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sprungbrett uni? - Kupferblau

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Die Hiwi-FalleWenn Schweigen zur Gewohnheit wirdEr soll im Lebenslauf gut aussehen, wertvolle Erfahrungen ermöglichen - und sogar den persönlichenDraht zum Professor. Ein Hiwi-Job ist die perfekte Ergänzung zum Studium. Aber was, wenn esmal nicht so glatt läuft?von Hannah Steinhoff10Wenn Martin* von der Uni nach Hausekommt, checkt er zuerst seine Mails. FünfE-Mails mit Fragen zur Vorlesung oder zumÜbungsblatt der Woche – fünf große oderkleine Probleme, die Martin nachvollzieht,löst und beantwortet. Dafür braucht eretwa eine Stunde. Er schreibt lieber zu vielals zu wenig, denn er möchte, dass die Studierendendem Vorlesungsstoff gut folgenkönnen. Martin ist gern Tutor und er findet,dass er seinen Job gut macht.Laut seinem Vertrag arbeitet er fünf Stundenin der Woche. Dazu gehören das zweistündigeTutorium und eine etwa einstündigeVorbereitung mit dem Professor undden anderen Tutoren. Die restlichen zweiStunden reichen kaum aus, um sich aufdas Tutorium vorzubereiten – geschweigedenn, die Mails zu beantworten. Bezahltwerden diese Überstunden nicht.Gerade für Tutoren ist diese Situationnicht ungewöhnlich. Für die Institute sindsie eine finanzielleErleichterung: Statteiner vollen Stellewerden mehrereTutoren mit 20-Stunden-Verträgeneingestellt,die dann proStunde 8,90 Euro verdienen.Mit seinem Chef kommt Martin gut zurecht.Er würde ihm auch auf keinen Fall unterstellen,dass er die Tutoren bewusst ausbeutet.Aber trotzdem spricht er das Themalieber nicht an.: „Ich habe ja Spaß an derArbeit. Und es ist eben nur ein Hiwi-Job.“Und natürlich ist sein Professor für dasFach sehr wichtig – für Martins angestrebtePromotion ist er ein wertvoller Kontakt.Ein Problem hat Martin aber doch: Auchwenn er den Hiwi-Job nicht nur wegen desGeldes ausübt, braucht er das Gehalt, umsein Studium zu finanzieren. Weil sein Budgetnicht ausreicht, arbeitet er zusätzlichnoch in der Gastronomie. Das wäre wahrscheinlichnicht notwendig, wenn er seinenArbeitsaufwand für die Hiwi-Stelle vollbezahlt bekommen würde.*Namen v.d.R. geändert2000 Hiwis – aberkeine VertretungWenn Martin etwas an seiner Situationändern wollte, könnte er sich zum Beispielan den Arbeitskreis Studentische und WissenschaftlicheHilfskräfte wenden. Seitvor einem Jahr das Weihnachtsgeld fürdie Hiwis gestrichen wurde, setzt sich dieGruppe für bessere Arbeitsbedingungender studentischen und wissenschaftlichenHilfskräfte ein. Denn Martin ist mit seinenProblemen nicht allein – doch obwohl hierin Tübingen etwa 2000 Hiwis angestelltsind, gibt es noch im <strong>uni</strong>versitären Systemkein Organ, das sie vertritt. Dies zu ändern,ist eines der Ziele des Arbeitskreises.Philipp Wolter engagiert sich seit Beginnim Arbeitskreis. Er macht gerade seinenAbschluss in Informatik und war selbst oftals Hiwi tätig. „Ein Tarifvertrag für Hiwis,wie er in Berlin existiert, ist in Baden-Württembergmit Blick auf den Beitrag vonHiwis zum Betrieb der Universitäten überfällig.Als Angestellte des öffentlichenDienstes solltenHiwis in den bestehendenTarifvertragdes Landes eingegliedertwerden. Wird dasblockiert, werden wireinen völlig neuenVertrag verhandeln.“ Im Moment sind dieHiwis laut Landeshochschulgesetz nämlichaus dem Tarifvertrag ausgeklammert.Das bedeutet, dass durch beliebig kurzeVertragslaufzeiten kein wirksamer Kündigungsschutzexistiert.Dass Hiwi-Stellen befristet sind, kommtden meisten Studierenden nicht seltsamvor. Im Berufsleben warten schließlichauch immer mehr befristete Arbeitsverhältnisse.Doch Hiwi-Verträge laufen meistnicht länger als sechs Monate und es gibtStellen, die regelmäßig ein- bis dreimonatigeVerträge ausgeben. „Auch wenn einHiwi schon lange in seinem Job arbeitet –er muss sich regelmäßig darum Gedankenmachen, ob sein Vertrag verlängert wirdoder nicht“, so Philipp. „Uns wird das oftals psychische Belastung geschildert, wennman finanziell auf den Job angewiesen istund nicht weiß, ob man den Job behaltenkann.“Ein Jahr nach der Gründung ist die Hiwi-Initiativenoch nicht viel weiter. Es ist immernoch schwierig, Kontakt mit den studentischenHilfskräften aufzunehmen. Das liegtauch daran, dass die meisten – wie Martin– gar kein besonderes Interesse daranhaben, ihre Situation zu verbessern. „Daskann ich nicht verstehen“, sagt Philipp.„Selbst wenn ich das Beschäftigungsverhältnisfür mich selbst nicht mehr ändernkann oder möchte - ich würde doch zumindestan den Nächsten denken, der den Jobmachen muss“Martin und viele andere setzen ihren Hiwi-Job so lange fort, bis ihr Vertrag ausläuft. Sowerden Probleme nie offen mit dem Vorgesetztenbesprochen. Jenny* jedoch hatsich entschlossen, ihren Hiwi-Job zu kündigen.Dabei wirkte die Stelle am Anfangideal: „Rein theoretisch wäre es ein superHiwi-Job gewesen“, erzählt sie. „Wenn danicht mein Chef gewesen wäre.“Von Anfang an war klar, dass sie für dieseStelle keine festen Arbeitszeiten habenwürde. „Ich wusste, dass es nicht einenWochentag geben würde, an dem ichimmer arbeite. Aber ich dachte, das bedeutet,dass ich mir meine Arbeitszeit selbsteinteilen kann. Und das war am Anfangauch so. Da konnte ich einfach von Zuhauseaus arbeiten und musste gar nicht insBüro.“Doch schnell wurde aus den flexiblenArbeitszeiten die Forderung ihres Chefs,ständig kurzfristig verfügbar zu sein. Jennybekam zum Beispiel am Abend eine Mail,dass sie am Morgen ins Büro kommenmüsse. Ihrem Chef war es dann auch nichtwichtig, ob sie zu diesem Zeitpunkt einenanderen Termin hatte: „Die Erwartung,dass ich für den Job Seminare ausfallenlasse, war auf jeden Fall da. Ich hatte schnelldas Gefühl, dass mein Chef erwartete, dassich dem Hiwi-Job mein Studium und allesandere unterordne.“ Als ihr Chef darauf10

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