44 NEUE FORSCHUNG_FRAUEN IN DER INDUSTRIELLEN F&Efür die Orientierung und Motivation sind. Wo keine Frauenin Führungspositionen sind, herrschen Zweifel, ob Chancenfür Frauen vorhan<strong>de</strong>n sind. Frauen brauchen <strong>de</strong>shalb aucheigene Kommunikationsräume wie Netzwerke und Mentoring-Programme. So hat sich beispielsweise aus <strong>de</strong>m Projekt herausbei Bayer Material-Science ein Networking-Programmvon weiblichen Nachwuchs- und Führungskräften entwickelt.Dabei müssen sich bei<strong>de</strong> Geschlechter aufeinan<strong>de</strong>r zubewegenund eine gemeinsame Kultur <strong>de</strong>s Miteinan<strong>de</strong>rs entwickeln.Es wäre we<strong>de</strong>r sinnvoll für die Unternehmen noch von <strong>de</strong>nFrauen akzeptiert, wenn diese sich vollständig in bisherigeSysteme einfügen und traditionelle Muster kopieren müssten.Zu einer zukunftsfähigen, an Chancengleichheit und Diversityorientierten Unternehmenskultur gehören situationsangemessene,flexible Führungsstile von Männer und Frauen ebensowie Spielräume für Vereinbarkeit, gemeinsame Gesprächskulturenund Netzwerke.Abb. 4: Gui<strong>de</strong>line Gen<strong>de</strong>rkompetenz im PersonalmanagementFreiräume schaffen für KarriereDie Vereinbarkeit von Karriere und Kin<strong>de</strong>rn ist eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>Barriere für die Karriere von Frauen. In <strong>de</strong>n Interviewswur<strong>de</strong> u. a. berichtet, dass Frauen nicht beför<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>n,weil angenommen wur<strong>de</strong>, sie könnten schwanger wer<strong>de</strong>n. SindKin<strong>de</strong>r da, wird es oft schwierig, <strong>de</strong>n hohen Anfor<strong>de</strong>rungenan Flexibilität und Verfügbarkeit gerecht zu wer<strong>de</strong>n. Wer eineZeit lang seine Berufstätigkeit unterbricht o<strong>de</strong>r reduziert – seies für Kin<strong>de</strong>r, für Pflege, für Weiterbildung o<strong>de</strong>r auch für bürgerschaftlichesEngagement – hat es schwer, wie<strong>de</strong>r auf die„Potenzialliste“ zu kommen. Hier geht es vor allem um flexibleArbeitsmo<strong>de</strong>lle und um flexiblere Karrierewege.Männern Spielraum für neue Rollen eröffnenHäufig beschränkt sich die Diskussion über Vereinbarkeit darauf,Son<strong>de</strong>rmo<strong>de</strong>lle für Frauen zu schaffen. Doch eine nachhaltigeÄn<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Unternehmenskultur und damit realeKarrierechancen für Frauen, die nicht mehr durch Quoten beför<strong>de</strong>rtwer<strong>de</strong>n müssen, können nur im Miteinan<strong>de</strong>r erreichtwer<strong>de</strong>n – wenn auch Männer in ihrer Verantwortung als Vätergesehen wer<strong>de</strong>n, wenn auch sie in Elternzeit gehen undVereinbarung als tagtägliche Herausfor<strong>de</strong>rung bewältigen. DieStudien <strong>de</strong>r EAF und <strong>de</strong>r Bertelsmann-Stiftung zeigen, dassMänner heute häufig mit stärkeren Barrieren konfrontiert sindals Frauen, wenn sie Freiräume für die Familie in Anspruchnehmen wollen (Lukoschat/Walther, 2006; Walther/Lukoschat,2008). Umso wichtiger ist es, Männer aktiv einzubeziehen.Dual Career unterstützenImmer mehr Frauen und Männer stehen vor <strong>de</strong>r Herausfor<strong>de</strong>rung,zwei Karrieren miteinan<strong>de</strong>r in Einklang zu bringen unddiese ggf. mit Kin<strong>de</strong>rn zu verbin<strong>de</strong>n. Dies wird beson<strong>de</strong>rs dannschwierig, wenn internationale Mobilität gefragt ist. In allenQuelle: Eigene Darstellung.Unternehmen ist dies wichtige Voraussetzung für die beruflicheEntwicklung. Dafür brauchen die Paare die Unterstützung <strong>de</strong>rUnternehmen. Auslandseinsätze sollten <strong>de</strong>shalb genau geprüftwer<strong>de</strong>n: Was ist das Ziel? Lässt sich dieses auch über einen kürzerenAuslandsaufenthalt erreichen? Wenn nicht – wie kann dieArbeitssuche <strong>de</strong>s Partners/<strong>de</strong>r Partnerin unterstützt wer<strong>de</strong>n,z. B. durch regionale Netzwerke mit an<strong>de</strong>ren Unternehmen?Ziele setzenFür Unternehmen ist es in vielen Bereichen selbstverständlich,über Kennzahlen zu steuern und Zielvereinbarungen zu treffen.PERSONAL<strong>quarterly</strong> 02 / 12
45Um auch Chancengleichheit im Unternehmen mit <strong>de</strong>utlichemNachdruck zu verfolgen, können Zielvorgaben sehr hilfreichsein, flankiert z. B. von <strong>de</strong>r Regel, dass für die Besetzung vonFührungspositionen immer min<strong>de</strong>stens eine Frau und einMann auf <strong>de</strong>r Auswahlliste stehen müssen. In <strong>de</strong>n Interviewsspielte dieses Thema immer wie<strong>de</strong>r eine Rolle. Ein großer Teil<strong>de</strong>r befragten Frauen und Männer sah in einer Zielvorgabe einprobates Mittel für wirksame Verän<strong>de</strong>rungen.Führungskräfte, die sich diesen Anfor<strong>de</strong>rungen stellen und<strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungsprozess voranbringen, haben in <strong>de</strong>r Regeleinen erhöhten Aufwand, z. B. in <strong>de</strong>r Koordinierung und Führungvon Beschäftigten in flexiblen Arbeitsmo<strong>de</strong>llen. Führungskräfte,die Gen<strong>de</strong>rkompetenz aufgebaut haben und dieseeinsetzen, sind Promotoren <strong>de</strong>s Wan<strong>de</strong>ls. Sie sollten durch dasUnternehmen sichtbar wertgeschätzt wer<strong>de</strong>n – nicht zwangsläufigin materieller, zumin<strong>de</strong>st aber in i<strong>de</strong>eller Weise.FazitDie Chemieindustrie ist in Bewegung gekommen: Die wirtschaftlicheNotwendigkeit <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung einer an Chancengleichheitund Vielfalt orientierten Unternehmenskulturführt zur strategischen Verankerung <strong>de</strong>s Themas durch dieUnternehmensleitung. Die Einstiegsbarrieren für Frauen sindabgebaut, doch <strong>de</strong>r weibliche Nachwuchs ist nach wie vormit zahlreichen Aufstiegsbarrieren konfrontiert. Langfristigstehen alle Unternehmen vor <strong>de</strong>r Herausfor<strong>de</strong>rung, über dieEntwicklung einzelner Maßnahmen hinaus einen komplexenVerän<strong>de</strong>rungsprozess anzustoßen und eine Unternehmenskulturzu entwickeln, die Frauen und Männern gleichermaßenneue Spielräume eröffnet. 11 Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen, Porträts <strong>de</strong>r beteiligten Unternehmen und Interviews mithochkarätigen Unternehmensvertretern wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Abschlusspublikation „Schlüsselfaktor F&E“veröffentlicht. Diese ist zu beziehen über: EAF, Schumannstr. 5, 10117 Berlin, Tel.: 030-28879840,info@eaf-berlin.<strong>de</strong>, www.eaf-berlin.<strong>de</strong>SUMMARYResearch question: How can companies provi<strong>de</strong> optimal conditionsfor the <strong>de</strong>velopment and career advancement of highly qualifi edwomen?Methodology: Requirements and organizational analysis based oncompany reports and qualitative interviews etc.Practical implications: In or<strong>de</strong>r to bring women into lea<strong>de</strong>rship,companies should review their processes to i<strong>de</strong>ntify barriers forwomen. This is especially important for assessment criteria, careerpaths and work patterns. Equality between women and men shouldbe established in the organization as a strategic issue.LITERATURVERZEICHNISDR. HELGA LUKOSCHATVorstandsvorsitzen<strong>de</strong> und Geschäftsführerin<strong>de</strong>r EAF sowie Geschäftsführerin <strong>de</strong>r Femtece-mail: lukoschat@eaf-berlin.<strong>de</strong>www.eaf-berlin.<strong>de</strong>KATHRIN MAHLER WALTHERVorstand und Stv. Geschäftsführerin <strong>de</strong>r EAFe-mail: mahler-walther@eaf-berlin.<strong>de</strong>www.eaf-berlin.<strong>de</strong>BAVC (Hg.) (2008): Führungskräfte Strukturerhebung. Wiesba<strong>de</strong>n.Bultemeier, Anja (2011): Neue Spielregeln in Unternehmen: Wie könnenFrauen davon profi tieren? In: Boes, Andreas/Bultemeier, Anja/Kämpf, Tobias/Trinczek, Rainer (Hg): Strukturen und Spielregeln in mo<strong>de</strong>rnen Unternehmenund was sie für Frauenkarrieren be<strong>de</strong>uten (können). Arbeitspapier 2. München.http://www.frauen-in-karriere.<strong>de</strong>DIW (Hg) (2009): Innovationsindikator Deutschland 2009. Berlin. http://www.diw.<strong>de</strong>/documents/publikationen/73/diw_01.c.342328.<strong>de</strong>/diwkompakt_2009-051.pdfGDCh, Gesellschaft <strong>de</strong>utscher Chemiker e.V. (Hg.) (2010): Chemiestudiengängein Deutschland. Statistische Daten 2009. Frankfurt am Main.Haffner, Y./Könekamp, B./Krais, B. (2006): Arbeitswelt in Bewegung. Chancengleichheitin technischen und naturwissenschaftlichen Berufen als Impulsfür Unternehmen. Bonn.Lukoschat, H./Walther, K. (2006): Karrierek(n)ick Kin<strong>de</strong>r. Mütter in Führungspositionen– ein Gewinn für Unternehmen. Gütersloh.McKinsey & Company (Hg.) (2010): Women Matter 4. Women at the top ofcorporations. Making it happen. Paris.Seng, A./Zimmer, M. (2008): Frauen in <strong>de</strong>r industriellen Forschung, Entwicklungund Innovation in <strong>de</strong>r chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen.Abschlussbericht, Version 2.0. Essen.Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (Hg.) 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