Neue I<strong>de</strong>en und Umsetzungen erfassenZusammenfassend betrachten die Personalfachleute E-Learningals ein Instrument, mit <strong>de</strong>m Innovationen im Unternehmendokumentiert und schnell verbreitet wer<strong>de</strong>n können.Aus Sicht <strong>de</strong>r Forschung zu Erfolgsfaktoren hat netzbasiertesLernen durchaus Potenziale, die jedoch an bestimmte Voraussetzungengebun<strong>de</strong>n sind. Diese Befun<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n in neuerenÜbersichtsarbeiten gesammelt dargestellt (z. B. Bedwell/Salas,2010).E-Learning bietet vielfältige und interessante technischeMöglichkeiten, wie komplexe Simulationen, Lernspiele o<strong>de</strong>rintelligente Agenten. Solche Elemente sollten E-Learning-Angebotestärker nutzen. Sie müssen allerdings zum Lernziel passen.So können Simulationen technische o<strong>de</strong>r wirtschaftlicheZusammenhänge beson<strong>de</strong>rs gut veranschaulichen. So lässtsich damit z. B. die Bedienung und Wartung komplexer Produktionsanlagenso lange üben, bis alle Eingriffe „sitzen“. IntelligenteAgenten geben Tipps, wenn die Lernen<strong>de</strong>n allein nichtweiterkommen. Beim Einprogrammieren solcher Agenten istgenau zu überlegen und vorher zu testen, unter welchen BedingungenTipps nötig und in welcher Form sie hilfreich sind. Siesollen die Lernen<strong>de</strong>n unterstützen, ohne sie zu bevormun<strong>de</strong>no<strong>de</strong>r zu belästigen.Wie alle Trainings sind netzbasierte Lernangebote am effektivsten,wenn sie auf wissenschaftlich fundierten Lernprinzipienberuhen. Dabei ist vor allem wichtig, dass Teilnehmen<strong>de</strong>das Gelernte gründlich üben können, Rückmeldung erhaltenund ihren Lernprozess selbst steuern können. Für ÜbungsundFeedback-Zwecke sind wie<strong>de</strong>rholte Abfragen hilfreich,etwa kleine Selbsttests mit Auswertungen, die zeigen, wasschon gut beherrscht wird und die Empfehlungen geben,welche Themenbereiche wie<strong>de</strong>rholt o<strong>de</strong>r vertieft wer<strong>de</strong>n sollen.Lernen<strong>de</strong> sollen selbst entschei<strong>de</strong>n, wie schnell sie weitermachenwollen, wann sie sich selbst testen o<strong>de</strong>r welchesSchwierigkeitsniveau sie wählen. Wenn man das beachtet, istE-Learning zumin<strong>de</strong>st beim Faktenlernen sogar nachweislicheffektiver als Präsenztraining (Sitzmann/Kraiger/Stewart/Wisher, 2006).Abb. 2: Motive für <strong>de</strong>n Einsatz netzbasierten Lernensaus <strong>de</strong>r Sicht von Anbietern1. Technologie unterstützt Fernlernen 7. Überwachen <strong>de</strong>r Lernfortschritte2. Zeitliche, räumlich fl exibleVerfügbarkeit8. Zusammenarbeit,Austausch von Lernen<strong>de</strong>n3. Einsparung von Reisekosten 9. Risikofreieres bzw. angstfreiesErproben4. Neue Inhalte sofort verfügbar 10. Wird von Lernen<strong>de</strong>n bevorzugt5. Besserer Lernerfolg durchIndividualisierung6. Effektiveres Compliance-Training11. Interessant durch Simulationen,Spiele usw.Quelle: Newton und Doonga (2007).PERSONAL<strong>quarterly</strong> 02 / 12
19Ein weiteres wichtiges Lernprinzip besagt, dass komplexe Verhaltensweisenund -abläufe erstaunlich rasch gelernt wer<strong>de</strong>n,wenn man sie am Mo<strong>de</strong>ll beobachten kann. Vi<strong>de</strong>os und Animationenkönnen komplexere Tätigkeiten plastisch und schnellveranschaulichen, die man sonst lange erklären müsste, z. B.eine Kun<strong>de</strong>nberatung. Dabei ist es – genauso wie für Testsund Simulationen – gar nicht so wichtig, ob diese mit allentechnischen Raffinessen umgesetzt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn in ersterLinie muss klar wer<strong>de</strong>n, worauf es ankommt. Um ein typischesBeratungsgespräch vorzuführen, wür<strong>de</strong> ein Vi<strong>de</strong>o völlig ausreichen.Der Aufwand für eine dreidimensionale Animationlohnt sich dagegen nicht. Wichtiger ist in diesem Beispiel, dass<strong>de</strong>r Ablauf und die wesentlichen Phasen <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>nberatungrichtig dargestellt wer<strong>de</strong>n.Wie je<strong>de</strong> Software müssen auch E-Learning-Angebote ergonomischund benutzerfreundlich gestaltet wer<strong>de</strong>n. Zu diesemZweck hilft es sehr, wenn die Bedienungsfreundlichkeit vor<strong>de</strong>m flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n Einsatz von Testbenutzern systematischerprobt wird. Häufig zeigen sich dabei Schwierigkeiten,die nicht bedacht wur<strong>de</strong>n, die sich aber in dieser Phase gutbeheben lassen. Die Tester können hilfreiches Feedback gebenund sinnvolle Verbesserungsvorschläge machen. So stellt mansicher, dass später alle Lernen<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Oberfläche problemloszurechtkommen.Selbst wenn alle wichtigen Empfehlungen lehrbuchmäßigumgesetzt wer<strong>de</strong>n, garantiert das nicht immer <strong>de</strong>n Erfolg <strong>de</strong>skonkreten E-Learning-Angebots. Deshalb lohnt es sich, vorallem neu entwickelte o<strong>de</strong>r eingekaufte Angebote zu evaluieren.Wie schnell erreichen die Mitarbeiter damit die Lernziele?Verbessert sich ihre Arbeitsleistung? Brauchen sie zusätzlicheUnterstützung, um das Gelernte umzusetzen? Das könnte bereitsin <strong>de</strong>r Erprobungsphase untersucht wer<strong>de</strong>n, um das Angebotzu verbessern, o<strong>de</strong>r später, um das E-Learning mit <strong>de</strong>nbisherigen Präsenztrainings zu vergleichen. Um dies herauszufin<strong>de</strong>n,genügt es nicht, die Einschätzung <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n abzufragen,son<strong>de</strong>rn für fundierte Aussagen sind Wissens- o<strong>de</strong>rLeistungstests nötig.Herausfor<strong>de</strong>rungen und GrenzenIn ihrer Forschungsübersicht räumen Bedwell und Salas (2010)zugleich mit einigen Erwartungen auf, die häufig mit <strong>de</strong>mEinsatz von E-Learning verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Auch frühere Befragungenund Forschungsübersichten thematisieren etlicheProbleme (Mungania, 2003; Welsh/Wanberg/Brown/Simmering,2003).Der Enthusiasmus von Weiterbildungsverantwortlichen wur<strong>de</strong>schnell gebremst, als sich zeigte, dass die Abbruchratenbeim E-Learning wesentlich höher sind als bei Präsenztrainings.Möglicherweise hat dies damit zu tun, dass es, an<strong>de</strong>rs alsbei <strong>de</strong>n meisten Präsenztrainings, keine klaren Lernzeiten gibt,son<strong>de</strong>rn sich Lernen<strong>de</strong> Freiräume in o<strong>de</strong>r neben <strong>de</strong>r Arbeitszeitschaffen müssen. Gleichzeitig ist die Akzeptanz eher gering,was auch mit technischen Problemen begrün<strong>de</strong>t wird. Danebenvermissen viele Lernen<strong>de</strong> <strong>de</strong>n persönlichen Kontakt und Austausch,<strong>de</strong>n sie aus Präsenzseminaren kennen. Nicht zuletztfehlt häufig noch eine E-Learning-unterstützen<strong>de</strong> Lernkultur.An<strong>de</strong>rs als allgemein vermutet, fallen beim netzbasiertenLernen nicht nur Anschaffungs-, son<strong>de</strong>rn außer<strong>de</strong>m erheblichelaufen<strong>de</strong> Kosten an. Diese wur<strong>de</strong>n ursprünglich im Vergleichzu Präsenztrainings als zu vernachlässigen<strong>de</strong> Größe angesehen.Erzeugt wer<strong>de</strong>n diese laufen<strong>de</strong>n Kosten vorwiegend durchdie Pflege <strong>de</strong>r nötigen Infrastruktur. Für technisch anspruchsvolleAnwendungen, wie z. B. Simulationen, steigen diese Kostennoch stärker.Ein E-Learning-Angebot ist in keiner Hinsicht ein Selbstläufer,um <strong>de</strong>n man sich – einmal installiert – nicht mehrkümmern muss. Schon bei <strong>de</strong>r Implementierung sind die technischenBedingungen und Schnittstellen <strong>de</strong>s UnternehmensAbb. 3: Erwartungen, die E-Learning aus Forschungssichtbisher nicht erfüllen konnteVermeintliche PotenzialeGeringe Betriebskosten,Kosteneffi zienzSchnelle Verfügbarkeit, bequemeDistributionRäumliche, zeitliche Flexibilität <strong>de</strong>sLernensMotivieren<strong>de</strong>, bevorzugte LernformEigenständiges, autonomes LernenBelegte ProblemeHohe Anschaffungs- und hoheBetriebskostenHohe Anfor<strong>de</strong>rungen an Technik,InfrastrukturVereinbarkeit mit ArbeitszeitschwierigGeringe Akzeptanz, hohe AbbruchquotenIntensive Betreuung, BegleitungnötigQuelle: Eigene Darstellung.02 / 12 PERSONAL<strong>quarterly</strong>